Colin Kaepernick: Kein Ende des Kniefalls

Colin Kaepernick ist eines der prominenten Testimonials der Kampagne zum Jubiläum des Nike-Slogans "Just do it".
Trotz Strafdrohung protestieren noch immer NFL-Spieler gegen Rassismus und soziale Ungleichheit.

Zum Start der National Football League protestieren einige Profis trotz Strafandrohung weiter gegen Rassismus und soziale Ungleichheit. Der Hymnenstreit im amerikanischen Lieblingssport geht weiter: Nachdem Football-Profis für das Niederknien beim Abspielen der amerikanischen Hymne Strafen angedroht wurden, recken Spieler nun die rechte Faust.

„Bleibt stark, Brüder“, schrieb der frühere NFL-Quarterback Colin Kaepernick in den sozialen Netzwerken. Der 30-Jährige hatte die Spieler-Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern in den USA vor zwei Jahren ausgelöst.

Malcolm Jenkins und DeVante Bausby vom amtierenden Super-Bowl-Sieger Philadelphia Eagles haben vor einem Vorbereitungsspiel in der US-Football-Profiliga gegen die Pittsburgh Steelers die rechte Faust gehoben. Bei den Miami Dolphins reckte Robert Quinn ebenfalls seine Faust nach oben, seine Teamkollegen Kenny Stills und Albert Wilson knieten während der Hymne.

"Vaterlandsverrat"

Die erste Woche der Spielzeit 2018/’19 verlief scheinbar reibungslos. Aber eben nur auf den ersten Blick. Es könnte eine richtungweisende Saison werden für den Milliardenbetrieb NFL. Die Proteste afroamerikanischer Spieler, die während der Nationalhymnen vor den Partien in die Knie gingen und gehen, um gegen Rassismus und soziale Ungleichheiten zu demonstrieren, brachten die Konservativen auf. Diese sehen in den Aktionen der Spieler Vaterlandsverrat und eine Beleidigung der US-Flagge. Allen voran der US-Präsident: Donald Trump kritisiert unaufhörlich die angeblich sinkenden Einschaltquoten bei den Fernseh-Übertragungen, er lästert und bezeichnete die protestierenden Spieler auch schon einmal als „Hurensöhne“.

Roger Goodell kann erleichtert aufgeatmet haben am Ende des ersten Spieltags der neuen NFL-Saison. Der oftmals für schlingernde Problemlösungen kritisierte Chef der Football-Liga hatte auf den ersten Blick wenig bis gar nichts zu tun: keine Erklärungen, keine Rechtfertigungen, keine Schadensbegrenzung. Goodell weiß, was in den USA mit Kritikern des Systems passieren kann. Sein Vater Charles Goodell sprach sich in den 1960er-Jahren in einem offenen Brief an Richard Nixon gegen den Vietnam-Krieg aus. Was das Ende der politischen Karriere des republikanischen Senators zur Folge hatte.

Weniger Zuschauer

Aber zurück zur NFL: Tatsächlich schalteten beim 18:12-Sieg der Philadelphia Eagles gegen die Atlanta Falcons im Eröffnungsspiel knapp 13 Prozent weniger Zuschauer ein als noch zum Saisonstart 2017. Allerdings fehlen in der Statistik die Zahlen der Zuschauer, die die Partie über das Internet auf anderen Geräten verfolgt haben. Und im Stadion in Philadelphia saßen 69.696 Zuschauer – damit lag das Spiel sogar knapp über dem ligaweiten Schnitt der letzten Saison.

Diskussionsstoff liefert allerdings auch das Ergebnis einer Umfrage, wonach die Proteste einen beträchtlichen Teil der Zuschauer abschrecken würden. Die Spielerproteste sollten eigentlich durch neue Vereinbarungen eingedämmt werden. Im Sommer verabschiedeten Goodell und die Mehrheit der – überwiegend republikanischen – Teambesitzer neue Regeln. Demnach sollte das Knien von Spielern während der amerikanischen Hymne bestraft, kritischen Profis aber der Aufenthalt in der Kabine während der Eröffnungszeremonien erlaubt werden. Spieler, die dennoch während der Hymne protestieren, sollten sanktioniert werden.

Die neuen Regeln wurden allerdings schnell wieder auf Eis gelegt, als sich zunehmend Widerstand regte. Letzter Stand: Liga und Spielergewerkschaft wollen weiterverhandeln, in der gerade gestarteten Saison wird es keine Hymnenregelung geben. Dabei hatte NFL-Chef Goodell vorher noch gehofft: „Wir sind davon überzeugt, dass diese Entscheidung dabei helfen wird, den Fokus wieder auf das Spiel und die außergewöhnlichen Athleten, die es spielen, zu richten – und auf unsere Fans, die es so genießen.“

Der amerikanische Präsident Donald Trump, der im Vorjahr für eine Eskalation der Debatte gesorgt hatte, war ebenfalls nicht einverstanden. Trump forderte anstelle der „dummen Lösung“ die Suspendierung von Protestlern ohne Gehaltsfortzahlung.

Es kam anders. Am ersten Spieltag der jungen Saison knieten Spieler, andere reckten die Faust in die Luft. „Sie haben sich nicht unterkriegen lassen, obwohl sie angegriffen und bedroht wurden. Ihr Mut wird die Welt weiter nach vorn bringen“, twitterte Colin Kaepernick. Auf dem Feld stand „Kaep“ schon seit zwei Jahren nicht mehr, kein Team will den mittlerweile 30-Jährigen mehr unter Vertrag nehmen.

Werbewirksam

Trotzdem wird er 2018/’19 häufiger zu sehen sein: Sportartikelhersteller Nike – der auch alle 32 NFL-Teams ausrüstet – hat eine große Kampagne mit Kaepernick gestartet. Das Motto: „Glaube an etwas. Auch wenn es bedeutet, etwas zu opfern.“ Für beide Seiten ein Gewinn: Ex-Quarterback Kaepernick bekommt wieder gesteigerte Aufmerksamkeit und gutes Geld, der Milliardenkonzern Image-PR. In den ersten Tagen der Kampagne ist Nikes Umsatz in den USA um über 30 Prozent gestiegen – trotz vereinzelt wutschnaubender Kunden, die in den sozialen Medien zeigen, wie sie Shirts und Schuhe verbrennen.

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