Befreiung für die Ski-Nation
Der dritte Tag mit WM-Rennen in Schladming brachte die Befreiung für die Gastgeber: Die Tirolerin Nicole Hosp holte zehn Jahre nach Silber in der Kombination bei der WM in St. Moritz Bronze in der Superkombination und damit die erste Medaille für die Österreicher. Nur zwei Damen waren schneller: Die deutsche Wahl-Österreicherin Maria Höfl-Riesch siegte vor der Slowenin Tina Maze, die sich am Dienstag schon Gold im Super-G gesichert hatte.
„Das ist jetzt die Belohnung dafür, dass ich mich durchgebissen habe“, sagte Hosp, die inzwischen 29 Lenze zählt. In den letzten Jahren hatte die Riesenslalom-Weltmeisterin von 2007 immer wieder mit Problemen zu kämpfen: Erst ein Sturz beim Einfahren für den Slalom von Zagreb am 4. Jänner 2009 (Schienbeinkopfbruch, Einriss des Kreuzbandes), dann ein Kreuzbandriss beim Saisonauftakt in Sölden am 24. Oktober desselben Jahres – danach kam Nicole Hosp nicht mehr richtig zurück; mitten in der aktuellen Saison verzichtete sie sogar auf weitere Starts in ihrer früheren Spezialdisziplin Riesenslalom.
Kombinations-Spezialistin
Nur in einem Alpin-Bewerb klappte es immer wieder – in der Kombination. In den letzten drei Konkurrenzen war Nicole Hosp nie schlechter als Dritte, sonst lief es mal besser, mal schlechter, vor allem aber nie beständig und konstant. Und nicht nur einmal beschlich Hosp der Gedanke, alles hinzuschmeißen. Doch Freund Roland Schönegger, die Familie, die Freunde, sie rieten ihr ab vom Schlussstrich. Und das sollte sich bezahlt machen.
Dieser Freitag hatte schon mit der neuntbesten Zeit in der Abfahrt begonnen („leider hab’ ich da einen blöden Schlag erwischt, danach hat’s mich zu weit von der Ideallinie weggedrückt“), und er endete mit der Bestzeit im Slalom.
„Seit ich in Marburg einen härteren Slalomski bekommen hab’, ist es bergauf gegangen“, sagte Hosp, die mit Tränen der Erlösung und Rührung kämpfte. Zunächst war es nur ein Paar Skier, inzwischen sind es drei, „dafür braucht man zwar mehr Kraft, aber ich mach’ mit diesem Material weniger Fehler.“ Und nun ist sie auch für den Slalom am kommenden Samstag guter Dinge. Zuvor aber galt es „einmal ein bisserl zu feiern“, denn „jetzt hab’ ich fast alles erreicht, was ich wollte“. WM-Gold, Gesamtweltcup – „ja, Olympia-Gold fehlt mir noch.“
Rückkehr
„Diese Medaille hat den höchsten Stellenwert, den man sich vorstellen kann“, stammelte die überwältigte Doppel-Olympiasiegerin von 2010. „Die letzten Wochen waren nicht einfach für mich, ich war ja diese Saison nur zwei Mal auf dem Podium, das Selbstvertrauen hat auch nicht gepasst.“ Entsprechend niedrig waren die Erwartungen: „Eine Medaille, gleich welche Farbe, das war mein Ziel. Und nun Gold, der Wahnsinn.“
Vielleicht half ihr auch die Erinnerung: Im nahen Haus im Ennstal hatte sie 2004 ihre ersten beiden Weltcupsiege gefeiert (Abfahrt, Super-G), das deutsche Team ist dort untergebracht, und der ganze Ort ist wie ihre Fingernägel in Schwarz-Rot-Gold dekoriert – Haus hat die Deutschen für die WM mehr oder minder adoptiert.
Tina Maze war nach dem verpassten zweiten Gold über Silber erst sauer, dann aber durchaus zufrieden: „Ich kann ja noch vier weitere Medaillen holen.“
Sie war untröstlich: Da hatte Michaela Kirchgasser einmal eine Abfahrt hingelegt, die „nicht so osterhasenmäßig“ war – und dann scheiterte die Filzmooserin ausgerechnet bei der Heim-WM in ihrer Spezialdisziplin Slalom. Zwei Mal saß sie im Schnee, „das war einfach zu riskant, aber das nutzt jetzt eh nix. Ich hab’s probiert.“ Herausgekommen ist der vierte Platz. „Mir tut die Michi richtig leid“, sagte Nicole Hosp, „es ist immer Scheiße, wenn man Vierte wird.“
Einen vierten Platz hätte Titelverteidigerin Anna Fenninger wohl noch lieber genommen als das, was der nach der Abfahrt ex aequo mit Tina Maze führenden Adneterin passierte: Sie fuhr los – und fädelte nach wenigen Sekunden ein. Aus der Traum. Zweites Rennen, zweiter Ausfall nach dem Super-G am Dienstag. „Ich war mit dem Schwung einfach zu früh dran und bin zu weit innen gelegen, das war ein klassischer Einfädler.“ Sehr nervös sei sie gewesen, sagte die 23-Jährige, „aber mit einer so guten Abfahrt lässt sich das Ganze wesentlich leichter abhaken.“
Speed-Kathrin
Kathrin Zettel, die Fünfte, konnte vor allem ein Erfolgserlebnis verbuchen: Mit 74,3 km/h war sie die Schnellste bei der unteren Geschwindigkeitsmessung in der Abfahrt. Im Slalom brachte sie sich durch einen Fahrfehler um eine bessere Platzierung, aber ihre Disziplinen kommen ja erst noch.
Elisabeth Görgl, die Sechste, freute sich, den Spaß am Fahren wieder gefunden zu haben. „Und vielleicht sollt’ ich ein bissl mehr Slalom trainieren. Es wäre ja vermessen, nach zwei Tagen Training zu sagen, dass ich da mitfahren könnte.“
Maria Höfl-Riesch (GER/Gold): "Die Goldmedaille hat den höchsten Stellenwert, den man sich vorstellen kann. So etwas war in den letzten Wochen nur schwer vorstellbar. Die Vorzeichen waren nicht gut für mich. Jetzt gleich Gold zu haben, ist Wahnsinn, ich war ja in der ganzen Saison nur zweimal auf dem Podium. Es war auch ein bisschen Glück dabei. Dass ich im Slalom schneller war als Maze, war für mich eine Überraschung. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich so schnell war."
Tina Maze (SLO/Silber): "Ich bin mit dem Slalom-Lauf nicht zufrieden, ich habe zu viel gebremst und zu viel Respekt gehabt. Trotzdem ist die Silbermedaille ein super Erfolg. Ich habe heute viel Druck gefühlt am Start. Es ist sehr schön, wenn bei einem Ski-Rennen so eine Atmosphäre ist."
Nicole Hosp (AUT/Bronze): "Ich bin so glücklich, dass es funktioniert hat. In den letzten Jahren war es eine schwierige Zeit. Diese Medaille ist Balsam auf der Seele. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die immer an mich geglaubt haben. Was mir extrem getaugt hat, ist, das ich in der Abfahrt wie in alten Zeiten richtig gut gefahren bin. Meine erste WM-Medaille in St. Moritz ist fast aus heiterem Himmel gekommen, die Medaille jetzt ist der Lohn dafür, dass ich mich durchgebissen habe."
Michaela Kirchgasser (AUT/4.): "Ich habe oben den Fehler gemacht, das war ein wenig zu riskant, dann bin ich schon gelegen. Das ärgert mich schon, es tut mir deshalb auch das Herz weh. Ohne den Fehler wäre sich die Medaille wohl ausgegangen. Die Enttäuschung ist schon groß. Ich weiß nicht, ob ich mich ärgern soll oder froh sein soll, dass ich gesehen haben, dass im Slalom etwas möglich sein wird."
Kathrin Zettel (AUT/5.): "Die Nicole (Hosp, Anm.:) ist sehr stark gefahren. Ich habe alles versucht, aber leider verloren, aber das gehört auch dazu. Die Fans sind super, ich freue mich schon darauf, was noch alles kommt bei dieser WM."
Elisabeth Görgl (AUT/6.): "Im Slalom bin ich oben ganz gut reingekommen, aber die Piste war schwer zu fahren. Ich bin super zufrieden und habe gekämpft. Ich hatte seit langem wieder Spaß am Fahren, jetzt schaue ich einfach, was bei der WM noch möglich ist."
Anna Fenninger (AUT/ausgeschieden): "Es war ein klassischer Einfädler, ich war zu weit innen. Wenn man wenig Slalom trainiert, kann das passieren. Ich war heute sehr nervös. Durch die gute Abfahrt lässt sich das alles leichter abhaken."
Nicole HOSP (AUT/29 Jahre):
Geboren am 6. November 1983 in Ehenbichl/Tirol
Wohnort: Bichlbach (Tirol)
Größe/Gewicht: 1,74 m/70 kg
Familienstand: ledig
Ski: Fischer
Schuhe: Fischer
Verein: SK Bichlbach
Hobbys: Tennis, Inlineskaten, Motor-Trial, Klettern
Homepage: www.niki-hosp.at
Größte Erfolge:
Olympia: Silber Slalom, Vierte RTL und Fünfte Kombination 2006 Turin/SestriereWM: Gold Riesentorlauf, Bronze Abfahrt, Vierte Super-G und Sechste Kombination 2007 Aare
Silber Kombination und Bronze Slalom 2003 St. Moritz
Silber Teambewerb und Fünfte RTL 2005 Bormio/Santa Caterina
Bronze Super-Kombination 2013 Schladming
Teilnahmen 2003, 2005, 2007, 2009, 2011 und 2013
Weltcup: Gesamtsiegerin und Disziplinsiegerin RTL 2007
Gesamtzweite 2008: 11 Siege (5 Riesentorlauf/4 Slalom/je 1 Super-G und Super-Kombination), zuletzt Slalom 2008 Maribor und 40 weitere Podestplätze
Junioren-WM: Bronze Abfahrt 2002 Tarvis
Sonstiges:
Österreichs "Sportlerin des Jahres 2007"
Maria HÖFL-RIESCH (GER/28 Jahre):
Geboren: 24. November 1984 in Garmisch-Partenkirchen
Wohnort: Kitzbühel
Größe/Gewicht: 1,80 m/70 kg
Familienstand: verheiratet mit Marcus Höfl
Ski: Head
Schuhe: Lange
Verein: SC Partenkirchen
Hobbys: Tennis, Reisen, Lesen
Homepage: www.mariariesch.de
Größte Erfolge:
Olympia: Gold Slalom und Super-Kombination Vancouver/Whistler 2010
WM: Weltmeisterin Slalom 2009 Val d'Isere und Super-Kombination 2013 Schladming
Bronze Abfahrt und Super-G 2011 Garmisch-Partenkirchen
Weltcup: Gesamtweltcupsiegerin 2011
Zweite im Gesamtweltcup 2009 und 2010
Dritte im Gesamtweltcup 2004, 2008 und 2012
Gewinnerin der Weltcup-Wertungen in Super-G und Super-Kombination 2008, Slalom 2009 und 2010
24 Siege (9 Slalom/8 Abfahrt/3 Super-G/4 Super-Kombi) und 45 weitere Podestplätze
Junioren-WM: Junioren-Weltmeisterin 2001 und 2003 in der Kombination, 2002 im Super-G, 2004 in Abfahrt und Riesentorlauf sowie Silber 2002 im Super-G und 2003 im Slalom und Bronze 2001 in Abfahrt und 2003 im RTL
Sonstiges:
Deutschlands "Sportlerin des Jahres 2010"
Tina MAZE (SLO/29 Jahre):
Geboren am 2. Mai 1983 in Slovenj Gradec (Windischgrätz)
Wohnort: Crna na Koroskem
Größe/Gewicht: 1,71 m/63 kg
Familienstand: ledig
Ski: Stöckli
Schuhe: Lange
Verein: SK Crna TAB
Hobbys: Musik, Beach-Volleyball
Homepage: www.tinamaze.com
Größte Erfolge:
WM: Weltmeisterin 2011 im Riesentorlauf und 2013 im Super-G
WM-Zweite 2009 im Riesentorlauf sowie 2011 und 2013 in der Super-Kombination
Olympia: Silber 2010 im Super-G und Riesentorlauf
Weltcup: 18 Siege (12 Riesentorlauf, 2 Slalom, 2 Super-Kombination,1 Abfahrt, 1 Super-G) und 37 weitere Podestplätze
Gesamtzweite 2011/12, Gesamtdritte 2010/11
Riesentorlauf-Siegerin 2012/13
Eine von bisher nur sechs Skirennläuferinnen mit Weltcup-Siegen in allen fünf alpinen Disziplinen
Sonstiges:
Dreimal Sloweniens "Sportlerin des Jahres" (2005, 2010, 2011)
Frage: Sie haben eine schwierige Zeit hinter sich. Wie geht es Ihnen nun nach dem Medaillengewinn?
Hosp: "Das ist ein großartiger Tag. Die vergangenen drei Jahre waren ein harter Kampf für mich. Es ist eine Belohnung und Balsam auf der Seele. Ich habe viel gearbeitet. Daheim eine WM-Medaille zu gewinnen, ist einfach nur großartig. Das ist ein Riesen-Highlight."
Nach zwei Bewerben hatte Österreich noch keine Medaille. Haben Sie den Druck gespürt?
"Der Druck war groß. Wenn man sich die ganzen Leute anschaut, die Atmosphäre, es ist einfach nur ein Hammer. Die Leute haben sich eine Medaille verdient. Das war jetzt wichtig, dass ein Riesendruck von der ganzen Mannschaft wegfällt und die Fragen nach Medaillen, warum wir keine gewinnen. Weltmeisterschaften haben immer eigene Gesetze, aber es ist trotzdem wichtig, dass im Land viele Medaillen sind."
Sie haben eine starke Abfahrt abgeliefert. Was sagte Ihnen das für den Slalom?
"Die Abfahrt war gut, wie in der Vergangenheit. Im Mittelteil habe ich einen Fehler gemacht. Aber ich hatte eine gute Ausgangsposition für den Slalom - mit nicht zu viel Zeitrückstand. Der Slalom war gut, aber hart, denn er war knifflig gesteckt und es waren Spuren drinnen. Es war nicht leicht, aber ich habe es gut gemacht. Ich habe von Kind an die Fähigkeit, mich nicht von Druck beeindrucken zu lassen. Ich weiß, worauf es ankommt. Gott sei Dank ist es mit einer Medaille belohnt worden."
Ärgert es Sie, dass die Super-Kombi nicht diese Wertschätzung bekommt?
"Ja, es ist schade, dass sie kleingeredet wird. Du musst in zwei Disziplinen sehr gut Skifahren. Der ganze Aufwand, der lange Tag. Innerhalb von kurzer Zeit vom Material her umstellen. Es gibt schon einige, die in beiden Disziplinen sehr gut fahren können, es ist in keinem Fall eine geschenkte Medaille. Eigentlich sieht man den perfekten Skifahrer."
In diesem Winter lief es nicht nach Wunsch. Wie kam es trotzdem zu dieser Medaille?
"Ich habe mich sehr gut vorbereitet, aber es ist schwierig losgegangen. Ich habe mir hartgetan, meine Leistungen umzusetzen, materialmäßig haben wir einiges umgestellt. In Maribor habe ich den Knopf gefunden, ich hoffe, der ist nun für immer weg. Ich habe einen neuen Ski bekommen, der taugt mir irrsinnig. Seit ich den habe, mache ich bedeutend weniger Fehler. Ich merke, dass ich im Slalom wieder zu alter Stärke komme. Im Spezialslalom werde ich wieder angreifen. Ich hatte heute mit Startnummer 22 Bestzeit im Slalom, das war sehr positiv. Den Schwung werde ich mitnehmen."
Haben Sie in der schwierigen Zeit ans Aufhören gedacht?
"Freilich. Wenn es überhaupt nicht mehr läuft und du alles probierst und nichts funktioniert, fragst du dich schon öfters mal, ob das überhaupt noch einen Sinn macht, habe ich das noch drauf, mag ich mir das überhaupt noch antun. Ich habe mir das sehr oft überlegt und bin immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass ich einfach nach wie vor extrem gern Ski fahre. Es ist meine Leidenschaft. Ich möchte dafür kämpfen. Heute hat es sich wieder gelohnt. Mein Freund Roland hat mir sehr viel geholfen, er ist immer hinter mir gestanden. Aber die Entscheidung muss man selbst treffen."
Vor zehn Jahren habe Sie die erste Medaille gewonnen, nun nach sechs Jahren Pause wieder eine und die insgesamt siebente. Was wollen Sie noch erreichen?
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