Balance-Akt in luftiger Höhe

Balance-Akt in luftiger Höhe
Extrem-Sportler der etwas anderen Art: Ein junger Steirer spaziert auf schmalen Bändern über Berge und Seen.

Soll ich über die Brücke gehen?" Fragt, grinst und klettert auch schon auf das Geländer. Sonnenbrille lässig in den Haaren, Flip-Flops an den Füßen und unterm rechten Arm der Laptop. So spaziert Michael Kemeter vier, fünf Meter hoch über der Mur.

Aber was sind schon fünf Meter. 3770 Meter, das nennt Kemeter Höhe: Vergangenes Wochenende ging der 23-Jährige auf einer 45 Meter langen Slackline über die Palaviccini-Rinne am Großglockner, zwei Minuten lang. Eine Woche zuvor waren es 160 Meter über den Grünen See im obersteirischen Tragöss. Mehrmals schon war Kemeter Rekordhalter, doch in dieser Disziplin geht es immer weiter und höher. "Ich freu mich für jeden dieser Leute, wenn sie Rekorde brechen."

Mit Babyschritten

Dabei hat auch der Steirer einmal klein und niedrig angefangen. "Ein Freund hat einmal so eine Slackline geschenkt gekriegt. Am Anfang war ich da ein bisserl skeptisch", schmunzelt er. Zwischen "knie- und hüfthoch" fanden seine ersten Gehversuche statt. "Der Rest hat sich dann so ergeben. Du musst halt einfach mit Babyschritten weitergehen."

Seit 2007 ist Kemeter mit der extremeren Version des Slacklinens weltweit unterwegs, Deutschland, Schweiz, Frankreich, USA, über enorme Längen und Höhen, mit oder ohne Sicherung. "Es hat einen gewissen Reiz", versucht er, seine Beweggründe zu beschreiben. "Das muss man fühlen, erleben. Irgendwie ist das schwer in Worte zu packen. Man hat es geschafft, woran man vorher geglaubt hat."

Konzentration ist alles

Sportlich bis zur Perfektion war der junge Steirer schon zuvor. Staatsmeistertitel heimste er als Sportschütze ein, doch letztlich entschied er sich fürs Slacklinen. "Vom Mentalen her ist das eigentlich ziemlich gleich wie das Schießen. Du musst dich konzentrieren können. Wenn du ausfreakst, dann geht's nicht."

Dass sein Sport keine Allerweltsache ist, sei ihm bewusst. "Natürlich, du weißt schon, wenn du jetzt einen Fehler machst, das war's dann. Da geht's um dein Leben." Einmal unterwegs, gäbe es aber kein Zurück mehr. "Du musst weitergehen, einfach so lang, bis du drüben bist. Aber du hast es dir ja selbst ausgesucht."

Was sagen Familie und Freundin zu seinem Sport, sind sie gar ängstlich? So eine Frage wundert den 23-Jährigen dann doch ein bisschen. "Meine Familie weiß, was ich leisten kann", antwortet er mit Nachdruck. "Und meine Freundin ist Basejumper, sie hat schon 600 Jumps." Es gibt sogar ein gemeinsames Foto des Pärchens, sie springt ab, er geht auf der Slackline.

Studium in den USA

So aufgezählt klinge das "als wär' das mein ganzes Leben", überlegt er. Sport sei wichtig, aber nicht alles, betont Kemeter. Donnerstag flog er in die USA, ab Herbst will er an einem College in der Nähe von Sacramento studieren. "Fotografie, drei Jahre lang."

Aber "Projekte checken" wird er trotzdem. "Sicher", sagt er und sein Lächeln wird ganz breit. Was das sein wird, weiß er jetzt noch nicht. "Yosemite-Valley vielleicht, so mit 130 Metern Highline." Das wäre dann wieder einmal Rekord, jetzt liegt er bei 115 Metern Länge. "Die Niagara-Fälle wären aber auch lässig."

Slacklinen - Die Schwester des Seiltanzes
Slacklinen ist vergleichbar mit Seiltanz. Doch während das Seil straff gespannt ist und sich kaum bewegt, ist die Slackline etwas flexibler. Die gängigste Breite beträgt 2,5 Zentimeter, sie wird zwischen zwei Fixpunkten gespannt, Bäume oder Felsen.
Entstanden ist der Sport angeblich, weil Bergsteigern im Yosemite Valley, USA, langweilig war: Sie balancierten auf Tauen und Absperrungen, wenn das Wetter zum Klettern zu schlecht war. In den 1980er- Jahren kamen einige auf die Idee, ihre Gurtbänder dafür zu spannen.

Lowline s gibt es in geringer Höhe, auf denen der Sportler Kunststücke wie 360-Grad-Drehungen vorführt. Longlines sind mindestens 20 Meter lang, ebenfalls niedrig gespannt. Laut Angaben in Internet-Foren maß die bisher längste Line 254 Meter.
Highlines werden dagegen in großer Höhe gespannt. Dabei ist der Athlet meist durch ein Seil gesichert.
Waterlines führen über Wasserflächen.

Zur Person

Michael Kemeter, 1988, stammt aus Tragöss in der Obersteiermark. 2007 machte er die Matura an der HTBLA Ferlach, Kärnten, Schwerpunkt war Waffentechnik.

Seit 2009 ist er professioneller Slackliner. Seither liefert er regelmäßig international beachtete Höchstleistungen: 2009 schaffte er den Weltrekord über 217 Meter Longline, 2010 den Weltrekord über 86 Meter auf einer Highline. Im Juli 2011 folgte der Weltrekord über 160 Meter Waterline.

Zuvor war er von 2007 bis 2010 Heeres-Leistungssportler im Bereich des Sportschießens. Kemeter hält fünf Staatsmeistertitel mit Klein- und Großkaliber sowie der Druckluftpistole.
Er nahm an Europa- und Weltmeisterschaften teil, auch die Teilnahme an den Olympischen Spielen wurde ihm angetragen. Doch 2010 gab er das Profi-Sportschießen auf.
Zusätzlich betreibt Kemeter auch noch Sport- und Alpinkletterei sowie Basejumping.

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