Scherb in Altach: "Unser Ziel wird kein kleines sein"
Am Sonntag reist Martin Scherb nach Altach, um als Trainer den Tabellenführer zu übernehmen. Die Frau des 47-Jährigen bleibt mit den beiden Töchtern in Herzogenburg. "Wenn der Flugplan passt, brauche ich von zu Hause nur drei Stunden nach Altach", erklärt der frühere St. Pölten-Trainer beim Treffen mit dem KURIER.
KURIER: Mit Dimitri Oberlin muss der außergewöhnlichste Spieler noch vor Ihrem ersten Training zurück nach Salzburg. Ist das ein Schock für Sie?
Martin Scherb: Nein, weil ich seit einiger Zeit wusste, dass diese Klausel gezogen wird. Noch hoffen wir, dass es für das Frühjahr eine neue Leihe gibt. Bis zum Abflug ins Trainingslager am 20. Jänner muss Klarheit herrschen.
Wie gehen Sie damit um, wenn sich im Jänner auch noch Lukse und Jäger verabschieden?
Ich gehe davon aus, dass sie bis zum Sommer bleiben. Auch weil sie wissen, was sie an Altach haben. Aber dass nicht alle Spieler mit dieser Performance langfristig bleiben werden, ist mir klar.
Ihr Engagement beim Tabellenführer lässt zwei Fragen offen. Erstens: Sie waren drei Jahre weg vom Geschäft und davor beim Zweitligisten St. Pölten. Warum haben Sie sich Altach trotzdem verdient?
Aus dem Profil von Altach hat sich eine Kandidatenliste ergeben. Bei den folgenden, intensiveren Gesprächen, sei es mit Sportdirektor Zellhofer oder den Vorstandsmitgliedern, hatte ich das Gefühl, dass es sehr viele Übereinstimmungen gibt. Den Verantwortlichen ist es ähnlich gegangen. "Verdient" will ich aber nicht sagen. Ich bin der passende Trainer für den passenden Klub.
Die zweite Sichtweise: Sie wurden 2008 in der Ostliga mit dem SKN Meister vor den damals besser aufgestellten Teams FAC, Sportklub und Vienna mit den Trainern Canadi, Schöttel und Stöger. Warum haben Sie es erst 2017 ganz oben die Chance bekommen?
Es hätte früher Angebote gegeben, aber es hat nie in allen Bereichen gepasst. Die Bundesliga war eine Verlockung, aber nie ein Lebensziel. Im schlimmsten Fall wäre mein Leben so weitergegangen wie bisher – und das war wirklich nicht schlecht.
Ihr Traumberuf war immer Sportjournalist. War es schwer, als Experte für Sky und die Sportzeitung aufzuhören?
Ja, weil es so viel Spaß gemacht hat. Ich habe bei meinen Sportzeitung-Interviews gemerkt, dass mir die Trainer und Sportdirektoren mehr erzählen als "herkömmlichen" Journalisten. Geholfen hat mir auch die Analyse-Abteilung bei Sky, um die vielen Daten noch besser und gezielter auswerten zu können.
Was konnten Sie als Trainer vom Journalisten-Job lernen?
Ich verstehe Journalisten jetzt besser. Es gibt in Österreich eigentlich nie Fragen, die lediglich Böses im Sinn haben. Deswegen will ich künftig nicht mehr so emotional sein. Mehr Gelassenheit wird mir auch an der Seitenlinie guttun, um besser zu coachen.
Funktioniert das Coachen wirklich immer? Es gibt Trainer und Spieler, die erzählen, dass sie im vollen Allianz Stadion ohnehin nichts verstehen.
Wenn ich reinrufe: "Gemma, Burschen, kämpfen!" ist das für die Würscht’. Das hilft niemanden. Mir geht es um wertvolle Inhalte, um taktische Kleinigkeiten. Dazu kann ich auch eine Zeichensprache verwenden.
Damir Canadi hat im Sommer davon gesprochen, dass er mit Altach Meister werden will. Gibt es jetzt ein offizielles Saisonziel?
Nein, weil ich das mit der Mannschaft besprechen will. Aber eines ist klar: Unser Ziel wird kein kleines sein. Wenn du Erster bist, wirst du nicht als Fünfter zufrieden sein.
Wie können Sie Altach überhaupt noch verbessern?
Die Mannschaft ist gewachsen und gut entwickelt. Sie ist körperlich sehr stark, taktisch variabel, gut organisiert, selbstreflektiert und hat eine gute Hierarchie. Deswegen kann das Ziel nur sein, in kleinen Schritten noch besser zu werden. Es wird meine Hauptaufgabe sein, dafür die richtigen Rädchen zu drehen.
Wäre es leichter, einen Krisenklub zu übernehmen?
Zu 99 Prozent passiert das auch so. Mir ist kein vergleichbarer Fall in Österreich eingefallen. Ich muss mit meinen Interventionen sehr behutsam sein. Ich sehe mich anfangs als aktiver Beobachter. Bei einem Krisenklub kannst du hingegen alles umdrehen, irgendwas erzählen und im Verein werden sie rufen: "Ja, genau". Weil sie nur darauf hoffen, dass es besser wird.
Sie ließen früher mit Viererkette spielen. Hätten Sie den Job in Altach auch bekommen, wenn Sie die Dreierkette jetzt ablehnen würden?
Der Verein will nicht, dass alles komplett umgestürzt wird. Aber weder das System noch die Spielanlage sind in Stein gemeißelt. Wir wollen langfristig taktisch noch flexibler werden. Das geht aber nur, wenn die Mannschaft davon überzeugt ist. Trainer, die einer Mannschaft Systeme vorschreiben, die sie nicht will, werden scheitern.
Sie gelten als netter und besonders menschlicher Trainer. Müssen Sie in der Bundesliga härter auftreten als früher?
Ich sehe nur noch Trainer, die das Menschliche bei ihrer Arbeit betonen und Erfolg haben: Klopp, Stöger, Hasenhüttl, Ancelotti. Es geht immer um das Training, um die Ansprache an die Mannschaft, den Respekt und natürlich den Erfolg. Ändern wird sich im Vergleich zu meinen früheren Stationen nur das Medieninteresse.
Um ein Beispiel zu nennen: In St. Pölten gab es Streitigkeiten, Sie haben die "Spielerrevolte" überlebt, Kapitän Fallmann musste gehen. Später stimmten Sie zu, dass Fallmann zurück zum SKN kommen darf. Das würde nicht jeder tun.
Das waren Probleme, wie sie in jeder längeren Beziehung vorkommen, nichts Persönliches. Ich bin als Trainer nicht vor Fehlern gefeit, ich verzeihe auch jeden Fehler, wenn der Spieler daraus lernt. Meine No-gos sind hingegen Falschheit und Illoyalität, da ist der Ofen aus.
Sie haben in Herzogenburg in der Krise einmal die Spieler aufgefordert, alles zu sagen, was sie stört. Mit dem Versprechen, dass Sie nicht sauer wären und nichts nach außen dringt. Danach ging es wieder bergauf. Geht das auch in der Bundesliga? Oder ist das aufgrund der Medien zu gefährlich?
Das ist auch in Altach möglich. Jeder Trainer kommt mal in die Situation, in der alles raus muss, um den Reset-Knopf drücken zu können. Aber solche Aktionen plane ich nicht. Die können sich lediglich ergeben.
Wie lange geben Sie sich selbst Zeit, um den Vorarlberger Dialekt zu lernen?
Ich werde bei Präsident Kopf um einen Zwölf-Jahres-Vertrag anfragen (lacht). Aber es geht schon, ich habe mit meiner Mutter einen Startvorteil: Sie kommt aus Baden-Württemberg, dort wird ähnlich gesprochen.
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