Marie Bäumer: Romy Schneiders „Aufregung konnte man sehen“
Von Gabriele Flossmann
Von Beginn ihrer Karriere an hatte Marie Bäumer den Ruf „die neue Romy Schneider“ zu sein. Obwohl, oder vielleicht auch gerade weil sie sich bisher konsequent geweigert hatte, in einem der vielen, ihr immer wieder angebotenen Bio-Pics die Rolle der Schauspiel-Ikone zu übernehmen. Heute lebt die 48-Jährige in der Provence, unterrichtet aber trotzdem regelmäßig an einer Schauspielschule in Hamburg.
Den eigenen schauspielerischen Durchbruch hatte sie in den 90er-Jahren. In Detlev Bucks Komödie „Männerpension“ brillierte sie mit komödiantischem Talent – so wie auch später in der Karl-May-Parodie „Der Schuh des Manitu“, vor mehr als zwölf Millionen Kinozuschauern.
Dass sie auch im dramatischen Fach einiges zu bieten hat, bewies Marie Bäumer unter anderem in Oskar Roehlers Beziehungsdrama „Der alte Affe Angst“ als verheiratete und gedemütigte Kinderärztin. Besonders wichtig ist Marie Bäumer die Authentizität der Gefühle und die körperliche Energie, mit der sie ausgedrückt werden. Und so ist es nur konsequent, dass für sie die Schönheit eines Gesichts nicht in der glatten Regelmäßigkeit der Züge liegt, sondern in der Sichtbarkeit der Spuren des Lebens, die ein Gesicht prägen.
Romy Schneider hatte so ein Gesicht. Je älter sie wurde, desto spannender und charaktervoller wurde es. Ihr wechselvolles Leben, in zunehmendem Maß geprägt von Alkohol und Tabletten, ließ ihre Augen zunehmend traurig werden.
Die Psyche hinter diesem aufregenden Gesicht schauspielerisch begreifbar und nachvollziehbar zu machen, hat Marie Bäumer schließlich doch gereizt. Gemeinsam mit der deutschen Regisseurin Emily Atef hat sie aus drei Tagen dieses Lebens den Spielfilm „3 Tage in Quiberon“ gemacht.
KURIER: Der Film erzählt davon, wie Romy Schneider von einem „Stern“-Reporter regelrecht verhört wurde. Es ist ein intensives und aggressives Interview, das geradezu ihre Seele entblößt. Wie ist es Ihnen als Schauspielerin beim Spielen dieser Szenen ergangen?
Marie Bäumer: Ich versuche mir nie darüber Gedanken zu machen, wie es mir als Schauspielerin oder mir persönlich als Marie damit geht, wenn ich extreme Persönlichkeiten darstelle – oder schwierige Szenen spiele. Es war ganz einfach der wunderbare Weg einer emotionalen Amplitude und habe mich da mit aller Kraft „reingeschmissen“.
Hat die Tatsache, dass die Geschehnisse im Film tatsächlich so stattgefunden haben, gewisse Emotionen ausgelöst?
Mich hat das nicht wirklich beschäftigt. Ich war völlig in einer eigenen Blase, die ich mir für die Rolle schaffen musste und ging einige Wochen lang so durch diesen Nebel aus Tränen. Irgendwie muss man das durchhalte. Die emotionale Öffnung, die man dafür braucht, ist wie so ein Muskel, den man aufwärmen und dehnen muss, weil sonst Verletzungsgefahr besteht.
Wurden Sie auch von Ängsten begleitet?
Die größte Angst die mich begleitet hat, war, dass die Leute im Kino sitzen und sagen: oh, da sieht sie ihr aber ähnlich – und da wieder gar nicht. Das darf nicht passieren. Mich hat vor allem diese emotionale Zustandsbeschreibung interessier, hinter der stellvertretend zufällig der Weltstar Romy Schneider steht. Das hat nichts zu tun der Interpretation einer Schauspiel-Ikone. Das hat mich ja nie interessiert und deshalb habe ich es auch immer abgelehnt. Ich hatte vorher nur diese Bio-Pics auf dem Tisch, einmal bessere oder auch schlechtere. Aber warum soll man als Schauspielerin eine Schauspiel-Ikone interpretieren? Damit kann man nur gegen die Wand fahren.
Man denkt bei diesem Film gar nicht mehr an Romy Schneider, sondern an Sie als Figur im Film.
Das ist ein schönes Kompliment.
Haben Sie sich zur Vorbereitung Aufnahmen von Romy Schneider angeschaut?
Also diese Erwartungshaltung, dass ich mich jahrelang auf diesen Film vorbereitet hätte, kann ich nicht befriedigen, denn das stimmt so nicht ( lacht ). Romy Schneider ist für mich sehr präsent und eine Inspiration als Schauspielerin. Auch beim Unterrichten, weil sie die physischste aller Filmschauspielerinnen ihrer Generation ist. Sie hatte die Fähigkeit, physisch eine unglaubliche Spannung zu erzeugen und dann auch sehr schnell wieder zu lösen. Das macht auch diese Sinnlichkeit und diese Durchlässigkeit bei ihr aus. Um meinen eigenen Gestus dafür zu finden, habe ich mir viele ihrer Interviews angesehen – das war sehr schön. Dieses Flirrende, das sich auch in der Atmung ausdrückte – superinteressant! Ihre Aufregung konnte man über den Atem sehen. Die Art zu rauchen, sich ständig die Lippen zu lecken – solche Kleinigkeiten.
Das klingt so, als hätten Sie von dieser Romy Schneider-Rolle als Schauspielerin sehr profitiert?
Sie hat auch Spaß gemacht. Mir ging es da wie einem Kind, das einen Kochtopf aufsetzt und einen Kochlöffel in den Gürtel steckt und sagt: Ich bin Robin Hood. Diese spielerischen Aspekte habe ich ein bisschen mit reingenommen. Und dann gab es auch noch diese Spannungsmomente, die sich beim Erforschen und bei der Beobachtung konkreter physischer Zeichen ergeben: Bleibt sie mit dem Blick da, weicht sie aus, wo ist ihre emotionale Kraft sichtbar und wie äußert sich ihre Fragilität.
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