Olympia: Erste Transgenderin konnte nur das Gewicht nicht stemmen
Natürlich schaut bei Laurel Hubbard jeder ein bisschen genauer hin. Das liegt nun einmal in der Natur der Sache und ist ein normaler Reflex auf ihre Vorgeschichte. Sind da irgendwelche verdächtigen Anzeichen zu erkennen? Hat der massive Körperbau möglicherweise etwas zu bedeuten? Erinnert da vielleicht irgendetwas daran, dass Laurel Hubbard, die Gewichtheberin aus Neuseeland (43), früher einmal ein Mann war?
Diese Sensationsgier umwehte am Montag den Olympia-Auftritt von Laurel Hubbard, die 1978 als Gavin auf die Welt gekommen war. Bis zu ihrem 34. Lebensjahr war die Neuseeländerin als Mann durchs Leben gegangen, 2012 ließ Hubbard in einer Operation das Geschlecht ändern und durfte nun in Tokio als erste Transgender-Athletin überhaupt bei Olympia an den Start gehen.
So sehr das Internationale Olympische Komitee (IOC) für diesen Schritt gelobt wurde, so groß waren zugleich auch die Irritationen. Von ungleichen Voraussetzungen und von Wettbewerbsverzerrung war da die Rede, die Belgierin Anna Van Bellinghen, die wie Hubbards in der offenen Gewichtsklasse (+87 kg)im Einsatz ist, monierte im Online-Portal insidethegames.com: „Jeder, der Gewichtheben auf hohem Niveau trainiert hat, weiß ganz genau, dass diese besondere Situation für den Sport und die Athleten unfair ist.“
Die Geschichte um die transsexuelle Laurel Hubbard erinnert ein wenig an die Aufregung rund um die südafrikanische Leichtathletin Caster Semenya, die 2012 und 2016 Olympiagold über die 800 Meter gewonnen hatte. In Tokio durfte die intersexuelle Semenya nicht an den Start gehen.
Große Last
Gewichtheberin Laura Hubbard übte sich im Vorfeld der Spiele in Zurückhaltung und verzichtete ganz bewusst auf Interviews. Irgendwann war ihr der Trubel zu viel geworden, irgendwann konnte sie die Fragen nicht mehr hören.
Wie sehr der Neuseeländerin all die kontroversiellen Diskussionen zugesetzt hatten, wurde im Wettkampf deutlich. Für viele hatte Hubbard zu den Mitfavoriten gezählt, nachdem sie schon einmal Vizeweltmeisterin geworden war. Doch der 43-Jährigen waren all die Schlagzeilen, all die Fragen, die von der Konkurrenz aufgeworfen wurden, offenbar zu viel geworden. Die Gewichtheberin konnte dann im entscheidenden Wettkampf diese Herausforderung nicht stemmen und schied ohne gültigen Versuch aus.
Man kann nur mutmaßen, aber beim IOC wird man darüber womöglich gar nicht so unglücklich sein. So bleiben den Funktionären weitere Debatten erspart.
Der Olympiasieg in der Klasse über 87 Kilogramm ging übrigens an die chinesische Weltrekordhalterin Li Wenwen, die im Zweikampf 320 Kilogramm zur Hochstrecke brachte. Die niederösterreichische Olympia-Debütantin Sarah Fischer schaffte es mit einer Zweikampfleistung von 220 Kilogramm auf den zehnten Platz. Sie kündigte bereits an, künftig in der niedrigen Gewichtsklasse an den Start zu gehen.
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