Rapid-Trainer Canadi: "Alles für den Titel!"

"Ich hör euch nicht" - Damir Canadi forciert bei Rapid die Kommunikation
Erstes Interview: Vor dem Debüt spricht Damir Canadi über Ziele, Systeme und die Heimat.

Damir Canadi nimmt sich Zeit. Das ist nicht selbstverständlich vor dem Debüt in Salzburg (16.30 Uhr). Der neue Rapid-Trainer hat in Hütteldorf alles umgekrempelt, bastelt an einer Mannschaft für drei Punkte beim Meister, bereitet im Hintergrund die Taktik für das Spiel in Genk vor und sollte sich auch ab und zu noch bei Frau und Tochter in Vorarlberg melden.

Aber wenn sich Damir Canadi Zeit für ein KURIER-Interview nimmt, hat der 46-jährige Wiener auch einiges zu sagen.

KURIER: Sie haben bei Ihrem ersten KURIER-Interview 2008 für einen Ostliga-Trainer extrem modern und zielstrebig gewirkt. Waren Sie damals schon der Trainer von heute?

Damir Canadi: Definitiv nicht. Aber ich habe mich schon extrem viel mit Fußball beschäftigt und bin in diese Welt hineingewachsen. Dabei ist die Gier nach Erfolg gewachsen. Wenn du in der Wiener Liga Meister wirst, ist das ein geiles Gefühl. Das willst du dann immer wieder erleben. Deswegen hab ich mich immer mehr in die Details vertieft. Das hat aber auch Nachteile.

Und zwar?

Ich kann mir kein Spiel mehr mit reiner Freude ansehen. Ich seziere andauernd, jede Partie in ganz viele kleine Teile. Dabei geht das ursprünglich Schöne am Fußballspiel verloren.

Sie arbeiten viel mit Videoanalysen. Wie hat sich dieses Interesse entwickelt?

Ich habe im Amateurfußball erlebt, dass ich Spielern etwas sage, sie aber nicht überzeugt sind, weil sie es selbst anders wahrgenommen haben. Wenn sie das Video sehen, ist es eindeutig und auch das Dazulernen geht viel schneller.

Gehen Sie auch nach einem Spiel in die Kabine?

Nein. Ich lebe die 90 Minuten voll mit, dann gibt es Abstand. Je besser mich die Spieler kennen, desto eher wissen sie, was ich erwartet habe. Dann gibt’s am nächsten Tag auch oft interessante Diskussionen, wie wir es besser machen könnten.

Wie kommen Sie nach einem Spiel wieder runter?

Bis drei oder vier Uhr früh schaue ich mir das Spiel noch mindestens einmal an. Dann kriege ich die Kurve und habe gelernt, wie ich Ruhe finde. Das ist notwendig. Sonst zeigt dir der Körper Grenzen auf. Wenn die Spieler nach dem Match einen Regenerationstag haben, regeneriere auch ich.

Sie stammen aus dem 22. Bezirk. Welche Bedeutung hat die Donaustadt heute noch?

Der 22. bedeutet mir sehr viel, weil ich da aufgewachsen bin. Kaisermühlen, Aspern – das erinnert mich an die Schule und an meine ersten Vereine.

Und welche Bedeutung hat Hütteldorf?

Eigentlich war das immer weit weg. Ich war selten im 14. Bezirk, ich hätte als Jugendlicher auch nicht zu Rapid wechseln können, weil das ohne U-Bahn und mit berufstätigen Eltern wegen der langen Anreise nicht machbar war. Ich benötige öfters eineinhalb Stunden mit dem Auto nach Hütteldorf. Ich muss mir noch die richtigen Routen quer durch Wien suchen. Aber ich habe noch etwas bemerkt.

Bitte erklären Sie es.

Die Kraft von Rapid ist unglaublich. Ich bin 2011 nach Lustenau gegangen und lerne jetzt Rapid ganz neu kennen – das ist echt beeindruckend, nicht nur das Allianz Stadion.

Möchten Sie noch einen bestimmten Verein trainieren?

Nein. Mein großes Ziel ist die Champions League. Das könnte auch schon mit Rapid funktionieren.

Wenn Sie alles aussuchen könnten – Spieler, Verein, Ziele – welches System würden Sie spielen lassen?

Das offensivste! Es muss nur die Balance zwischen Offensive und Defensive gegeben sein. Ich kann nicht ein System nennen. Der Fußball entwickelt sich so schnell weiter, andererseits war schon alles da.

Was schließen Sie daraus?

Erstens: Ich werde sicher nichts Neues erfinden. Ich nehme nur das, was bereits woanders erfolgreich vorgezeigt wurde. Zweitens: Die Frage wird künftig nicht das System sein, sondern, wie oft wird es in den 90 Minuten gewechselt. Und drittens: Ich denke nie in Problemen. Die müssen nur erkannt werden. Ich denke in Lösungen. Dazu suche ich Menschen, die auch so denken und den Erfolg suchen. Ich will aber niemanden bekehren – ich erkläre nur, wie ich denke.

Nach der EM meinten fast alle Trainer: "Nicht so aufregend. Es gibt kaum was Neues." Ihr Statement war: "Ich habe sehr viel Spannendes gesehen, das uns weiterbringen kann"...

... und ich habe es auch umgesetzt!

Sie meinen das System mit drei Innenverteidigern und zwei Stürmern wie bei Italien oder Wales.

Ja, in den letzten sechs Partien im Frühjahr haben wir das in Altach bereits gespielt, weil es mir rein um das Ergebnis gegangen ist: Nur nicht in den Tabellenkeller rutschen! Im Sommer ist es darum gegangen, offensiv Lösungen zu finden. Unser Wissen ist angewachsen. Das letzte Spiel mit dem System war das 5:1 gegen die Austria. Ich lasse sehr zielstrebig spielen. Ich will immer über Ergebnisse das Selbstvertrauen holen, um dann auch schön zu spielen.

Mit der Bitte um eine eindeutige Antwort: Guardiola oder Mourinho?

Guardiola.

1:0 oder 4:3?

4:3.

Ausbildungsverein oder "Alles für den Titel"?

Alles für den Titel!

Das war wirklich eindeutig.

Ich habe schon bei einem Interview im Sommer gesagt: "Ich will mit Altach Meister werden". Ich bin weder überirdisch noch deppert – ich habe das ernst gemeint, weil ich das Potenzial gesehen habe. Es ist nur darum gegangen, diese Stärke auch in die Köpfe zu kriegen.

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