Rapid und die Zukunft: Selbstfesselung in Hütteldorf

Rapid und die Zukunft: Selbstfesselung in Hütteldorf
Rapid startet ohne Transferbudget in die kommende Saison. Wie viel Risiko soll der Verein nehmen? Eine Analyse.

Ab morgen wird’s ernst. Der April ist bei Rapid traditionell nicht nur der Monat der Trainerentscheidungen (Pacult, Schöttel und Canadi mussten in diesem Monat gehen), sondern auch die Zeit der detaillierten Kaderplanung.

Die Liga geht mit dem Gastspiel von Rapid in Mattersburg am Ostersonntag ins letzte Viertel, die Europacup-Teilnahme sollte – so wird es in Hütteldorf zumindest gehofft – in den nächsten Wochen fixiert werden. Und dann? Dann wird auf dem Transfermarkt angegriffen. Das ist der einhellige Tenor im Umfeld des Vereins und unter den Fans, die aufgrund historischer Ergebnisse noch Titelansprüche stellen. Immerhin werden 2018/’19 für Österreichs elften Platz im UEFA-Fünfjahres-Ranking erstmals (und wohl letztmals) zwei Fixplätze in europäischen Gruppenphasen vergeben.

Aber wird auch wirklich angegriffen? Oder heißt es eher „Ka Geld, ka Musi“? Der KURIER befragte alle wesentlichen Akteure. Also Präsident Michael Krammer, Sportchef Fredy Bickel, Geschäftsführer Christoph Peschek und Finanzdirektor Raphael Landthaler.

30 verplante Millionen

Peschek berichtet von einem Budget mit 30 Millionen Euro, das für die Lizenzierung eingereicht wurde. Eingeplant werden Europacup-Auftritte, aber keine Gruppenphase. Keine Transfererlöse, aber auch null Euro für Spielerkäufe.

2016, rund um den Einzug in das Allianz Stadion, war das noch ganz anders. Mit den Auswirkungen hat sich Bickel – immer noch – herumzuschlagen. Die Saison 2016/’17 kostete nach drei Trainerwechseln insgesamt vier Millionen Euro zu viel.

Seither wurden die Kaderkosten um einen siebenstelligen Betrag gesenkt. Im Sommer wird es (nach einigen teuren Verlängerungen) wieder billiger – wegen Steffen Hofmanns Karriereende und dem voraussichtlichen Verzicht auf Verlängerungen bei allen vier Spielern, die noch keinen Vertrag für die kommende Saison haben.

Zu möglichen Verstärkungen stellt Peschek klar: „So teuer wie bei Traustason oder Mocinic wird es sicher nicht mehr.“ Außerdem sollen Transfereinnahmen nicht voll reinvestiert werden. Bickel will (zumindest) einen variablen Außenverteidiger und einen Mittelstürmer. Während in der Defensive Top-Kandidat Marvin Potzmann Sturm ablösefrei verlassen könnte, beginnen im Angriffe die Probleme, weil unter einer Million Ablöse mittlerweile wenig zu machen ist.

Wie soll das gehen bei einem Transferbudget von null Euro? „Wenn Fredy Bickel meint, dass ein Abgang zu 60 oder 70 Prozent nicht zu verhindern sein wird, kann er natürlich jetzt schon einen Spieler verpflichten“, erklärt Krammer. Bickel will dieses Risiko eingehen, weil es bereits im Winter lukrative Anfragen gab, allen voran für Boli Bolingoli.

Maximal 25 Profis

Das zweite Problem gleicht einer Hütteldorfer Selbstfesselung. Die Kadergröße wurde limitiert, weil Ex-Sportchef Müller vor seinem Aus angekündigte Abgänge nicht umgesetzt hatte: 25 fitte Profis in einer Saison mit Europacup, 23 für einen Kader ohne Doppelbelastung.

Aufgrund der vielen Leihverträge werden (ohne Neuzugänge) 27 Profis zum Trainingsstart erwartet. Darunter der mit einem teuren Vertrag ausgestattete Matej Jelic, derzeit Tribünengast in Rijeka. „Ich arbeite seit Monaten an Lösungen“, sagt Bickel. Dass er seit 15 Monaten nur mit dem Aufräumen von Scherben beschäftigt ist, will er nicht bestätigen: „Ich habe dieser Kaderbeschränkung bei meiner Verpflichtung zugestimmt und kann auch dahinter stehen.“

Rapid und die Zukunft: Selbstfesselung in Hütteldorf

Strategische Probleme kann aber auch der Schweizer nicht lösen. Als Beispiel: Louis Schaub hat eine Ausstiegsklausel. Als Ersatz wäre Stefan Hierländer von Sturm interessant. Nur wird der ablösefreie Neo-Teamspieler kaum noch am Markt sein, wenn Schaub ein Auslandsangebot bekommt. Und jetzt – siehe Kadergröße – ist nichts zu machen.

Wer genauer hinhört, merkt, dass es bei Rapid (wie bei jedem Verein) verschiedene Sichtweisen gibt. Landthaler muss als Herr der Zahlen darauf achten, dass nicht wieder überzogen wird: „Es gibt aber zwei Game Changer für uns. Spielerverkäufe, oder die Qualifikation für die Gruppenphase, die dann rund fünf Millionen Gewinn bringen würde.“

Auf der anderen Seite steht Bickel, der lieber vorzeitig investieren und nicht (wieder) bis Ende August warten würde. In der Mitte findet sich Peschek, der betont: „Liquidität ist das Wichtigste.“ Und Krammer? Der Präsident legt Wert auf solide Bilanzen, spürt aber auch das Murren in der Fan-Basis.

Es geht um eine Frage zwischen Hirn und Herz.

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