Petra: Mysterium in der Wüste

Petra: Mysterium in der Wüste
Vor 200 Jahren entdeckte Johann Ludwig Burckhardt Petra wieder. Heute enträtseln Archäologen die sagenumwobene Felsenstadt.
Petra: Mysterium in der Wüste

August 1812: Scheich Ibrahim sitzt im Bergland von Edom in Jordanien. Der junge Mann mit dem so islamisch anmutenden Bart und Durban ist ein Fremder und als solcher wird er auch behandelt – mit Argwohn. Dabei möchte er unbedingt jene sagenumwobene Stadt sehen, von der er nur gerüchteweise gehört hat – "Al-Batrā". Also ersinnt er eine List: Er behauptet, er wolle am nahe gelegenen Grab von Moses Bruder Aaron ein Opfer darbringen. Doch um dorthin zu gelangen, muss man durch ganz Petra reiten. Und so kommt es, dass er am 22. August 1812 den Siq durchquert und die mysteriöse Felsenstadt für die westliche Welt wiederentdeckt. Denn Scheich Ibrahim heißt in Wahrheit Johann Ludwig Burckhardt und ist ein Schweizer Wissenschaftler und Entdecker.

200 Jahre später: Stephan Schmid sitzt im Bergland von Edom in Jordanien, hat sein schwarz-weißes Beduinentuch zum Durban geschlungen und blickt vom Hausberg aus auf die gesamte antike Stadt Petra mit ihren monumentalen, aus dem Fels geschlagenen Fassaden zu seinen Füßen. Auf dem schwer zugänglichen, staubtrockenen Umm al-Bijara ("Mutter der Zisternen") gräbt der Forscher der Humbold-Universität zu Berlin nach Spuren der Nabatäer. Mit Erfolg: "Die Sommerresidenz der Könige wird derzeit freigelegt", sagt er.

Luxusbad

Der Archäologe hat soeben Hunderte Felsstufen zum Gipfel erklommen. Und keucht. Das erinnert daran, dass auch in der Antike alles heraufgeschleppt werden musste – Wannen inklusive. Das Bad besaß gleich zwei davon, haben die Archäologen festgestellt: Eine für die private Entspannung, die zweite groß genug fürs Gruppenplanschen. Boden und Wände waren beheizt, die Notdurft verrichtete man über fließendem Wasser – und das bei unglaublicher Aussicht. Die Gebäude hängen mehr als 300 Meter über der Stadt an der Kante des Gipfelplateaus. Direkt hinter dem Kachel-Boden gähnt der Abgrund.

"Verrückt!", sagt Schmid. "Dort oben auf dem Berg haben die sich eine Luxusbadeanlage nach römischem Vorbild gebaut. Kein Hauch von Provinz." Schmid vergleicht Petra gerne mit Las Vegas: "Hier entwickelt man eine Vorliebe, an unmöglichen Orten zu bauen – einfach, um zu zeigen, dass man es kann. "

Die Entdeckung der Therme beweist, zu welchen unglaublichen Leistungen die Nabatäer fähig waren. Mitten in der Wüste war der Aufwand für den Betrieb der Anlage beachtlich. Das Wasser gewannen sie mithilfe eines genialen Systems: Bei Regen strömte es durch viele in den Sandstein gehauene Leitungen in gewaltige Zisternen, die Hunderttausende Liter aufnehmen konnten. Allein auf der Umm al-Bijara haben die Archäologen acht Zisternen entdeckt, insgesamt sind in Petra mehrere hundert dokumentiert. Bis heute füllen sie sich bei Platzregen innerhalb von Minuten. Das lässt erahnen, wie die Nabatäer das Kunststück fertigbrachten, eine Großstadt mitten in der Wüste mit Wasser zu versorgen – ohne die Tanklaster, die heute ständig durch die Gegend rollen.

200 Jahre weiß die Welt jetzt um die Existenz von Petra, sie zieht von Jahr zu Jahr mehr Touristen an und war sogar Film-Kulisse. Fast alle der 628 Fassaden-Gräber sind frei zugänglich, Kletterkünste vorausgesetzt – aber kaum zehn sind komplett erforscht; ob Holzsärge oder Steinsarkophage verwendet wurden – keiner weiß es. Die Stadt ist Terra incognita. Daher arbeitet Archäologe Schmid an drei verschiedenen Projekten mit, die "alle unter dem Oberbegriff der Suche nach den Nabatäischen Königsresidenzen stehen".

Hauptpalast

Petra: Mysterium in der Wüste

Denn das, was Besucher heute von Petra schwärmen lässt, sind Grabtempel. Das hat selbst Experten zu einem Irrtum verleitet: "Lange glaubte man, Petra sei eine Stadt für Tote und Götter gewesen, und die Leute hätten woanders gewohnt", sagt Schmid. "Doch es war die Hauptstadt der Nabatäer – mit Königen, die irgendwo gewohnt haben müssen." Neben der Sommerresidenz muss es einen Hauptpalast gegeben haben. "Irgendwo müssen sie ihre Zentrale gehabt haben – wahrscheinlich im Stadtzentrum." Nach der wird ebenfalls eifrig gefahndet.

Dass Petra dort ist, wo es ist, sei eigentlich ein Wunder: "Man hat schlechte Fernsicht, ist den Naturgewalten, etwa Springfluten, ausgesetzt, muss enormen Aufwand betreiben, damit die Stadt mitten in der Wüste funktioniert. Das war wohl erst möglich, als einer der Scheichs sich durchsetzte und das Gemeinschaftsunternehmen Petra startete", sagt der Archäologe.

Vor etwa 2500 Jahren drangen die Nabatäer aus Arabien ins heutige Jordanien vor. Zwar war das Land trocken und karg, doch bei Petra kreuzten sich mehrere Handelsrouten zwischen Ägypten, Arabien und dem Mittelmeer – darunter die Weihrauchstraße. Die Kontrolle über das Gebiet glich einem Hauptgewinn.

Sicher ist, dass die Nabatäer ihre Gräber, Luxusbäder, Wohnhäuser, Staudämme, kilometerlangen Wasserleitungen und Wachtürme innerhalb weniger Jahrzehnte aus dem Sandstein gehauen haben. Schmid: "Petra, wie es der Besucher heute erlebt, ist nur ein Bruchteil der antiken Metropole. Ringförmig legte sich das Stadtgebiet um die alten Tempel und Gräber." Wie viele Leute haben dort gewohnt? Der Archäologe will sich nicht festlegen. "Im Theater sollen mehr als 3000 Leute Platz gefunden haben."

Lebensader

Wer bereit ist, den entsprechenden Aufwand zu betreiben – Terrassierung und Bewässerung – kann das Gebiet recht gut fruchtbar machen: "Oliven, Trauben und Getreide wurde hier angebaut", sagt Schmid.

Genau diesen Aufwand wollten sich die Römer nicht leisten. Und nachdem sie Petra 106 n. Chr. unter ihr Regime gebracht hatten, begann der Niedergang. Petra geriet in Vergessenheit – bis nur noch einige Gelehrte Gerüchte über eine sagenhafte in Stein gehauene Stadt kannten. Womit wir wieder am Anfang der Geschichte angelangt wären.

Zur Person: Johann Ludwig Burckhardt

Der Name von Johann Ludwig Burckhardt ist untrennbar mit zwei Sehnsuchtsorten der Menschheit verbunden: Der Schweizer entdeckte neben Petra auch Abu Simbel. 1784 in Lausanne in eine alte Patrizierfamilie geboren, erhielt er 1806 von der britischen African Association den Auftrag zu einer Expedition an den Niger. Er studierte Arabisch, Astronomie, Medizin, Chemie und Mineralogie und schiffte 1809 in Malta ein. Über Aleppo ging es zu den heiligen Stätten des Islam. Forscher Burckhard war einer der ersten Europäer, der Mekka zu Gesicht bekam – als Scheich Ibrahim. Er schrieb seine Eindrücke von der fremden Welt nachts heimlich aus dem Gedächtnis nieder – systematisch, nüchtern, ganz sachlicher Wissenschaftler. 1817 starb er in Kairo an der Ruhr, ohne sein eigentliches Ziel, den Niger, erreicht zu haben.

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