Sumpf-Paddeln an Alligatoren vorbei: Wildes Juwel Georgia
Kaum legt die Fähre aus St. Marys auf Cumberland Island an, eröffnet sich ein so schönes wie unwirkliches Panorama. Fast glaubt man, man wäre in ein idyllisches und bisschen kitschiges Gemälde gestiegen. Gerahmt von Farnen und mit Spanischem Moos behangenen Eichen steht vor dem leuchtend blauen Meer samt Segelboot plötzlich ein dunkelbraunes Pferd im warmen Sonnenlicht und grast friedlich vor sich hin.
Die Insel im südlichsten Osten des US-Bundesstaats Georgias ist so lang wie Manhattan, trotzdem haben pro Tag nur 300 Gäste die Chance auf solche Aussichten. So hat es der National Park Service bestimmt, der die Insel als Schutzgebiet verwaltet. „Einerseits wollen wir so die Insel schützen, andererseits aber den Besuchern eine einzigartige Erfahrung bieten“, erklärt der Ranger Robin Barker, der an der Anlegestelle die Gäste begrüßt. „Denn so sind sie die meiste Zeit fast völlig allein in der Natur und in dieser sehr ursprünglichen Umgebung.“
Es dauert nicht lange, da haben sich die Besucher auf den Wanderwegen verteilt, die sich über Cumberland Island schlängeln. Die Zeit ist knapp und zu sehen gibt es einiges – vor allem, aber längst nicht nur die vielseitige Natur. Zwischen Lebenseichen und Palmen schafft es die Sonne immer wieder, ihre Strahlen durch Äste und Blätter zu schicken, die schließlich auf dem überwucherten Waldboden landen und dort das Grün noch intensiver leuchten lässt. Märchenhaft. Mystisch geradezu wirkt die Insel hier, die auf eine lange, spannende Geschichte zurückblickt.
Vor rund viertausend Jahren soll sie erstmals besiedelt worden sein, von amerikanischen Ureinwohnern, den Timucuan Indianern, die hier unterschiedliche Nahrungsquellen vorfanden – von Wild bis zu Austern. Sie lebten bis ins frühe 19. Jahrhundert auf der Insel, bis sie vertrieben und ermordet waren. Zwischenzeitlich errichteten Franziskanermönche im 16. Jahrhundert eine Mission. Die britischen Kolonialisten bauten Forts an den beiden Inselenden. Und es entstand eine große Baumwollplantage mit mehreren hundert Sklaven, die bis zum Bürgerkrieg in Betrieb war.
Dass Cumberland Island wie manch andere Insel der südlichen US-Ostküste früher auch Rückzugsort einer superreichen Familie war, kann man sich gut vorstellen, sobald man bei den Erkundungen Dungeness Manor erreicht. Lucy und Thomas Carnegie, der Bruder des berühmten Stahl-Magnaten Andrew Carnegie, kauften Ende des 19. Jahrhunderts große Teile der Insel und ließen die Villa für sich, ihre neun Kinder und ihren luxuriösen Lebensstil bauen. Die Familie lebte allerdings schon lange nicht mehr in den 59 Zimmern, als ein Brandstifter das Haus in den 1950ern in Brand setzte. Übrig geblieben ist eine heute sehr fotogene Ruine. Ein anderes Souvenir der Carnegie-Zeit sind die Pferde, die irgendwann sich selbst überlassen wurden und mittlerweile auf der ganzen Insel anzutreffen sind.
Im Sumpf
So viel bewegte Historie wie Cumberland Island haben die Okefenokee Sümpfe nicht. Dafür kann man dort – ebenfalls im Südosten Georgias, auf dem Festland etwa eine Autostunde entfernt – noch eine andere wilde Seite des Bundesstaates entdecken. „Wir haben hier den größten, intakten Frischwasser-Sumpf Nordamerikas“, berichtet die Rangerin Susan Heisey. „Im frühen 19. Jahrhundert versuchte man, das Land nutzbar zu machen und wollte Landwirtschaft betreiben.“ Daraus wurde letztlich nichts. An diese Eingriffe erinnert aber noch der alte Hauptkanal, der vom Besucherzentrum schnurgerade in die Sumpflandschaft führt und auf dem das überdachte Besucherboot gemächlich lostuckert.
Am Steuer sitzt Guide Jenn Hogen, die die Landschaft so liebt, dass sie sich „Okefenokee“ auf ihr Handgelenk tätowieren ließ. Der Name stammt von den Ureinwohnern, die hier einst siedelten und bedeutet so viel wie „die Erde, die wackelt“, erklärt sie. Der Sumpf bestünde schließlich zu weiten Teilen aus Torf und der bewegt sich, wenn man ihn betritt. Während sie von Landschaft und Tieren erzählt, hat sich Jenn entspannt im Sitz zurückgelehnt und die roten Cowgirl-Stiefel ausgezogen. Bei aller Lässigkeit hat sie das Ufer aber genau im Blick. Es gibt zahlreiche Tierarten im Sumpf: Eine Eule hockt gut getarnt auf einem Ast. Ein Specht bearbeitet die Rinde eines Baumes. Kleine Schildkröten sitzen auf einem Ast im Wasser. Und ein Fischreiher breitet seine Flügel aus und fliegt los, als er das Boot entdeckt.
Die Hauptattraktion sind die Alligatoren und die kann man bei der anschließenden Kajaktour noch etwas besser beobachten. „Rund 15.000 leben hier“, berichtet Rangerin Susan Heisey. Angst brauche man trotz des großen Mauls und der scharfen Zähne nicht haben. Menschen stünden nicht auf dem Menü. Nur: Keinesfalls sollte man die Reptilien füttern, weil sie sich sonst an Menschen gewöhnen. Und zu nahe kommen soll man ihnen natürlich nicht.
Wildpferde und Gürteltiere
Selbst aus der Distanz erkennt man am Ufer immer wieder Schnauzen an der Wasseroberfläche und Augen, die die Geschehnisse um sie präzise im Blick behalten. So faszinierend das ist: Schließlich muss zurückgepaddelt werden, denn die Sonne senkt sich und die Zypressen mit dem Spanischen Moos werden auf den letzten Metern zu geisterhaften Silhouetten.
Zurück auf Cumberland Island brennt die Sonne am frühen Nachmittag intensiv vom Himmel. Abgesehen von den Wildpferden lassen sich an den Dungeness Ruinen lediglich Gürteltiere blicken, die durch das Laub rascheln und mit ihrem geringelten Panzer durch die Büsche wackeln. Ziemlich herzig sind die – und damit ganz anders als die vielen Mücken, denen das härteste Moskito-Schutzspray offenbar nichts ausmacht. Sie stürzen sich auf die Inselbesucher, denen nur die Flucht über den Dünen-Weg an die Ostküste bleibt, wo der Atlantik auf die Insel trifft. Dort weht nicht nur angenehmer Wind, dort ist auch der breite, 25 Kilometer lange, weiß feinsandige Strand. Fast könnte man glauben, man sei auf einer ganz anderen Insel. Nichts stört den Eindruck paradiesischer Natur. Keine Docks. Keine Häuser. Und menschenleer ist der Strand auch. Fast zumindest. Nur ein Pärchen steht im Wasser und angelt. Strandläufer rennen durch den Sand und den Wellen nach. Möwen gleiten durch die salzige Luft. Zu gern würde man hier ein paar Tage bleiben, campen, kajaken, sich von den Mücken weiter durch die Wälder mit den märchenhaften Eichen jagen lassen oder mit dem Fahrrad bis ans andere Ende fahren. Doch es geht zurück von der wilderen Seite Georgias in die Zivilisation. Die Fähre legt pünktlich wieder Richtung St. Marys ab.
Anreise Von Wien z. B. mit KLM/Delta via Amsterdam oder mit Airfrance via Paris nach Atlanta, weiter mit dem Mietwagen
Unterkünfte
– Spencer House Inn im Küstenort St. Marys:
Bed & Breakfast nahe der Abfahrtsstelle der Fähre nach Cumberland Island. spencerhouseinn.com
–The Inn at Folkston in Folkston: Guter Ausgangspunkt für Ausflüge in den Okefenokee Sumpf. innatfolkston.com
Cumberland Island Die Anzahl der Fährtickets pro Tag ist begrenzt, rechtzeitig buchen! Hin- und Rückfahrt ca. 28 Dollar. Dazu kommt der Parkeintritt für 10 Dollar pro Person. Auf der Insel können u.a. Räder gemietet werden (16 Dollar/Tag). cumberlandislandferry.com
Okefenokee National Wildlife Refuge
5 Dollar Eintritt pro Auto, der für sieben Tage gültig ist. fws.gov/refuge/okefenokee
– Im Besucherzentrum kann man bei „Okefenokee Adventures“ u.a. Fahrräder, Kajaks und unterschiedlichste geführte Outdoor-Aktivitäten buchen. okefenokeeadventures.com
Auskunft
– Cumberland Island National Seashore Visitors Center nps.gov/cuis
– Visit Georgia: georgia-usa.de
– Prosepektbestellung Georgia z. B. bei Visit-USA in Wien: visit-usa.at
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