© Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber
Mostviertel: schöne kleine Welt
New York und Bangkok, die Eiswelt Alaskas, Südsee-Paradies Bora Bora – und das Mostviertel. Oder: Wie ein international gefeierter Fotograf die Liebe zur Landschaft seiner Kindheit entdeckte. Und ihr mit dem schönsten Fotoband des Frühlings ein Denkmal setzt.
Das ist doch alles nichts Besonderes!", dachte Lois Lammerhuber, als er vor mehr als 30 Jahren den Auftrag für eine Fotoreportage über das Mostviertel bekam. Und: "Was soll ich da schon fotografieren? Da gibt’s doch nichts ..."
Österreich, Niederösterreich, Mostviertel
© Bild: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber
Er musste es wissen. Immerhin ist Lois Lammerhuber in
St. Peter in der Au im westlichen
Mostviertel geboren und aufgewachsen. Um sofort nach der Matura zuerst nach
Wien und dann in die Welt hinauszuziehen. Und das
Mostviertel zurückzulassen, gegen exotische Plätze wie
Bora Bora, tropische Regenwälder, die endlose Weite der
Serengeti und die wilde Eislandschaft
Alaskas zu tauschen. "Als Kind nutzt man die Welt, in der man lebt meist eher gedankenlos. Die Dinge, Wiesen, Hügel oder Wälder sind einfach da." So musste Lammerhuber die Landschaft seiner Kindheit für sich erst neu entdecken. Mit einem Text von
Christoph Ransmayr wurde daraus die legendäre Reportage "Die vergorene Welt".
Österreich, Niederösterreich,Mostviertel
© Bild: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber
Danach ging der junge Mann aus dem
Mostviertel wieder weg, reiste erneut an die entlegensten Orte der Erde, wurde Mitglied des
Art Directors Club New York, drei Mal infolge zum besten Fotografen der Welt gewählt und bekam das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Geblieben ist seine neuentdeckte Liebe zur kleinen, so überschaubaren Welt, in der er seine frühen Jahre verbracht hatte. Wie das Land hier 400 Höhenmeter zur
Donau abfällt, um sich dann für den Blick des Betrachters zu weiten, bis zur Krümmung des Horizonts jenseits des Flusses. Die 200.000 Mostbirnbäume - in Blüte oder mit Raureif bedeckt, egal. Die Windpflanzungen auf den sanften Hügeln, den Nebel in den Tälern, die schmalen Straßen, die sich an den Grat zwischen
Kürnberg und Sonntagberg schmiegen. Und ja, natürlich auch die berühmten Vierkant-Höfe, streng geometrisch und doch so perfekt ins weich geschwungene Land passend. Sie wirken einfach, als wären sie schon immer da gewesen und machen aus einem Obstbauern beinahe so etwas wie einen Burgherrn.
Österreich, Niederösterreich, Mostviertel, Frühling
© Bild: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber
Nicht ganz unpassend nennt sich eine Gruppe von Mostproduzenten aus der Region seit einiger Zeit "Mostbarone". Mehr als 220 Meter Umfang haben die großen Höfe wie Katzwimmer in Haidershofen und Huber in Hofkirchen oder der alte Samhub, der größte von allen, der heute zwischen Westautobahn, Bundesstraße und Eisenbahn eingekesselt ist. 120 Birnbäume standen vor seiner Haustür, wo jetzt die Autokolonnen von Wien nach Salzburg oder von Salzburg nach Wien unterwegs sind. Über eine Million soll es im Mostviertel vor 1938 gegeben haben. In den Innenhöfen gab es eigene Ziegelbrennöfen, seit italienische Gastarbeiter, die für den Bau der Eisenbahn im Land waren, diese Technik in der Region populär gemacht hatten. Davor wurden die Vierkanter meist aus Lehmziegeln gebaut – wer sich danach den Ofen und die italienischen Spezialisten leisten konnte, ließ seinen Hof meist unverputzt ...
Österreich, Niederösterreich, Mostviertel, Frühling
© Bild: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber
Vor zehn Jahren begann Lois Lammerhuber auf den Wanderungen, Spaziergängen und -fahrten mit seiner Mutter, die nie aus dem
Mostviertel fortgezogen ist, die
Kamera mitzunehmen. Um das festzuhalten, was er seit seiner Kindheit in sich trug. "Warum tut mir das so gut?", hat er sich gefragt. Weil: "Es ist ja überall irgendwie schön. Oft sogar spektakulär schön. Aber gerade das Spektakuläre kann einem Besucher zu schaffen machen. Beim
Matterhorn etwa geht’s nur ums Ankommen – dabei ist die Landschaft auf dem Weg auch schon atemberaubend. Vielleicht passen diese Landschaften einfach nicht in mich hinein. Das
Mostviertel passt zu mir. Und ich zu ihm."
Österreich, Niederösterreich, Mostviertel
© Bild: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber
Gemeinsam mit der Literatin und Landsfrau Evelyn Schlag ("Die göttliche Ordnung der Begierden"), die aus Waidhofen kommt, hat er jetzt dem Mostviertel ein Buch mit seinen schönsten Bildern und traumhaften Texten gewidmet. Und hat die Antwort auf seine Frage gefunden: "Es gibt nichts. Und deshalb steht auch nichts im Weg. Es ist die schönste Landschaft der Welt."
Österreich, Niederösterreich, Mostviertel, Buchcover die schönste Landschaft der Welt
© Bild: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber
Buch-Tipp:
Evelyn Schlag/Lois Lammerhuber: "Die schönste Landschaft der Welt", 254 Seiten
(Edition Lammerhuber)
Veranstaltungs-Tipp: Buchpräsentation mit Evelyn Schlag und Lois Lammerhuber am 27. März im Porgy & Bess, Riemergasse 11, 1010 Wien, 19.00 Uhr, www.porgy.at
„Fährt man in bekanntere
Landschaften, erwarten einen
touristische Höhepunkte. Das, was dazwischen
liegt, wird oft vernachlässigt. In unserer
Landschaft kann das nicht passieren,
wir sind nie „zwischen da und dort“ oder
„auf dem Weg nach“, nichts lenkt uns ab, denn
die Landschaft stimmt mit uns überein.“
( kurier.at ) | 03/25/2017, 05:00 AM
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