Ein Russe fordert Klitschko

Ein Box-Kampf um die Weltmeisterschaft mit politischem Zündstoff.

Es ist Zeit für einen neuen Weltmeister“, sagt Ex-Champion George Foreman. Denn die Schwergewichtsszene bot zuletzt nicht viel Neues: Den Klitschkos werden Gegner hingestellt, die meist völlig chancenlos sind. Auch für den heutigen WM-Kampf von Wladimir Klitschko gibt es kaum schlagkräftige Argumente, warum die Vorherrschaft der beiden gebildeten Prügler (beide sind Doktoren der Sportwissenschaft) beendet werden sollte.

Auswärtsspiel

Wladimir Klitschko (37), der jüngere Bruder von Vitali (42) und regierende Weltmeister nach Version von IBF, WBO, WBA und IBO, trifft in Moskau auf Lokalmatador Alexander Powetkin (20.15, live RTL). 14.000 Zuschauer werden Powetkin in der Olympia-Halle die Daumen drücken, darunter auch Präsident Wladimir Putin.

Doch Klitschko sieht im Auswärtsspiel sogar einen Vorteil: „Das motiviert mich zusätzlich“, sagte er der Bild-Zeitung. „Ich fühle mich am stärksten, wenn ich viele gegen mich habe.“ Powetkin hingegen spürt den Druck, einen Sieg sieht er als nationales Anliegen: „Ich habe eine große Verantwortung.“

In dem Kampf steckt politischer Zündstoff: Russe gegen Ukrainer. Zumal Wladimir Klitschkos Bruder Vitali als Oppositionspolitiker in Kiew so ziemlich das Gegenteil von dem will, was Staatspräsident Putin in Russland unter Freiheit und Demokratie versteht. Doch Wladimir Klitschko versucht, Unstimmigkeiten schon im Vorfeld zu beseitigen: „Das sind zwei Völker, die sehr eng miteinander verbunden sind, auch wenn wir politisch getrennte Wege gehen.“

Ein Russe fordert Klitschko
Alexander Povetkin of Russia attends an open training session in Moscow, October 2, 2013. Povetkin will face Ukrainian heavyweight boxing world champion Vladimir Klitschko in a title match on October 5 in Moscow. REUTERS/Grigory Dukor (RUSSIA - Tags: SPORT BOXING)
Klitschko hat seit 2004 keinen Kampf mehr verloren, mit dem aktuellen Fight verdient er 12,8 Millionen Euro. Powetkin (4,3 Mio. Euro) ist kein Mann der großen Worte. Einen Kontakt mit Klitschko hat er im Vorfeld vermieden: „Warum etwas sagen, wenn du im Ring die Fäuste sprechen lassen kannst?“ Der „Russki Witjas“ (russische Ritter) will „die Ehre des russischen Volkes verteidigen“. Die Bilanz des 34-Jährigen ist durchaus eindrucksvoll: 26 Kämpfe, 26 Siege, 18 davon durch K.o. Er besiegte unter anderem Eddie Chambers, Ruslan Tschagajew und Marco Huck.

Hat er Chancen? Für Marcos Nader, Österreichs besten Boxer, ist Klitschko Favorit. Aber „im Schwergewicht kann ein Schlag einen Kampf schnell entscheiden“, sagt der EU-Titelträger im Mittelgewicht, der sich auf seine erste Titelverteidigung gegen den Spanier Luis Crespo am 26. Oktober in Oldenburg vorbereitet. Wie der Russe gewinnen kann? „Powetkin muss viel in der Halbdistanz und im Infight arbeiten, damit Klitschko sich nicht mit seinem Jab (schnell geschlagene Gerade mit der Führhand) entfalten kann und auch gestört ist, seine harte rechte Schlaghand auszuspielen.“ Denn die größere Reichweite spricht für den 1,98-Meter-Mann Klitschko, der Powetkin um zehn Zentimeter überragt.

Pikantes Umfeld

Für Brisanz sorgten im Vorfeld auch Vertragsdetails: Klitschko wollte die Berechtigung, dass sein älterer Bruder Vitali in Powetkins Kabine darf, um die Handschuhe des Herausforderers zu kontrollieren. Im Gegenzug entsendet der russische Herausforderer Box-Rüpel Dereck Chisora in die Klitschko-Kabine. Der Brite hatte einst seinen Gegner Vitali Klitschko beim Wiegen vor dem Kampf geohrfeigt und tags darauf Wladimir im Ring bespuckt.

Wie zumeist gaben die Klitschkos die Antwort im Ring: Vitali verprügelte Chisora zwölf Runden lang und gewann einstimmig.

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