Dragovic: "Sie haben mich aus dem Dreck gezogen"

Aleksandar Dragovic (li.) hatte in Leicester Anluaufschwierigkeiten.
Die Zeit in Leverkusen war hart. Auf der Insel, bei Leicester, bekam Österreichs Teamspieler eine neue Chance.

Eine verpatzte Europameisterschaft, ein Jahr in Leverkusen, das nicht nach Wunsch verlaufen ist und eine Reservisten-Rolle bei Leicester City in der Premier League. Holprig war der sportliche Lebenslauf des Aleksandar Dragovic in den letzten eineinhalb Jahren. Nicht so, wie es der ehrgeizige 26-Jährige selbst geplant hatte.

Doch zum Jahreswechsel hat Dragovic jene Chance genützt, die sich in Leicester durch die Verletzung von Kapitän Wes Morgan ergeben hat. In fünf Pflichtspielen ohne Gegentor, darunter ein 0:0 bei Meister Chelsea, konnte Dragovic – der bis Sommer ausgeliehen ist – Werbung in eigener Sache machen. Die Medien in Leicester sind aktuell voll des Lobes. Die Fans wünschen sich sogar eine fixe Verpflichtung im Sommer.

KURIER: Angenommen Sie könnten die Zeit um zwei Jahre zurückdrehen. Was würden Sie anders machen?Aleksandar Dragovic: Wenn Sie auf den Wechsel zu Leverkusen hinauswollen, muss ich sagen: Ich glaub’ nicht, dass ich das heute anders machen würde. Aber ich würde meine Verletzung am Knöchel, die ich mir in Kiew zugezogen habe und die ich über die EM in Frankreich bis nach Leverkusen mitgeschleppt hab’, nicht mehr in Kiew sondern bei Mike Steverding behandeln lassen. Das bereue ich, weil ich so nur sehr langsam wieder richtig fit geworden bin.

Sie bereuen den Wechsel zu Leverkusen nicht?

Damals habe ich mich riesig gefreut, von der Ukraine in die Deutsche Bundesliga zu wechseln. Im Nachhinein ist man immer klüger. Dass es nicht nach Plan gelaufen ist, wissen wir.

Warum ist es das nicht?

Es gab mehrere kleine Puzzleteile, die nicht gepasst haben und wodurch die ganze Saison in die Hose gegangen ist. Zum Beispiel, dass wir fünf Elfmeter verschossen haben. Das hat uns zehn Punkte gekostet. Auch die Sperre von Calhanoglu, der das ganze Frühjahr gefehlt hat, war so ein Puzzleteil.

Wie beurteilen Sie mit etwas Abstand Ihre persönlichen Leistungen in Leverkusen?

Ich hatte gegen Atlético Madrid in der Champions League ein katastrophales Spiel, zwei Gegentore gingen auf meine Kappe. Sicher waren zwei, drei schlechtere Partien dabei. Aber es war nicht so, wie es oft dargestellt wurde. Ich hatte auch gute Spiele wie auswärts gegen Bayern. Das wird gerne vergessen. Leider bleibt das Negative stehen.

Dragovic: "Sie haben mich aus dem Dreck gezogen"
ABD0097_20171114 - WIEN - ÖSTERREICH: Teamchef Franco Foda und Aleksandar Dragovic nach dem freundschaftlichen Länderspiel Österreich gegen Uruguay am Dienstag, 14. November 2017, im Ernst-Happel-Stadion in Wien. - FOTO: APA/ROBERT JAEGER

Sie haben als Innenverteidiger zuvor vermutlich noch nie so "hoch" verteidigt. War es schwieriger als erwartet, sich auf die extreme Spielweise von Roger Schmidt einzustellen?

Ja, das war sehr ungewohnt. Als ich es zuvor im Fernsehen gesehen habe, hat es nicht so extrem gewirkt, wie es tatsächlich ist, wenn man in diesem System spielt.

Was im Detail war daran schwierig umzusetzen?

Roger Schmidt wollte, dass wir Innenverteidiger immer rausrücken, also immer aggressiv nach vorne verteidigen wenn der Stürmer mit dem Rücken zu uns angespielt wird. Manchmal kommt man aber nicht hin, oder einen Schritt zu spät und das ist gegen schnelle Stürmer sehr gefährlich, wenn die Außenverteidiger nicht absichern, sondern selbst nach vorne attackieren. Dann hat man als Innenverteidiger gefühlte 5000 Sprints. Das alles war für mich sehr ungewohnt.

Im Sommer kam Leicester. Ihr Premier-League-Debüt war am 26. Dezember, weil bei Leicester Kapitän Wes Morgan und mit Harry Maguire ein englischer Teamspieler auf Ihrer Position spielen. War der Transfer dennoch richtig?

Definitiv. Ich wusste Bescheid, weil ich mich sehr gut erkundigt habe. Einfach ist es nirgends, aber ich bin überzeugt, dass sich Qualität über eine längere Zeit durchsetzt. Obwohl ich nicht mit viel Selbstvertrauen ausgestattet war nach dem Jahr in Leverkusen, weiß ich, was ich kann. Ich wollte diesen Neuanfang und fühl’ mich hier sehr wohl, der Spielstil liegt mir. Ich bin sehr glücklich.

Für welchen Fußball steht Ihre Mannschaft?

Wir wissen, dass wir nicht Manchester City oder United sind, wir müssen als Mannschaft kompakt defensiv arbeiten und über schnelle Konter Tore schießen. Ich habe das Glück, mit einem Spieler wie Riyad Mahrez zusammen spielen zu dürfen. Der ist überragend und wäre einer für Real Madrid. Von ihm hängt vieles ab.

Wie bewerten Sie Ihre Chancen, auch nach der Rückkehr von Captain Morgan in der Mannschaft bleiben zu können?

Meine Leistungen waren sehr solide. Wir haben mit mir noch kein Gegentor bekommen und wir gewinnen, das sind gute Argumente. Ich denke, dass der Trainer Vertrauen in mich gewonnen hat. Wes Morgan ist ein wichtiger Spieler, aber er ist 34 und wird ja auch nicht jünger.

Sie sind nur bis Sommer ausgeliehen und wissen nicht wirklich, was dann kommt. Wie gehen Sie damit um?

Ich bin bis 2021 in Leverkusen unter Vertrag. Mein Ziel ist es, in England zu bleiben. Ich will so oft spielen, wie möglich. Dann wird man sehen, ob Leicester die Kaufoption zieht. Sie haben mich im Sommer aus dem Dreck gezogen. Es wäre ein Traum, hierzubleiben.

Die Premier League war ein Kindheitstraum von Ihnen. Deckt sich der englische Fußball mit Ihren Vorstellungen?

Von der Spielweise ist es genau so, wie ich vermutet habe. Das liegt mir.

Was genau liegt Ihnen?

Das körperbetonte Spiel, ich liebe den Zweikampf und den Kampf gegen die Stürmer. Die Schiedsrichter lassen viel mehr durchgehen.

Mussten Sie an Kraft zulegen?

Zu Beginn war ich viel im Kraftraum, vor allem, als ich sechs, sieben Wochen lang nicht im Kader war. Ich musste dann aber zurückschrauben, weil ich mit zu viel Muskelmasse an Beweglichkeit verlieren würde. Die richtige Mischung macht es aus.

Sie werden heuer 27 Jahre alt und haben bereits 61 Länderspiele in den Beinen. Wie viele sollen noch dazu kommen?

Wer mich kennt, weiß, wie wichtig mir das Team ist. Ich weiß aber, dass ich Spielpraxis haben muss, um auch im Team zu spielen. Auf meiner Position ist die Konkurrenz nämlich enorm. Ich will noch ein paar Jahre meinen Beitrag leisten. Eine weitere Endrunde ist dabei ganz klar mein Ziel.

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