Die Reifen Odyssee und mein Benzinbruder
Nun, warum berichtet man über einen Tag, an dem Reifen eingekauft werden? Ist ja nun wohl eine 08/15 Nebenbei - Sache, könnte man meinen. Nun, in Russland nicht. Ich mein, in der Mongolei sowieso aussichtslos und das war ja auch der Grund zu warten, weil ein schmaler Pneu auf einem Touareg ist schließlich nicht das, was Man(n) will, oder - würde jetzt mal Tim Allen sagen...wär ja grad so, wie Churchill mit einer Super - Slim, also fingen wir gleich mal in Barnaul zu suchen an.
Wir fanden schon am Vorabend in meinen Benzinbruder und KTM'ler Konstantin Kodincev, der uns auch das Hotel empfahl, einen total sympathischen Russen aus der Stadt, der im Moment in China arbeitet und mit dem wir uns in 5 Sprachen abwechselnd unterhalten könnten. Ich spreche auch deutsch, sagt er stolz und ein paar Worte kommen tatsächlich aus seinem Mund! "Zwei 265er/15 r19 sucht ihr", fragt er erstaunt und nennt mir nicht unweit des Hotels eine gute und fundierte Werkstatt, die er persönlich kennt. Wir nehmen das Angebot gerne an und reden noch lange über KTM - er trägt "Kini" und ist sichtlich stolz darauf! Als ich ihm vom Erzberg erzähl, wird er ganz leise und andächtig und notiert sich die www.
Aber zurück zu den Patschen fürs Auto. Also, wir fahren zu besagter Werkstatt, die na ja, eher wie die Höhle von Ali Baba aussieht. Dort treffen wir auf Arman aus Armenien, Roman und Stanislav, der schon vom Wodka mehr im Schlaf als wach ist.
Arman ist es schliesslich , der mit uns wirklich halb Barnaul mit seinem Bus und unserem aufgeschlitzten 265er abklappert inklusive BMW,
VW, Lexus, große Reifenhändler und Co. aber keine Pneus. Alle starren in ihren Computer oder in die Kristallkugel und es folgt immer ein "Njet".
"Ne, nicht in der Dimension. Die zahlen sich hier auf Dauer nicht aus..." Zu teuer für Russlands schlechte Straßen. "Hahahaha, ihr solltet mal in die Mongolei fahren, liebe Freunde", sag ich noch zu ihnen, während daneben Konstantin schon mit der halben Stadt telefoniert. "Nix da, keine Walzen", sagt er schließlich. "Fahrt nach Novo rauf", sagt Arman.
"Die von den Markenhändlern holen sich die Reifen ohnehin von den Grosshändlern dort oben und schlagen dann Prozente drauf", also warum nicht gleich selbst rauffahren. Nun, 2 Stunden Fahrt und 270 km mit dem Notrad...-scheinen ok. Wir fahren also. Novosibirsk la deuxieme fois...
Konstantin telefoniert derweil schon mit Sibiriens Hauptstadt und will uns per SMS informieren. Aber Arman hat gesagt, wir kriegen sie dort zu 100%. In der Mitte des Weges dann das SMS:
..."will sell 2 Michelins for 12.520 rub each, address Suharnaya 35-4-1, GPS data 55.04694 82.86964 phone +73833034040. Name is also Konstantin"
Hahahaha, wir freuen uns, zumal es selbst in Novosibirsk auch zunächst nicht rosig aussieht...aber mit einem Notrad nach Semipaladinsk humpeln? Nein, danke! Also Adresse suchen, die nicht einmal der direkte Nachbar dort weiß. 35 ist sozusagen die Strassennummer, nach der Hausnummer braucht man erst gar nicht suchen. 4 ist der Block und 1 das Gebäude. Nur sehr geistreich, wenn das dann auf der Rückseite der Bude steht....
Aber Konstantin der Zweite ist nach einem kurzen Telefonat zur Stelle und gleich geht's ab in die Katakomben eines ausgebaggerten Erdkellers unterm Supermarkt, wo Reifen in allen Größen und Dimensionen lagern, auch unsere! Ganz hinten im letzten Eck und drunter. Also im sklad (Lager) zugreifen, zum drauf machen in die schinomontasch (Reifenwerkstatt) und zum Waschen wird's dann in die avtomoijka gehen. Das ist wahre Arbeitsteilung...;-)))
Ah ja der schnöde Mammon oder Zaster sei noch erwähnt, es kosten die Pneus 25040 Rubel, bei einem Rubelkurs von 64 sind das rund 390 Euro für die Reifen. Aufziehen und montieren 12 Euro und Reinigung 1 Euro. Also gesamt 403 Euro.
Alles per Hand gemacht, elektronische Geräte wie bei Porsche und Co. gibt es nicht. Dafür aber Reifen ;-))) Konstantin der Zweite, ein auch sehr sympathischer Bursch hier in Novosibirsk weiß das alles und sagt: "na ja, der Westen Europas ist halt anders..." Aber wir Russen haben im Laufe der Zeit gelernt, wie wir es machen müssen und es funktioniert ganz gut...
Stimmt! Die Radln sind oben, die Reserve - Reifen waschen aber ein Fremdwort hier - kein Wasser und na ja, Folie zum unterbreiten oder gar Reifen einpacken ist gar nicht vorgesehen und kostet den Service Mann ein breites Grinsen. "Wozu packt man die ein?", will ein Mann von uns wissen. "Na ja, weils Auto sonst schmutzig wird innen", antworten wir erstaunt auf diese Selbstverständlichkeit, die wir ja von zu Hause gewohnt sind. Spätestens jetzt biegt sich der Mechaniker vor Lachen, während ein Kasache sich mit seinem Auto vor der Werkstatt aufbaut, Luft in seine Reifen pumpt und wieder fährt. Gibt's ja bei Tankstellen nicht. Auch kein Wasser. Das nimmst in Flaschen mit, wenn du's unbedingt brauchst. Hatten wir ja auch schon gelernt...
Wir lachen ein wenig unterdrückt mit, bekommen einen Karton mit zur avtomoijka zum waschen...dort sieht man wieder Ausserirdische in uns, bis wir freundlich auf Russisch grüßen, das warum erklären und so ist dann alles schließlich bestens gereinigt und beide Not Pneus wieder im Auto verstaut für Kasachstan...;-) Essen gibt's noch in "Novo" und zwar unglaublich gutes im SchaschlykoFF, wo wir uns die Bäuche mit super gegrilltem Hühnerspiess, Gemüse, Fisch und Kartoffel Chips vollschlagen. Also wär's nicht so weit von Wien, hier käme ich wieder gerne her! Bedienung sehr freundlich und die Portionen einmalig zu dem Preis!!!
Wir werden heute mal hierbleiben, bevor es morgen zu einem der zehn verseuchtesten Gebiete der Welt nach Semipaladinsk in Kasachstan geht....wer dort war, kommt im wahrsten Sinne des Wortes strahlend daher...na, wir werden sehen...
P.s. Arman, der liebenswürdige und sehr vive Armenier schwärmt schon sehr lange von einem Münchner mit Propeller drauf, er würde ihn auch in Deutschland persönlich holen, nach Armenien / Georgien würd's ihm keinen Zoll kosten, ins Land des Zaren aber 100%...auch das ist Russland...
P.p.s. Und sollte jemand der LeserInnen jemals in die Verlegenheit kommen, in Sibirien Reifen zu brauchen, die Nummer von Konstantin, dem II. findet ihr in den Fotos auf seiner Heckscheibe ;-)))
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