Das Heimweh der US-Football-Profis
20 Millionen Dollar Investitionen, 2000 Quadratmeter Wohnfläche in der besten Lage von Los Angeles, ein Gästetrakt, ein Tanzstudio, ein riesiger Swimming-Pool, Sauna, Fitnessstudio, Butler. So wohnt Tom Brady, der größte Star der National Football League mit seinem Supermodel Gisele Bündchen.
Zwei Quadratmeter Vorzimmer, die zugleich die Küche sind, ein Bad, ein Zimmer mit einem Bett, einem Kasten, einem Tisch und zwei Sesseln in Simmering. Keine Frau, keine Freundin. So leben die drei US-Imports der Raiffeisen Vikings. „Es ist ein bisschen wie im Gefängnis“, sagt Running Back Jesse Lewis. „Allerdings hat man im Gefängnis einen Fernseher.“
Im Gegensatz zum Millionen-Spektakel in den USA ist Football in Österreich ein Amateursport. Ausgenommen sind die sogenannten Imports. Doch auch die verdienen nur ein besseres Taschengeld. „Wegen des Geldes bin ich sicher nicht hergekommen“, sagt Lewis. „Aber wenn man in den USA älter als 24 ist, nicht mehr in der College League spielen darf und es nicht in die NFL geschafft hat, gibt es wenige Möglichkeiten, noch ernsthaft Football zu spielen.“
Fußballplatz
Seit einer Saison ist der Mann aus Denver (Colorado) schon bei den Vikings. Ebenso Michael Zweifel (25), der Wide Receiver. Defense Back Tillman Stevens (24) hält es schon seine zweite Saison in Wien aus. Vom Verein bekommen sie die kleinen Appartements zur Verfügung gestellt. Inklusive Betriebskosten und Blick auf die Had, die Heimstätte des Wiener-Liga-Fußballklubs Simmering.
„ Der Ausblick ist gar nicht so schlecht“, sagt Jesse Lewis. „An den Wochenenden schauen wir uns manchmal vom Fenster aus die Spiele an. Die Stimmung da unten ist großartig, und mittlerweile verstehe ich auch schon die wichtigsten Regeln.“
Doch seine Welt bleiben der Football und die USA. Das Heimweh ist groß: „Ich vermisse einfach alles“, sagt er. „Ich vermisse meine Familie, ich vermisse mein Auto, ich vermisse die Möglichkeit, einkaufen zu gehen, wann ich will.“ Fassungslos sei er gewesen, als er merkte, dass Geschäfte nicht rund um die Uhr geöffnet sind. „Ich bin am Sonntag vor verschlossenen Supermarkt-Türen gestanden. Das gibt es in den USA nicht.“ Problematisch ist auch der Kontakt mit Familie oder Freunden. Telefonieren ist teuer, die Internetverbindung schlecht. „Wir haben in dieser Wohnung nicht einmal WLAN“, sagt Zweifel.
Den trostlosen Wohnungen entfliehen sie in Richtung Innenstadt. „Wien ist eine lebenswerte Stadt“, sagt Wien-Kenner Stevens. „Aber es ist schon wichtig, dass wir manchmal hier rauskommen. Raus aus der Wohnung, raus aus Simmering.“ Sportlich aber gibt’s nichts zu jammern. „Das Niveau der Vikings und von Innsbruck ist sehr okay“, sagt Zweifel. „Diese Teams könnten in der Division 2 der College League mitspielen.“
Versöhnlich
Nach der Saison werden alle drei Imports zurück in die USA fliegen. Doch keiner hat den Trip bereut: „Ich war zuvor noch nie in Europa“, sagt Stevens. Die Monate in Wien betrachtet er als Sport- und Reisesemester. „Ich habe einen Teil der Welt gesehen, den ich noch nicht gekannt habe“, sagt er. „Und die Vikings haben hoffentlich auch etwas von mir profitieren können. Eine klare Win-Win-Situation.“
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