ROMY-Preisträgerin Birgit Hutter: "Es ist eine richtige Hack’n"

Birgit Hutter
Kostümbildnerin Birgit Hutter über Josefstadt-Stars, Filmbudgets und John Malkovich.

Sie bestimmt, wie die Menschen aussehen, die wir in Film, Fernsehen und Theater sehen: Kostümbildnerin Birgit Hutter erhält heuer von der ROMY Akademie die Platin-Auszeichnung für das Lebenswerk. Die 75-Jährige gehört zu den internationalen Größen in Sachen Kostüm und Ausstattung. Zu Produktionen der jüngsten Zeit gehören der TV-Event-Mehrteiler "Gotthard", die Kino-Filme "Die Trapp Familie" und "Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft" oder Föttingers Umsetzung von Daniel Kehlmanns "Heilig Abend" sowie von Horvaths "Niemand" an der Josefstadt.

"Angefangen", sagt Hutter im KURIER-Interview, "hat es mit einer großen Liebe zum Theater." Die Gewissheit holte sich Hutter in New York, 1959. "Ich war Guide in den Vereinten Nationen. Zwei Jahre war ich dort, ich habe das sehr genossen – und es hat meinen Blick geöffnet. Hier war alles noch sehr klein denkend. In New York war ich bei einem Gastspiel von Gustaf Gründgens, ,Faust’. Als ich da rausgegangen bin, habe ich gewusst: Ich möchte zum Theater. Nicht auf die Bühne, aber Backstage."

KURIER: Gab es damals starke Konkurrenz unter Kostümbildnern?

Nein, da waren nicht viele. Es gab eine ganz große Dame des Theaters, Erni Knippert, die ich sehr bewundert habe. Als ich das erste Mal am Burgtheater Kostüme gemacht habe, stand im Spielplan auf der Litfaß-Säule trotzdem ihr Name. Die haben aus Gewohnheit Erni Knippert draufgeschrieben, weil sie damals alles gemacht hat. Das war ziemlich hart für mich! (lacht)

Demotivierend?

Wenn man nicht diese Leidenschaft hat, dann kann man das nicht machen. Es ist kein lustiger Beruf. Es ist ein sehr schöner Beruf, wenn man Erfolg hat. Aber es ist eine richtige Hack’n.

Ohne geregelte Arbeitszeiten, dafür mit viel Stress.

Ja! Es ist sehr familienfeindlich. Sehr stressig. Und es wird immer ärger, weil das Geld immer knapper wird. Ich habe vor 20 Jahren mit mehr Geld pro Film gearbeitet als jetzt. Ich habe noch nie überzogen. Aber es ist Stress, ich wache manchmal in der Nacht auf und frage mich, ob ich diesen Pullover wirklich drei Mal haben muss. Und dann geh’ ich durch, was mit diesem Pullover passiert. Ja, ich brauche ihn drei Mal. Man muss hunderttausend kleine Sachen bedenken.

Da muss man neben dem künstlerischen Talent vor allem auch gut organisieren können.

Das organisatorische Talent ist ganz, ganz wichtig! Und man muss sehr gut mit Menschen zusammenarbeiten können. Das mag ich, und deswegen war Malen auch nicht meins. Mein Mann (Maler Wolfgang Hutter, Anm.) saß zwölf Stunden allein – das ist nichts für mich. Ich brauche die Menschen.

Aber auch bei Kostümen braucht es wohl viel Vorarbeit.

Ich halte sehr viel von Vorarbeit! Deswegen fange ich immer gerne so früh wie möglich an, was die Produzenten jedes Mal wieder nicht verstehen – und sie lernen leider auch nichts daraus. Die sagen immer, das kostet zu viel Geld. Aber das ist das Wichtigste! Und es spart Geld. Ich fange mit dem Lesen eines Drehbuchs an, überlege, was ich Besonderes machen kann. Ich möchte ja gerade bei historischen Filmen, für die ich bekannt bin, nicht alles aus dem Kostümbuch abkupfern. Dann gibt es das Gespräch mit dem Regisseur.

Hat der überhaupt Mitspracherecht?

(lacht) Ich bin schon sehr stur. Aber er darf natürlich. Ich habe einige Regisseure, mit denen ich arbeite, die kenne ich schon so lange. Mit Urs Egger habe ich zuletzt "Gotthard" gemacht und mache im Herbst wieder einen Film, den zwölften. Da wird nicht mehr viel geredet.

Vertrauen ist hier wohl entscheidend.

Und wir helfen auch dem Schauspieler. Ich bespreche mich mit denen. Das ist in meiner Position viel einfacher, als es in meinen Anfängen war. Als ich 20 Jahren zu Susanne von Almassy in die Garderobe gegangen bin, ein großer Josefstadt-Star, da hab’ ich gezittert! Sie war sehr nett zu mir. Ich hatte unglaubliche viele Stoffe mit, um sie ihr zu zeigen. Sie hat gesagt: "Sie sind die Kostümbildnerin, Sie suchen das aus, ich ziehe das dann an." Das hat mir geholfen.

Sie kommen den Schauspielern ja sehr nahe.

Von John Malkovich hatte ich überhaupt keine Maße, als wir für "Klimt" zusammen gearbeitet haben. Bei den Männern ist das immer schwieriger. John kam dann extra drei Wochen vor Produktionsstart nach Wien, war sehr still, er hat kein Wort gesprochen. Ich habe dann zuletzt, da ja Klimts Kunst von Japan beeinflusst war, einen Kimono vorgeschlagen. "Gute Idee", hat er gesagt. Das war das erste, das er gesagt hat (lacht). Dann habe ich ihm in Wien viel geholfen, und seitdem sind wir wirklich befreundet.

Sie sind auch ausschlaggebend für das Jack-Unterweger-Projekt mit Malkovich gewesen.

Ja, ich hab’s erfunden. Dirigent Martin Haselböck war auf der Suche nach einem Stoff für ein Melodram. Es gab schon einen Premierentermin, aber noch kein Stück. Und dann habe ich im Internet gefunden, dass ein US-Journalist über den Unterweger schreibt. Der hatte am nächsten Tag Buchpräsentation in Los Angeles. Ich habe John angerufen und gesagt: Bitte geh dahin, das wird unser Stück. Danach hat er mich angerufen und gesagt: "Du hast recht, das ist es."

Würden Sie sich mehr Rampenlicht für Ihren Job wünschen?

Ja, und auch für die Menschen, die mit mir arbeiten. Ich bin ja nicht alleine. Meine Garderoberinnen, meine Assistenten, meine Schneider und Schneiderinnen, meine Stofflieferanten. Die sind wahnsinnig wichtig. Wenn ich nicht die Adresse von Schustern hätte, die ich am Freitag anrufen kann und denen ich sagen kann: Ich brauche drei Paar hohe Schuhe, und zwar am Montag in der Früh! Probieren Sie das mal in einem normalen Geschäft! Der fragt, ob man sie noch alle hat. Aber mein Schuster kann das.

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