Marco Polo: Der erste Reisereporter
Marco Polo gilt als einer der bedeutendsten Reisenden, die je gelebt haben. Er war Vorbild für Forscher, die ihm nachfolgten, allen voran für Christoph Columbus. Dennoch bleibt die viel zitierte Frage: Was war seine Leistung?
Wenig ist gesichert. 1271 verlässt der Spross eines venezianischen Handelshauses als junger Mann Venedig, gemeinsam mit seinem Vater und seinem Onkel, die die Tour nach Fernost bereits einmal auf sich genommen hatten. Auch war Asien aus europäischer Sicht kein weißer Fleck, immerhin hatten die Kreuzfahrer befestigte Städte im Nahen Osten, von denen Akko in West-Galiläa die wichtigste war. Die Venezianer besaßen dort einen Stadtteil. "Im 13. und 14. Jahrhundert reisten Hunderte, vielleicht Tausende Europäer nach Asien", sagt Thomas Ertl, Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters an der Universität Wien. Diese Händler verfassten Kaufmannsbücher, in denen die wichtigsten Informationen über neue, lukrative Märkte, Handelsrouten und Währungen enthalten waren, und von denen einige erhalten sind. Diese Reisenden waren keine Forscher, sondern sie waren mit lokalen Führern und auf Kamelen auf der sicheren Seidenstraße unterwegs.
Dennoch ist Polos Reise etwas Besonderes. Da wäre einmal ihre lange Dauer von 24 Jahren. Polos Bericht schöpfte daher aus umfangreichen Erfahrungen, aus erster Hand und von Quellen vor Ort. 1295 kehrte Polo zurück. Er heiratete reich, hatte drei Töchter und einen mongolischen Sklaven, und er hinterließ ein Testament. Das sind die Eckdaten seiner Vita, aber es sind Randfakten, "wir wissen, dass er gelebt hat, viel mehr nicht", sagt Ertl.
Es gilt in der modernen Forschung auch als gesichert, dass Polo die Reise unternommen hat. Die Tatsache, dass er in der Geschichtsschreibung des Kaiserhofs nicht erwähnt wird, wundert den Experten nicht. "Polo hat seine Stellung bei Hof sicherlich überhöht, er war nie Gouverneur und vermutlich auch nicht Vertrauter des Großkhans." Seine Missionen im Auftrag des Großkhans sind vermutlich frei erfunden. Diese Übertreibungen trugen Polo daheim den Spitznamen "Il Milione" (Die Million) ein.
Polos Reisebericht wurde ein Bestseller, auch wenn unklar ist, ob er selbst die Ur-Fassung erstellte oder ein Ghostwriter. Ertl hat Polo gelesen, sein Fazit: "Staubtrocken, ziemlich langweilig, aber informativ". Illustratoren im Mittelalter malten ihre Ausgaben mit Fantasiegestalten aus, um das Buch spannender zu gestalten. Die Kirche nutzte die Beschreibungen von Kannibalen und keuschen Frauen im Osten für ihre Moralpredigten. "Es dauerte mehrere Generationen, bis sich die Gelehrten dafür interessierten, was an geografischem Wissen in Polos Bericht steckt." Im 15. Jahrhundert beflügelten jene Passagen, in denen der Kaufmann Polo von Gold berichtete, die Fantasie der europäischen Entdecker.
Ein nüchterner Geist?
Polos Bericht besteht aus zwei Teilen, einem kürzeren ersten Teil, der in dürren Worten die Reise und ihre Stationen schildert. Der zweite, längere, Teil ist der Geschichte der Mongolen gewidmet, und liefert eine präzise topografische Beschreibung des Reichs und seiner Städte. Was Ertl noch aus Polos Bericht herausliest? „Der Autor war ein nüchterner Geist. Er hebt sich ab von der Tradition, die den fernen Osten und seine Völker mit biblischen Geschichten und Fantasiegestalten in Zusammenhang bringt. Er hat ein Dokument erstellt, das auf einzigartige Weise Wissenslücken über Ost-Asien schloss.“
Ausstellung:Marco Polo. Von Venedig nach China. 9. Mai bis 25. August 2013. Schlossmuseum Linz. Eintritt: 6,50 €. www.schlossmuseum.at
Grafik: Pilar Ortega
Von Venedig nach China
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