Weg ohne Rundherum

Weg ohne Rundherum
Gratwanderung: Der Binnelgrat in Vorarlberg ist für Stadtmenschen das Tor in die echten Berge. Für einen Bergretter ist er ein Spaziergang.
Weg ohne Rundherum

In den Bergen gibt es meist keinen Graubereich. Sie sind unmittelbar, unmissverständlich. Zum Beispiel auf einem Grat: Auf dem Weg freut man sich über den Ausblick. Zehn Zentimeter daneben stürzt man ab. Es gibt nichts zum Anhalten, kein Schwanken. Wenn man den "Weitwanderweg 01" von Bregenz nach Wien geht, steht man am zweiten Tag auf dem Binnelgrat. Und ist angekommen – in den Bergen und ihrer Deutlichkeit.

Einer wie Gebhard Barbisch sieht das anders, auch wenn er diplomatisch bleibt: "Auch für Einheimische ist das eine Wanderung, bei der man aufpassen muss." Der 53-Jährige ist seit zwölf Jahren Landesleiter der Vorarlberger Bergrettung und will dem Wiener vor Abmarsch das Gefühl einer Bergtour geben. "Wenn es so weiterregnet, können wir nicht gehen, da ist der Grat zu nass."

 

Weg ohne Rundherum

Tatsächlich ist der Binnelgrat für Teilzeit-Wanderer auch trocken eine Herausforderung. Eine halbe Stunde ausgesetzten Geländes mit Seilversicherungen, kleinen Kletterstellen und dem ständigen Bewusstsein, dass ein falscher Schritt der letzte sein würde. Barbisch sieht vor allem die Umgebungs-Schönheit, aber auch die Gefahren. "Gerade hier, wo man immer ins Tal sieht, vergessen manche, dass sie im alpinen Gelände sind. Aber unsere Aufgabe ist es zu retten, nicht zu urteilen."

Diesem Ehrenamt kommt Barbisch 700 Stunden im Jahr nach, betont aber, "nur ein kleines Rädchen" unter knapp 1200 aktiven Vorarlberger Bergrettern zu sein. Geld verdient er als Liegenschaftsverantwortlicher der Diözese Feldkirch. Der Job sei wichtig, "damit ich mir das Ehrenamt leisten kann." Barbischs Augen glänzen, wenn er das sagt. Umrahmt vom wuchtigen Backenbart. Sein Herz schlage für die Berge, er hat alle seine Touren aufgezeichnet, in Text und Bild, einen Meter fülle das im Bücherregal. "Vorigen Winter bin ich zum ersten Mal auf einen unbekannten Gipfelgrat gleich da drüben gegangen", erzählt Barbisch und weiter: "Mit einem meiner beiden Söhne. Der schätzt solche unscheinbaren Touren auch." Wieder blitzen die Augen, aus Vaterstolz, aus Liebe zur Natur oder wegen beidem.

Weg ohne Rundherum

Auf den letzten Metern wird der Binnelgrat flacher, es wachsen Blumen. Das mächtige Gipfelkreuz auf dem Hohen Freschen teilt den Berg in den Alpingrat und die sanfte Almenseite, auf der man das Freschenhaus sieht.

Als Barbisch dort mit dem Hüttenwirt zusammensitzt, machen Erinnerungen und Geschichten die Runde. Barbisch erzählt von Nächten, die er im Schlafsack auf "dem Frösche" (Freschen) verbracht hat. Vom Mont Blanc und vom Mount St. Helens, auf denen er war. Von Menschen reden sie und von Gewittern.

An den Binnelgrat denkt in diesem Moment niemand. Außer dem stillen Wiener, der eben auch am Tisch sitzt.

Vielfältig: Ein Gipfel, viele Aufstiege

 

Mächtiger Start

Der Binnelgrat begegnet einem schon am zweiten Tag, wenn man den "Nordalpinen Weitwanderweg 01" von Bregenz nach Wien geht. Das Gebiet um den Hohen Freschen eignet sich allerdings auch für Tages- und Mehrtagestouren hervorragend. So führen drei unterschiedlich schwierige Wege auf den Gipfel. Jedenfalls ist eine Nacht auf dem Freschenhaus zu empfehlen, um die Blicke über das Rheintal, Bregenz und den Bodensee zu genießen.

Weiterwandern

Von dort führt ein schöner Weg weiter nach Damüls (das man auch am gleichen Tag erreichen kann). In zwei bis vier weiteren Etappen erreicht man Lech und das Arlberggebiet.

Ausrüstung

Wege wie derBinnelgrat werden als "alpine Steige" bezeichnet. Sie erfordern keine Kletterausrüstung, aber den gelegentlichen Einsatz der Hände. Wetterkenntnis, Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Bergschuhe sind Voraussetzung.

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