Wildes Wien

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Wo Fuchs und Hase einander gute Nacht sagen: mitten in der Großstadt. Denn halb Wien ist Natur – und damit auch ein ideales Zuhause für willkommene Wildtiere.

Auf einmal war er da. Erst nur als Ahnung, denn Adam tauchte abends im Zwielicht auf. Neugierig und vorsichtig. Hast du das gesehen? War da wirklich etwas? Etwas? Ja, damals trug er noch keinen Namen. Wir wussten ja nicht von Anfang an, was da über die Terrasse in Hietzing strich. Langsam wich die Ahnung einer Gewissheit, da auch Nachbarin June von einem neuen „Mitbewohner“ erzählte. „Habt ihr schon unseren Fuchs gesehen?“, fragte sie und meinte, sie lege ihm regelmäßig ein paar Nüsse in eine Schale auf die Terrasse. Hat ja sicher Hunger, der Gute.

Unser Fuchs. Unser Fuchs? Ob der nicht vielleicht die Tollwut hat? Eine liebe Bekannte, Frau Richter, Jägerin i.R., war für einen Rat nicht zu erreichen. Ein Arzt vom Veterinäramt Wien beruhigte sogleich. „Einen Fall von Tollwut gab es hier schon seit 40 Jahren nicht. Wenn Sie einen Fuchs als Gast haben, seien Sie froh. Erfreuen Sie sich seines Anblicks.“

Machten wir gerne. Aber nur kurz, dafür gleich doppelt. Das letzte Mal, als wir Adam sahen, war er mit einem kleineren Fuchs zusammen – Eva? –, und es sah so aus, als hätten sie auf einer Wiese vis-à-vis dem Friedhof Hetzendorf einen passenden Platz für ihr neues Zuhause gefunden.

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Kormoran, Wasserpark, 21. Bezirk…
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Friedhöfe, besonders der weitläufige Zentralfriedhof, sind ein beliebter Zufluchtsort von Wildtieren, erzählt Georg Popp. Mit seiner Frau Verena befindet er sich für das Fotoprojekt „Wieder Wildnis“ seit Monaten auf ausgedehnter „urbaner Safari“ in der Metropole. Frühmorgens oder spätabends legen sie sich zwischen Donauauen, in den Gärten und Parks, aber ebenso den Nischenzonen zwischen Grünstreifen und urbaner Bebauung auf die Pirsch. Zur „Beute“ zählt ein kleiner Zoo – vom Fuchs über Rotwild und dem Dachs bis zum Habichtskauz.
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„Wir wollen zeigen, welche Vielfalt der Natur man in der Stadt antreffen kann, wenn man nur genau hinschaut“, so Popp. Wobei das mit dem Beobachten schon Probleme bereiten kann. „Wir können uns nicht an ein und derselben Stelle wochenlang auf die Lauer legen, nur weil uns jemand den Tipp gibt, dass in der Nachbarschaft ein Wildtier vorbeischaut – zwar regelmäßig, aber nie zu einer bestimmten Uhrzeit“, berichtet der leidenschaftliche und schon langjährig tätige Landschaftsfotograf. Der Zufall spielt eine große Rolle, möchte man das wilde Leben in der Natur entdecken, jedoch keinesfalls inszenieren. Technische Hilfsmittel wie Lichtschranken sind dabei sehr willkommen. Denn wenn man sich mit Objektiv bewaffnet und nächtens in einer von Gärten umgebenen Villengegend umherstreift, zieht man eher das Interesse der Exekutive als jenes von Fuchs und Hase auf sich. Georg Popp kann über seltsame Begegnungen zu später Stunde so einiges berichten. Viel lieber aber will er ein ernsthaftes Interesse der Stadtbewohner an ihrer unmittelbaren Umgebung wecken. „Es geht um das Wissen, wohin man schaut“, führt der Fotograf aus. Das unterscheide eben den Spaziergänger, dem die klassischen Aussichtsplätze genügen, vom Flaneur, der sich auch in den zahlreichen Nischen der Stadt umsieht: Höhlen, Gärten und Aulandschaften, die geeignet sind, Wildtieren einen Lebensraum zu bieten. Und Lebensraum gibt es reichlich. So sehr, dass man die Bezeichnung „Großstadt Wien“ ebenso gut durch „Großland Wien“ ersetzen könnte. Oder wussten Sie, dass die Bundeshauptstadt zu 50 Prozent aus Grünflächen besteht? Schon die Lobau, die beinahe ein Drittel des Nationalparks Donau-Auen ausmacht, erinnert eher an einen Dschungel als an eine städtische Wiesenfläche. Und genau hier, so listet das Team des Projekts „Wiener Wildnis“ auf, sind 800 Pflanzen-, 30 Säugetier- und 100 Brutvogelarten beheimatet, sowie acht Reptilien-, dreizehn Amphibien- undimmerhin 60 Fischarten. Um diese ebenso ins Bild zu bekommen, gehen manche Kameras des „Wiener Wildnis“-Teams baden.
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In Europa gibt es jedenfalls nur eine Metropole, die sich ländlicher zeigt als Wien – die deutsche Hauptstadt Berlin. Warum sich wild lebende Tiere zwischen Beton und Blumenbeet überhaupt so wohl fühlen, wird da wie dort so erklärt: Auf dem Land herrscht immer mehr Monokultur vor, die Stadt hingegen besticht durch Mülltonnen, Komposthaufen, satte Gartenböden und Obstbäume, die ohne viel Aufwand die Ernährung sichern. Die Gefahr, dass hinter einer Gartenhecke plötzlich ein Jäger seine Flinte in Position bringt, ist relativ gering.

Die Gefahr, dass Wildtiere zur Plage werden – wie die Wildschweine vor drei Jahren in Niederösterreich und im Burgenland – ist auch kein große. Ein paar Zäune reichen, um nachtaktive Tiere abzuschrecken.

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