Pacult: "Ich hab’ zuletzt wilde Sachen erlebt"
Ein Interview mit Peter Pacult ist wie ein Fußballspiel: 90 Minuten plus Nachspielzeit. Und am Ende fragt der Kellner im Café den 58-Jährigen um ein Autogramm.
Der Floridsdorfer spielte für Rapid und die Austria, ist der letzte Meistertrainer der Hütteldorfer und war Teil von zwei legendären Cup-Finali: 1985 gewann Rapid gegen die Austria nach einem 3:3 im Elferschießen 6:5, ein Jahr später revanchierten sich die Veilchen nach einem 3:3 mit 6:4 nach Verlängerung.
Vor dem heutigen Wiedersehen im Cup-Achtelfinale im Prater (20.30 Uhr/live ORFeins) spricht Pacult über die Vergangenheit, seine Einschätzung der Wiener Großklubs und eigene Fehler.
KURIER: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem Cupfinale aus dem Jahr 1985?
Peter Pacult: Es war meine erste Saison bei Rapid mit dem Einzug ins Europacupfinale und ins ÖFB-Cupfinale. Ich wurde vom Trainer für den fünften Elfmeter ausgewählt – diese Verantwortung ist mir aber erst danach bewusst geworden.
Den Sturm bildeten Krankl, Kranjcar und Pacult ...
... unglaublich. Heute würde gefragt werden, wie passen die in ein System rein? Ich konnte mich schnell einfügen, obwohl ich am Anfang als Halbprofi noch bei der Post beschäftigt war. Wir hatten ja ein Top-Team: Wenn alle fit waren, hat es Spiele mit fünf Nationalspielern auf der Bank gegeben.
Im Jahr darauf hatte die Austria das bessere Ende.
Das war ein klarer Betrug! Das kann man sich heute noch auf YouTube anschauen: Ich bin allein vor dem Tor, der Herbert Prohaska läuft nach und stößt mich von hinten um. Ein Wahnsinn, dass da nicht gepfiffen wurde! Das war bei 3:3 knapp vor Schluss, mit dem Elfer hätten wir wieder gewonnen. Auch wenn der Herbert das Foul heute noch abstreitet.
Wie sind diese damaligen Torfestivals zu erklären?
Es waren beide Mannschaften sehr offensiv ausgerichtet. Auch die Austria war mit Top-Leuten besetzt, das war immer knapp, aber so viele Tore sind nur in den Pokalspielen gefallen.
Erwarten Sie heute Abend auch ein anderes Spiel als beim 1:0 am Sonntag, weil es die "eigenen Cup-Gesetze" gibt?
Zwei Spiele so knapp hintereinander gegen den gleichen Gegner zu gewinnen, ist immer besonders schwer. Auf die gesamte Saison gerechnet sehe ich Rapid aber vor der Austria.
Warum?
Weil die Austria extremes Verletzungspech hat und außerdem Spieler wie Kayode und Filipovic überhaupt nicht ersetzen kann. Rapid hat den stärkeren Kader: Bolingoli hat sich sensationell eingefügt, Schwab ist gereift und nimmt immer mehr das Heft in die Hand. Und Galvao spielt von hinten sehr gut raus – wie bei mir damals Rage Soma, nur war der langsamer.
Sie zählen zu den wenigen Ex-Spielern, die bei beiden Wiener Vereinen gerne gesehen werden. Wie beurteilen Sie Ihre Karrieren bei Rapid und der Austria?
Bei Rapid hatte ich meine beste Zeit, da brauchen wir nicht herumreden. Bei der Austria hat mich Horst Hrubesch schon als spielenden Co-Trainer geholt. Seine gute Arbeit wurde damals nicht so gewürdigt, das ist erst später mit den Erfolgen mit dem DFB-Nachwuchs rausgekommen. Mir ist damals bei der Rückkehr aus Deutschland aber etwas aufgefallen bei der Austria.
Und zwar?
Das Tempo und die Dynamik im Training waren viel geringer als bei 1860 München. Ich hatte in Deutschland keine Probleme, weil ich die Intensität schon von Innsbruck beim "Alten" (Ernst Happel, Anm.) gewohnt war. Hrubesch wollte da ansetzen, aber das war mit der damaligen Austria-Mannschaft ganz schwer. Für einen großen Erfolg gegen Rapid hat es 1995 trotzdem gereicht.
Mit einem 4:1 im Prater ...
Genau, ich hab das 1:0 gemacht, weil ich als Alter dem Schötti davongelaufen bin und gewusst habe, dass sich der Konsel Michi im Tor eh immer gleich hinlegt.
20 Jahre später ist es mit Ihrer Trainerkarriere durch ein Engagement beim FAC bergab gegangen. Was ist da passiert?
Ich sollte im Sommer 2015 Trainer von Hajduk Split werden. Als Freundschaftsdienst für meinen Jugendverein FAC hab ich im April noch im Abstiegskampf ausgeholfen. Einen Tag, nachdem ich Sportchef Eigl zugesagt habe, kommt der Anruf aus Split: Sie haben den Trainer rausgeworfen, ich muss sofort kommen.
Wie haben Sie reagiert?
Auch bei den nächsten Stationen war der Punkteschnitt enttäuschend. Kann das auch daran liegen, dass Ihr kongenialer Partner Christian Canestrini nicht mehr als Athletikcoach dabei war?
Sicher! Ich habe immer gehört: Dafür ist kein Geld da! Aber im Nachhinein kostet das die Vereine doppelt Geld. Ich habe zuletzt wilde Sachen erlebt wie eine Beurlaubung nach nur zwei Spielen per SMS. Das hab ich mir am Handy gespeichert.
Das war beim Verein Zavrc in Slowenien?
Ja, dort ist mir wie zuletzt bei Nis in Serbien passiert, dass es einen offiziellen Präsidenten gibt – und einen "echten" im Hintergrund, der sich in die Aufstellung einmischt, Spieler manipuliert und noch schlimmere Dinge ...
Haben Sie jetzt genug vom Fußball auf dem Balkan?
Nein, nur von Serbien. Ich war immer für alles offen, und es gibt Anfragen aus dem Ausland. Nur aus Österreich nicht. Vielleicht, weil ich keinen Manager habe. Am Geld kann es sicher nicht liegen. Sonst hätte sich ein Zweitligist wie der FAC mich nicht leisten können.
Der Floridsdorfer wurde am 28. Oktober 1959 geboren und stürmte für Columbia sowie FAC. Es folgten Stationen beim Wiener Sport-Club, Rapid, FC Tirol, FC Linz, 1860 München und bei der Austria. Im Nationalteam erzielte er in 24 Spielen ein Tor. Seine Trainerkarriere begann er 1996 bei 1860 München als Co-Trainer. Von 2001 bis 2003 betreute er dort die Profis. Danach kamen der FC Kärnten, Dresden, die größten Erfolge bei Rapid (2006–’11), RB Leipzig, Dresden, FAC, Zavrc, Cibalia Vinkovci und Radnicki Nis.
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