Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus
Die gute Nachricht vorweg: Die Stahlrohrtribünen von Schladming sind sicher. Das Abfahrtswochenende war der erwartete Härtetest, einerseits aufgrund der Zuschauermassen, andererseits vom Lärmpegel her, den manche produzierten. Titelverteidigerin Elisabeth Görgl machte ihrem Unmut mit „Fuck“ und „Scheiße“ Luft; Marion Rolland ließ einen Urschrei los, nachdem sie eine grüne Zahl aufleuchten sah, als sie im Hexenkessel angekommen war.
Erst Nadja Kamer (Nummer 15) konnte die Distanz unter einer Sekunde halten; Superkombi-Weltmeisterin Maria Höfl-Riesch (Nummer 16) ließ ihre Knieschmerzen Knieschmerzen sein und war noch einmal etwas schneller als die Schweizerin.
Die Planai-Spezialistin
Eine Überraschung? Ja. Eine Sensation? Nein. Denn schon beim Weltcupfinale hatte Marion Rolland gezeigt, dass ihr die WM-Strecke liegt. Zweite war sie im März hinter Lindsey Vonn in der Abfahrt, Dritte im Super-G hinter Viktoria Rebensburg und Julia Mancuso. Und nun hat sie das erste französische Damen-Abfahrtsgold seit Carole Montillet (Olympia 2002) und das erste WM-Abfahrtsgold seit Marielle Goitschel 1966. Ein Erfolgsgeheimnis lüftete sie danach: Speed-Damen und -Herren bestreiten große Teile der Vorbereitung gemeinsam, „wir sind ein geniales Team, sind auch alle gleich alt. Und wir haben auch in schwierigen Zeiten immer zusammengehalten.“
Dabei hat Frankreichs eigentlich größter Hoffnungsträger noch gar nicht ins Geschehen eingegriffen: Alexis Pinturault. Der 21-Jährige zählt am Montag in der Super-Kombination zum engsten Favoritenkreis. Und auch im Riesentorlauf und Slalom ist Frankreichs Supertalent jederzeit für eine Medaille gut. Dasselbe gilt im Slalom auch für Titelverteidiger Jean-Baptiste Grange und im Riesentorlauf für Thomas Fanara.
Reife
Der von Ex-Weltmeister Michel Vion geleitete Verband könnte somit nach dem ersten "Sieg" im Medaillenrennen seit der WM 1966 in Portillo greifen. Damals war man mit 16 Medaillen im Gepäck von Chile nach Hause geflogen.
"Ich habe gesehen, wie Gauthier und David mit ihren Medaillen ins Hotel zurück gekommen sind. Da bekommt man eine große Lust, ebenfalls eine zu holen. Und Gold hat ja noch gefehlt in unserer Sammlung", berichtete Rolland freudestrahlend.
Die 30-Jährige sah große Parallelen zu den Überraschungscoups ihrer männlichen Kollegen: "Wir haben alle miteinander schwierige Zeiten hinter uns. Jetzt waren wir offensichtlich reif genug, um zuzuschlagen."
Rolland hat im Weltcup noch keinen einzigen Sieg gefeiert. Dass sie eine spezielle Vorliebe für Schladming hat, stellte sie aber bereits beim Weltcup-Finale 2012 unter Beweis. Dort hatte sie als Abfahrts-Zweite und Super-G-Dritte ihre beiden bisher einzigen Weltcup-Stockerlplätze eingefahren.
Donnerwetter
Dabei hatte die WM für Frankreichs Damen alles andere als gut begonnen. Nach dem Debakel im Super-G - Marie Marchand-Arvier war als Beste 14. - hatte es für die Speed-Truppe vom Trainerstab ein Donnerwetter gesetzt. "Völlig zurecht", wie Rolland gestand.
Die ÖSV-Stars scheint die Heim-WM bisher zu hemmen, bei Rolland kitzelte hingegen die besondere Atmosphäre in Schladming offenbar die letzten Reserven hervor. "Österreich ist das Skiland. Die Atmosphäre ist so speziell, da will man noch mehr zeigen."
Den kuriosesten all dieser Kreuzbandrisse zog sich aber Rolland bei Olympia 2010 in Kanada zu. Sie fiel nach den üblichen Schlittschuhschritten am Start nach nicht einmal drei Fahrsekunden um und zog sich dabei einen Kreuzbandriss im linken Knie zu.
Die verpasste Medaille in der WM-Abfahrt in Schladming hat Österreichs Läuferinnen am Sonntag nicht die Sprache verschlagen, Selbstkritik oder Enttäuschung suchte man in den Kommentaren aber vergeblich. Titelverteidigerin Elisabeth Görgl, als Zehnte doch deutlich geschlagen, lehnt das Krisengerede ab.
"Wir Österreicher sind eine Skination, ganz klar. Aber man sollte schon die Kirche im Dorf lassen. Einfach easy. Jeder probiert sein Bestes, einmal hat der das Glück, einmal der andere. Weiter geht's", sagte die Steirerin.
Zwar nicht nach dem Saisonverlauf, aber nach den Trainingsleistungen und der Kombiabfahrt auf der Streicher-Piste befanden sich mehrere ÖSV-Läuferinnen im Kreis der Medaillen-Anwärterinnen. Platz 8 für Andrea Fischbacher, 10 für Görgl, 11 für Anna Fenninger und 18 für Regina Sterz waren die nächste bittere Pille, die die Skifans bei der Heimveranstaltung schlucken mussten.
"Es sollten alle, die im Zirkus mit sind, wissen, wie schwer das ist. Das was mir gelungen ist vor zwei Jahren, das war eigentlich ein Geschenk. Da muss alles zusammenpassen. Das ist nichts, das man sich erwarten kann. Das hat man auch bei Klaus Kröll gesehen. Wir sind ja alle gute Skifahrer, es muss einem aber auch zum richtigen Zeitpunkt genau gelingen", meinte Görgl, die 2011 in Garmisch Gold in Abfahrt und Super-G gewann und nun zweimal entthront ist.
"Druck? Welcher Druck"
Sie selbst habe sich voll reingehängt, aber wie viele andere zwischen zweiter und dritter Zwischenzeit viel Zeit ausgefasst. "Aber was soll ich machen? Sicher war die Anspannung vor dem Rennen groß, es war ein wichtiges Rennen heute. Aber ich kann den Kopf doch nicht hängen lassen, ich habe alles probiert." Sie sehe es sehr gefasst und neutral. "Als ich in Garmisch gewonnen habe, war ich auch sehr gefasst und neutral. Wichtig ist, dass man immer ein bisschen mittig ist."
"Druck? Welcher Druck", fragte Fenninger. "Ich verspüre keinen Druck am Start." Bei ihrer Fahrt hätten sich immer wieder Fehler eingeschlichen, das habe sich von oben bis unten durchgezogen. "Die Abfahrt ist die Disziplin, in der ich mir generell am wenigsten erwarten kann. Natürlich hat es in der Kombi gut funktioniert, vielleicht war das der falsche Zeitpunkt für mich, dass ich einen guten Lauf erwischt habe", meinte die Erste des Kombi-Speed-Teilbewerbes. "Ich bin nicht enttäuscht, dass es nicht geklappt hat. Ich hätte noch besser fahren können, aber es ist kein Wunschkonzert."
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