Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus

Andrea Fischbacher of Austria reacts during the women's Downhill race at the World Alpine Skiing Championships in Schladming February 10, 2013. REUTERS/Leonhard Foeger (AUSTRIA - Tags: SPORT SKIING)
Marion Rolland freut sich über Abfahrtsgold, Elisabeth Görgl macht ihrem Ärger Luft.

Die gute Nachricht vorweg: Die Stahlrohrtribünen von Schladming sind sicher. Das Abfahrtswochenende war der erwartete Härtetest, einerseits aufgrund der Zuschauermassen, andererseits vom Lärmpegel her, den manche produzierten. Titelverteidigerin Elisabeth Görgl machte ihrem Unmut mit „Fuck“ und „Scheiße“ Luft; Marion Rolland ließ einen Urschrei los, nachdem sie eine grüne Zahl aufleuchten sah, als sie im Hexenkessel angekommen war.

Die Französin setzte damit eine Serie fort, die es bei dieser WM in sich hat, und eine, die die Grande Nation an die Spitze des Medaillenspiegels gespült hat. Gold durch die 30-Jährige in der Abfahrt, Silber durch Gauthier de Tessières, 31, im Super-G der Herren – und Bronze in der Abfahrt durch David Poisson, das 30-jährige Speed-Bröckerl. „Ich habe Gauthier im Hotel mit seiner Medaille getroffen, und ich habe David mit seiner Medaille gesehen. Da hab’ ich mir gedacht, ich will auch eine. Und heute Morgen bin ich aufgewacht und hab’ gewusst, wenn ich wirklich eine will, dann muss ich ans Limit gehen.“
Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus
Das tat die Routinière, die für den Skiklub von Les 2 Alpes fährt, und sie tat es wie keine andere. Reihenweise hatten sich die Damen vor der bedingt zarten Französin (1,67 Meter/77 Kilo) die Zähne an der Zeit von Nadia Fanchini ausgebissen: Manche landeten im Netz (Moser, Hronek, D. Gisin/Mittelhandknochenbruch, Merighetti), manche hatten Pech mit den wechselnden Lichtverhältnissen, viele bauten Fehler ein. Eines war allen gemein: Sie alle waren bis zum mittleren Abschnitt der eisigen, teils glatten Strecke schneller als Fanchini, verloren aber sukzessive und reihten sich mit Respektabstand von über einer Sekunde hinter der 26-jährigen Italienerin ein.

Erst Nadja Kamer (Nummer 15) konnte die Distanz unter einer Sekunde halten; Superkombi-Weltmeisterin Maria Höfl-Riesch (Nummer 16) ließ ihre Knieschmerzen Knieschmerzen sein und war noch einmal etwas schneller als die Schweizerin.

Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus
APA11342182 - 07022013 - SCHLADMING - ÖSTERREICH: Elisabeth Görgl (AUT) nach dem zweiten Abfahrtstraining der Damen am Donnerstag, 07. Februar 2013, in Schladming. APA-FOTO: Robert Parigger
Zu diesem Zeitpunkt waren vier von fünf gestarteten Österreicherinnen schon enttäuscht im Ziel, und dann, mit Nummer 22, kam Marion Rolland, die die Fahrt ihres Lebens zeigte und 16 Hundertstelsekunden Vorsprung ins Ziel rettete.

Die Planai-Spezialistin

Eine Überraschung? Ja. Eine Sensation? Nein. Denn schon beim Weltcupfinale hatte Marion Rolland gezeigt, dass ihr die WM-Strecke liegt. Zweite war sie im März hinter Lindsey Vonn in der Abfahrt, Dritte im Super-G hinter Viktoria Rebensburg und Julia Mancuso. Und nun hat sie das erste französische Damen-Abfahrtsgold seit Carole Montillet (Olympia 2002) und das erste WM-Abfahrtsgold seit Marielle Goitschel 1966. Ein Erfolgsgeheimnis lüftete sie danach: Speed-Damen und -Herren bestreiten große Teile der Vorbereitung gemeinsam, „wir sind ein geniales Team, sind auch alle gleich alt. Und wir haben auch in schwierigen Zeiten immer zusammengehalten.“

Und alle drei Medaillengewinnerinnen haben eines gemeinsam: „Das ist ein Kreuzband-Podium“, sagte Maria Höfl-Riesch, „jede hatte mindestens einen Riss.“ Besonders freute es die Deutsche, dass Nadia Fanchini nach zwei Jahren Zwangspause (Jänner 2010 bis Jänner 2012) so stark zurückkam. Deren Mamma Guisi muss es geahnt haben: Sie trug am Sonntag zwei medaillenförmige, riesige Ohrgehänge. Und nun hat acht Jahre nach Tochter Elena (WM-Abfahrt in Bormio), 27, auch Nadia WM-Silber. Damit ist 2021 Schwester Sabrina, jetzt 24, an der Reihe.
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ALPINE SKI-WM IN SCHLADMING: ABFAHRT DAMEN / FANS
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Second placed Nadia Fanchini of Italy celebrates o
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ALPINE SKI-WM IN SCHLADMING: ABFAHRT DAMEN / MOSER
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Andrea Fischbacher of Austria skis during the wome
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ALPINE SKI-WM IN SCHLADMING: ABFAHRT DAMEN / FISCH
Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus

ALPINE SKI-WM IN SCHLADMING: ABFAHRT DAMEN / FENNI
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ALPINE SKI-WM IN SCHLADMING: ABFAHRT DAMEN / FENNI
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AUSTRIA ALPINE SKIING WORLD CHAMPIONSHIPS
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ALPINE SKI-WM SCHLADMING 2013: TRAINING ABFAHRT HE
Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus

ALPINE SKI-WM IN SCHLADMING: ABFAHRT DAMEN / STERZ
Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus

ALPINE SKI-WM IN SCHLADMING: ABFAHRT DAMEN / SIEGE
Frankreichs Ski-Team kommt in Schladming aus dem Feiern nicht mehr heraus. Nach den faustdicken Überraschungen von Gauthier De Tessieres (Silber im Super-G) und David Poisson (Bronze in der Abfahrt) in den Speed-Disziplinen der Herren raste am Sonntag Marion Rolland nicht minder überraschend zu Damen-Abfahrts-Gold. Damit beendete die "Grande Nation" die erste WM-Woche sensationell als Nummer eins im Medaillenspiegel.

Dabei hat Frankreichs eigentlich größter Hoffnungsträger noch gar nicht ins Geschehen eingegriffen: Alexis Pinturault. Der 21-Jährige zählt am Montag in der Super-Kombination zum engsten Favoritenkreis. Und auch im Riesentorlauf und Slalom ist Frankreichs Supertalent jederzeit für eine Medaille gut. Dasselbe gilt im Slalom auch für Titelverteidiger Jean-Baptiste Grange und im Riesentorlauf für Thomas Fanara.

Reife

Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus
epa03576834 Marion Rolland of France celebrates during the flower ceremony after winning the women's Downhill race at the Alpine Skiing World Championships in Schladming, Austria, 10 February 2013. EPA/ROBERT PARIGGER
Im Teambewerb am Dienstag gehen die Franzosen sogar als Titelverteidiger an den Start. Und Tessa Worley kann im Riesentorlauf ebenso um die Medaillen mitmischen.

Der von Ex-Weltmeister Michel Vion geleitete Verband könnte somit nach dem ersten "Sieg" im Medaillenrennen seit der WM 1966 in Portillo greifen. Damals war man mit 16 Medaillen im Gepäck von Chile nach Hause geflogen.

"Ich habe gesehen, wie Gauthier und David mit ihren Medaillen ins Hotel zurück gekommen sind. Da bekommt man eine große Lust, ebenfalls eine zu holen. Und Gold hat ja noch gefehlt in unserer Sammlung", berichtete Rolland freudestrahlend.

Die 30-Jährige sah große Parallelen zu den Überraschungscoups ihrer männlichen Kollegen: "Wir haben alle miteinander schwierige Zeiten hinter uns. Jetzt waren wir offensichtlich reif genug, um zuzuschlagen."

Rolland hat im Weltcup noch keinen einzigen Sieg gefeiert. Dass sie eine spezielle Vorliebe für Schladming hat, stellte sie aber bereits beim Weltcup-Finale 2012 unter Beweis. Dort hatte sie als Abfahrts-Zweite und Super-G-Dritte ihre beiden bisher einzigen Weltcup-Stockerlplätze eingefahren.

Donnerwetter

Dabei hatte die WM für Frankreichs Damen alles andere als gut begonnen. Nach dem Debakel im Super-G - Marie Marchand-Arvier war als Beste 14. - hatte es für die Speed-Truppe vom Trainerstab ein Donnerwetter gesetzt. "Völlig zurecht", wie Rolland gestand.

Die ÖSV-Stars scheint die Heim-WM bisher zu hemmen, bei Rolland kitzelte hingegen die besondere Atmosphäre in Schladming offenbar die letzten Reserven hervor. "Österreich ist das Skiland. Die Atmosphäre ist so speziell, da will man noch mehr zeigen."

Auch ÖSV-Damen gehen in Abfahrt leer aus
France's Marion Rolland cries as she receives support after she crashed during the women's Alpine Skiing Downhill race at the Vancouver 2010 Winter Olympics in Whistler, British Columbia, February 17, 2010. REUTERS/Wolfgang Rattay (CANADA)
"Es ist das Kreuzbandpodium. Jede von uns hat mindestens schon zwei Kreuzbandrisse gehabt", meinte die drittplatzierte Deutsche Maria Höfl-Riesch schmunzelnd. Denn neben Rolland und Höfl-Riesch hatte auch die "silberne" Italienerin Nadia Fanchini schon jede Menge verletzungsbedingte Rückschläge zu verdauen.

Den kuriosesten all dieser Kreuzbandrisse zog sich aber Rolland bei Olympia 2010 in Kanada zu. Sie fiel nach den üblichen Schlittschuhschritten am Start nach nicht einmal drei Fahrsekunden um und zog sich dabei einen Kreuzbandriss im linken Knie zu.

Die verpasste Medaille in der WM-Abfahrt in Schladming hat Österreichs Läuferinnen am Sonntag nicht die Sprache verschlagen, Selbstkritik oder Enttäuschung suchte man in den Kommentaren aber vergeblich. Titelverteidigerin Elisabeth Görgl, als Zehnte doch deutlich geschlagen, lehnt das Krisengerede ab.

"Wir Österreicher sind eine Skination, ganz klar. Aber man sollte schon die Kirche im Dorf lassen. Einfach easy. Jeder probiert sein Bestes, einmal hat der das Glück, einmal der andere. Weiter geht's", sagte die Steirerin.

Zwar nicht nach dem Saisonverlauf, aber nach den Trainingsleistungen und der Kombiabfahrt auf der Streicher-Piste befanden sich mehrere ÖSV-Läuferinnen im Kreis der Medaillen-Anwärterinnen. Platz 8 für Andrea Fischbacher, 10 für Görgl, 11 für Anna Fenninger und 18 für Regina Sterz waren die nächste bittere Pille, die die Skifans bei der Heimveranstaltung schlucken mussten.

"Es sollten alle, die im Zirkus mit sind, wissen, wie schwer das ist. Das was mir gelungen ist vor zwei Jahren, das war eigentlich ein Geschenk. Da muss alles zusammenpassen. Das ist nichts, das man sich erwarten kann. Das hat man auch bei Klaus Kröll gesehen. Wir sind ja alle gute Skifahrer, es muss einem aber auch zum richtigen Zeitpunkt genau gelingen", meinte Görgl, die 2011 in Garmisch Gold in Abfahrt und Super-G gewann und nun zweimal entthront ist.

"Druck? Welcher Druck"

Sie selbst habe sich voll reingehängt, aber wie viele andere zwischen zweiter und dritter Zwischenzeit viel Zeit ausgefasst. "Aber was soll ich machen? Sicher war die Anspannung vor dem Rennen groß, es war ein wichtiges Rennen heute. Aber ich kann den Kopf doch nicht hängen lassen, ich habe alles probiert." Sie sehe es sehr gefasst und neutral. "Als ich in Garmisch gewonnen habe, war ich auch sehr gefasst und neutral. Wichtig ist, dass man immer ein bisschen mittig ist."

"Druck? Welcher Druck", fragte Fenninger. "Ich verspüre keinen Druck am Start." Bei ihrer Fahrt hätten sich immer wieder Fehler eingeschlichen, das habe sich von oben bis unten durchgezogen. "Die Abfahrt ist die Disziplin, in der ich mir generell am wenigsten erwarten kann. Natürlich hat es in der Kombi gut funktioniert, vielleicht war das der falsche Zeitpunkt für mich, dass ich einen guten Lauf erwischt habe", meinte die Erste des Kombi-Speed-Teilbewerbes. "Ich bin nicht enttäuscht, dass es nicht geklappt hat. Ich hätte noch besser fahren können, aber es ist kein Wunschkonzert."

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