Reise auf den Spuren der Menschheit

Paul Salopek beruhigt sein Kamel während seine Reisebegleiter das Gepäck neu ordnen.
Paul Salopek begann seine Wanderung in Äthiopien, wo einige der ältesten Knochen des Homo sapiens gefunden wurden.
Reise auf den Spuren der Menschheit
Ich bin einer Idee auf der Spur, einer Geschichte, vielleicht auch einem Wahn. Ich jage Geistern hinterher." Das sagt Paul Salopek, dessen Geschichte "Der lange Weg in die Welt – Auf den Spuren der Menschheit" das März-Cover von National Geographic Deutschland ziert. Ausgehend vom Geburtsort der Menschheit im Großen Afrikanischen Grabenbruch, folgt Salopek zu Fuß den Pfaden jener Vorfahren, die vor mindestens 60.000 Jahren als Erste die Welt entdeckten.

Es ist die mit Abstand größte vorstellbare Reise. Weil der frühe Homo sapiens, der als Erster über die Grenzen des Mutterkontinents hinauswanderte – alles in allem zählten diese Pioniere kaum ein paar hundert –, uns auch Eigenschaften vermacht hat, die wir heute mit dem voll entwickelten Menschsein verbinden: komplexe Sprache, abstraktes Denken; den Drang, Kunst herzustellen; das Talent zum technologischen Fortschritt.

Mithilfe fossiler Funde sowie der Genografie – einer Wissenschaft, die die DNA lebender Völker nach Mutationen durchsiebt, die dazu beitragen können, einstige Migrationsbewegungen aufzuspüren – wandert Salopek von Afrika aus gen Norden in den Nahen Osten. Von dort führt die Route östlich über die weiten Schotterebenen Asiens nach China, dann nach Sibirien. In Russland wird der US-Journalist ein Schiff nach Alaska besteigen, um sich dann Schritt für Schritt die Westküste der Neuen Welt bis Feuerland hinunterzubewegen. Gesamtweglänge: 33.800 Kilometer.

"Ich habe mich auf diesen ,Out of Eden Walk’, wie ich mein Vorhaben nenne, eingelassen, um im menschlichen Tempo von fünf Kilometern pro Stunde die Konturen unseres Planeten neu kennenzulernen. Ich wandere, wie jeder, um zu sehen, was vor mir liegt. Ich wandere, um mich zu erinnern." Und so beschreibt der zweifache Pulitzer-Preisträger den Beginn seiner Reise im Jänner 2013:

Herto Bouri, Äthiopien: Die Lasttiere, die ich Monate zuvor angefordert hatte, schienen nirgends auffindbar. Ihre Treiber, zwei Nomaden namens Mohammed Aidahis und Kader Yarri, blieben ebenfalls verschwunden. Sie tauchten auch nicht mehr auf. Also saßen wir im Staub und warteten. Die Sonne stieg. Es wurde allmählich heiß. Fliegen summten. Das Afar­Dreieck im Nordosten Äthiopiens ist als wasserlose Mondlandschaft gefürchtet. Temperaturen bis zu 50 Grad. Salzpfannen, so hell, dass sie einem die Augen ausbrennen. Aber heute hat es geregnet. Elema und ich haben keine wasserdichten Zelte. Wir haben zwei Kamele gefunden und gemietet. Jetzt zuckeln wir über eine von den warmen Regentropfen schokoladenbraun gefärbte Akazienebene.
Hadar, Äthiopien: Wenn man Durst hat, verändert sich die Welt. Sie schrumpft. Sie verliert an Tiefe. Der Horizont rückt näher. Es ist das durstige Gehirn, das die Entfernungen des Grabenbruchs komprimiert, die Kilometer durch die Augen saugt, sie vergrößert, nach der kleinsten Andeutung von Wasser absucht.
Dubti, Äthiopien: Erst gen Norden, dann gen Westen wandernd, lassen wir die Wüste hinter uns und stoßen mit den Zehen an das Anthropozän – das Zeitalter des modernen Menschen. Asphalt taucht auf: die Straße zwischen Dschibuti und Äthiopien, vom Lastwagenverkehr dröhnend.
Vor der dschibutischen Grenze: Unter uns erstreckt sich die kleine Republik Dschibuti: eine verbrannte Ebene, heißer und trockener als die äthiopische Wüste, mit ausgedörrten Seebetten aus grellweißem Salz, metallgrauen Abbruchkanten und zweifelsfrei, irgendwo im Schatten einer Palme kauernd, weiteren Afar-Nomaden.

Wie geht es weiter?

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