China zwischen Tradition und Größenwahn
Was für eine Stadt! Schanghai, mit 21,3 Millionen offiziellen und fünf Millionen inoffiziellen Einwohnern fünfzehn Mal so groß wie Wien, ist ein Ereignis. Ein Superlativ. In Pudong, wo früher Bauern Landwirtschaft betrieben, findet jetzt der Wettlauf der Wolkenkratzer statt: Den spektakulärsten Ausblick gibt’s bei klarem Wetter in 474 Metern Höhe aus dem 100. Stockwerk des Schanghaier Weltfinanzzentrums, das den Spitznamen "Flaschenöffner" hat. Es bildet mit dem neuen, 632 Meter hohen Shanghai Tower, der heuer im Sommer als höchstes Gebäude Chinas und zweithöchster Turm weltweit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, und dem Jin Mao Tower (420 m) ein Ensemble.
Aufbruch Ost
Und erst die Straßen: Fünf übereinander auf Stelzen mit jeweils vier Spuren in jede Fahrtrichtung sollen den Verkehr in Bewegung halten. So kann einer im zehnten Stock wohnen und direkt vor seinem Fenster führt die Autobahn vorbei. Die ganze Stadt fühlt sich an wie eine gigantische Shopping Mall. In der Nanjing Road locken neben ausländischen Marken, die auch hierzulande überall zu finden sind, immer öfter auch chinesische Ketten wie "Youngor". Das ehemalige französische Viertel aus der Kolonialzeit erstreckt sich östlich der modernen Einkaufsstraße Huaihai Lu. Abseits gewinnt man noch einen kleinen Eindruck der kolonialen Atmosphäre. Mit Glück findet man noch Apartmenthäuser im Stil des Art déco. Entlang der Xinhua Lu säumen sich Restaurants, Bars und Boutiquen. Etwas versteckt liegen hier einige Kolonialvillen. Alt und Modern reiben sich hier aneinander.
An ihre europäischen Wurzeln erinnert auch das Interieur des "Waldorf Astoria" oder die Fassade des "Peace Hotel" an der Huaihai Lu. In den 30er-Jahren, damals noch als "The Cathay", war es Statusherberge für europäische Luxustouristen, u.a. für den britischen Dramatiker und Schauspieler Noël Coward ("Unser Mann in Havanna").
In den Nischen hinter den Sprossenfenstern scheint die Zeit zu verschwimmen, zumindest solange man an seiner Tasse Tee nippt, der mit Wachteleiern serviert wird. Über den Teich führt eine Zickzackbrücke, die die bösen Geister abhalten soll. Denn die Chinesen glauben, dass Geister nur geradeaus gehen. Queen Elizabeth hat hier schon Tee getrunken, Bill Clinton und Wladimir Putin auch.
Guilin
Ganz ohne Rummel kommt im Süden Chinas eine Naturkulisse aus Fels, Wald, Wasser und Wolken aus, die wie ein Traumgebilde am Auge vorüberzieht. Wegen der Flüsse und Seen preisen die Chinesen Guilin "als das Schönste unter dem Himmel".
Am Boot bei der Fahrt auf dem Li-Fluss durch eine Bilderbuchlandschaft in der Provinz Guangxi wird Schlangenschnaps kredenzt. "Der Fluss gleicht einem seidenen grünen Band, und die Hügel sind wie türkisfarbene Haarnadeln aus Jade", schrieb der Gelehrte Han Yu (768 - 834). Was dem Österreicher die Wachau, ist dem Chinesen das tausendfach beschriebene, gemalte und fotografierte Idyll mit von Bambusbäumen überwachsenen, kegelförmigen Karstbergen. Die haben in der bildhaften Sprache der Chinesen Namen wie "Acht Unsterbliche kreuzen den Fluss" oder "Großvater betrachtet einen Apfel". Im Ort sind neue Hotels und Shopping-Malls in Bau und Riesenplakate versprechen heute schon die Konsumfreuden von morgen: "Prada is coming soon ..."
"Die Schönheit der Berge von Guilin übertrifft die Schönheit aller Schätze der Welt. Nur die Berge bei Yangshuo sind noch schöner", sagen die Chinesen. Ein kleines Wunder ist unser nächstes Reiseziel: Das Städtchen Longsheng liegt in einer bezaubernden Landschaft in der Gebirgsregion ungefähr 100 km nordöstlich von Guilin. Von dort geht’s nur mehr zu Fuß weiter in die abgelegenen Bergdörfer, die mitten im Anbaugebiet mit terrassierten Reisfeldern liegen.
Eine Taverne am Wegesrand lockt mit lokalen kulinarischen Köstlichkeiten: geräucherte Ratten und Schlangen hängen an einem Seil über dem Grill. Schmackhaft? Eher Geschmackssache. Die Aufschrift auf der Schürze des Küchenfräuleins an diesem entlegenen Ort erstaunt: "Playgirl". Wir entscheiden uns für im Bambusrohr gegarten Reis. Eine gute Wahl.
Im Mallorca der Volksrepublik. Jahrhunderte lang galt sie den Chinesen als Brutstätte von Armut und Barbarentum – die Insel Hainan, Chinas südlichste Provinz, die man einst für „das Ende der Welt“ hielt. Einer der schönsten Strände – geprägt von großen runden Felsbrocken, die sich wie riesige Murmeln zwischen Hügelketten und türkisfarbenem Wasser formieren – trägt heute diesen Namen.
Chinas Modernisierungseuphorie hat längst auch jenen tropischen Ort erreicht, an den während der Kaiserzeit die unliebsamen Hofbeamten ins Exil verschickt wurden, die bei der Obrigkeit in Ungnade gefallen waren. Deng Xiaoping machte die Peking-ferne Insel 1988 zum kapitalistischen Experimentierfeld: Hainan wurde zur größten der neuen „Sonderwirtschaftszonen“, in denen weitgehende Handels-, Investitions- und Steuerfreiheit galt und bis heute gilt. Hainan – zwei Flugstunden von Hongkong und Kanton entfernt – ist mit 300 Sonnentagen pro Jahr, durchschnittlich 25 Grad im Schatten, kilometerlangen weißen Stränden, Orchideen und Kokospalmen eine beliebte Destination für Chinas neue Mittelschicht, vor allem im immer milden Winter. Und für Honeymooner aus Asien oder jene bis zu 100 Brautpaare, die sich beim dreitägigen Hochzeitsfestival am Strand der Insel gleichzeitig das Jawort geben.
Ideal aber auch für Touristen aus dem Ausland, die vor oder nach einer China-Rundreise ihre Sehnsucht nach einer Sonneninsel stillen wollen.
Das „Hawai des Ostens“ lockt mit Golfplätzen, strahlend blauem Himmel, Traumstränden, klarem Wasser und fast unberührter Natur. Die Hauptstadt Haikou liegt im Norden, die Tourismusmetropole Sanya mit der mittlerweile höchsten Dichte an Fünf-Sterne-Hotels in ganz China im Süden. Wobei die meisten chinesischen Hainan-Touristen kurioserweise zwar Strandurlaub buchen, aber am Baden im Meer nicht interessiert sind, genauso wenig wie am Sonnenbaden. Lieber geht man hier mit einem Sonnenschirm spazieren und begibt sich allenfalls bis zu den Knien ins Wasser.
Wohin in Schanghai An smogfreien Tagen: Dachterrasse des Flair im 58. Stock des Ritz-Carlton Hotels in Pudong; oder die Vue Bar im 30. Stock des Hyatt on the Bund.
Hotel-TippGolden River-view Hotel Shanghai Nr.308, Hengfeng Road, Zhabei, in zentraler Lage. Oder in höchsten Höhen: das „Park Hyatt Shanghai“ in der 79. bis 92. Etage des Shanghai World Financial Centre, auch „Flaschenöffner“ genannt.
Essen Unter 40.000 Restaurants der Stadt herausragend: „Lost Heaven“ serviert Köstlichkeiten aus der Yunnan Küche Südwestchinas nahe am Bund. Und „Le Saleya“, Changle Lu Road 570, französisches Bistro mit Efeu bewachsener Terrasse im Herzen von French Concession.
Shopping Die Nanjing Lu ist mit 10 km eine der längsten Einkaufsstraßen der Welt und zugleich die wohl bekannteste Shoppingmeile von Schanghai. Weniger touristisch: In der Huaihai Lu, 30 Gehminuten nordöstlich der Nanjing West Road, schmücken luxuriöse Marken wie Louis Vuitton, Cartier, Gucci oder Tiffany & Co. die Schaufenster der verschiedenen Boutiquen.
Flussfahrt auf dem Li 83 km misst die Strecke zwischen Guilin und Yangshuo, die den Li Jiang, einen Nebenarm des Perlflusses, welt- berühmt gemacht hat. Dutzende Touristenboote gleiten täglich durch das „Bilderbuch der hundert Meilen“ in eine Traumwelt steil aufragender Felshänge und skurriler Karstkegel.
Longsheng Ein Besuch lohnt zu allen Jahreszeiten. Die spiegelgleichen Reisterrassen sind am besten von Mitte April bis Ende Juni zu sehen, die grünen Terrassen zwischen Juli und Mitte September, die goldenen Terrassen von Ende September bis Mitte Oktober, der Erntezeit für den gelben Reis.
Auskünfte Asien-Spezialist Shangri-La Tours organisiert Studien-, Gesundheits-, Gruppen- und auf Wunsch auch Individual- Reisen in ganz China;
Wien 1., Doblhoffgasse 7/6A, 01/524 66 89 mail:kultur@shangri-la.at
www.shangri-la.at
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