Wien riecht nach Kaffeehaus

Wien riecht nach Kaffeehaus
Stadtgerüche: Um 380.000 Euro wurde mit der wissenschaftlichen Nase das Wiener Flair aufgespürt

Wie die Großstadt Wien riecht, was ihre typische Atmosphäre, ihren Flair ausmacht und wie sich die Stadtgerüche von anderen unterscheiden, das wollte ein universitäres Forscherteam genau ergründen. Das Ergebnis in aller Kürze: Wien riecht nach Wien – und das ist gut so.

Da von höchster Seite der Stadt vitales Interesse bestand, der "Duftmarke Wiens" auf die Spur zu kommen, gab es einen gut dotierten Forschungsauftrag. Um 383.000 Euro und fast vier Jahre später liegt nun das Ergebnis vor: Wien riecht nach Rosen, Flieder und frischer Luft, aber genauso nach Kaffeehaus und Antiquitäten. Ja sogar der unverkennbare Duft von Fiakerpferden ist typisch für Wien und wird von den Städtern – im Gegensatz zu Touristen – nicht als unangenehm empfunden.

Mădăline Diaconu, Dozentin für Philosophie an der Uni-Wien, die Projektleiterin: "Eine Stadt, die nach nichts riecht, wäre unerträglich. Sie wäre flach und ihr würde die Geschichte fehlen. Gerüche integrieren auch die Vergangenheit, man soll sie auch in die Gegenwart mitnehmen."

Festgehalten ist die Arbeit der Wissenschafter im Buch "Sensorisches Labor Wien" (Lit Verlag 2011). Auf 660 Seiten wird gemessen, gerochen, bewertet und analysiert. Das Ergebnis: Eine Auflistung der prägenden Gerüche in Gärten, Parks, in Kaffeehäusern wie Hawelka oder Sperl, in öffentlichen Verkehrsmittel wie der U-Bahn sowie auf belebten Plätzen der Stadt.

Die Gerüche wurden "verortet" – etwa die Schoko-Düfte in der Nähe der Manner-Fabrik. Oder sie wurden in einem Blühkalender für Pflanzen in der zeitlichen Abfolge der Jahreszeiten eingetragen. Typische Gerüche in der Innenstadt wurden in sogenannte "Smell-Maps" eingetragen und analysiert.

Kaffeehausflair

Wien riecht nach Kaffeehaus

Von "frische Wiese" über "modrige Erde" bis hin zu "Bratwurst-Duft " wurde alles festgehalten und einer individuellen Bewertung unterzogen. So riecht die Stadt für türkische Zuwanderer zwar sehr gut. Der Körpergeruch von Schweinefleisch-Konsumenten ist für sie aber unangenehm. Für spanische Touristen riecht die Donauinsel nach Wasser, die City nach Pferden und Bäckereien. Afrikanische Zuwanderer konnten sich bei ihrer Befragung "an keine unangenehmen Gerüche" in Wien erinnern.

Was macht nun das Flair des guten alten Kaffeehauses aus? Die gemütliche Einrichtung, der Duft von Kaffee und Mehlspeisen und bis vor wenigen Monaten vielleicht auch noch der Rauch von Zigaretten? Die Antwort der Wissenschaft ist eher ernüchternd: Festgestellt hat man mit dem Gas-Chromatografen nicht den Kaffee-Duft sondern hauptsächlich Speisegerüche aus der Küche und den Zitronenduft von Putzmitteln.

Und dennoch: Die Studie hat ihr Ziel nicht verfehlt: Man weiß nämlich jetzt auch genau, wie ein ideales Kaffeehaus eingerichtet werden muss, um gesellschaftlich und wirtschaftlich erfolgreich sein zu können. Mădălina Diaconu übersetzt das Studienergebnis in aller Kürze: "Plüsch ist gut, aber es muss auch ein wenig abgenutzt wirken."

Praktischer Einsatz

Die Ergebnisse der Studie werden bereits von Designern und Stoffhersteller geschätzt. So soll unter anderem versucht werden, mit duftenden Stoffen das Raumklima in Gebäuden zu verbessern.

Ganz konkret umgesetzt wird die Studie bereits bei der Errichtung von Therapiegärten in Krankenhäusern und Altersheimen. Vorstellbar wäre auch eine Beduftung von öffentlichen Plätzen, wie dies in Paris bereits geschieht.

Hier sind die Studienautoren (Uni, BOKU, Angewandte und ZOOM-Kindermuseum) jedoch skeptisch: Sie meinen, dass keine Düfte besser sind, als solche, die von den Menschen unterschiedlich bewertet werden.

Der Vorteil Wiens: Die Stadt hat ein hohes Potenzial an innerstädtischen Grünflächen. Dort könne man olfaktorische Mittel (Gerüche) viel besser einsetzen.

Mădălina Diaconu: "Es geht darum, dass wir das Sinnespotenzial wiederbeleben oder es neu entdecken. Die Entdeckungen der Nase seien immer erfreulich, auch wenn sie unangenehm wie Pferdegeruch sein sollten: "Der gehört einfach zu Wien dazu."

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