Luxus, Öko, Party: Beim Campen geht es nicht mehr nur um die Freiheit

Freiheit beginnt dort, wo du die Autotür und das Zelt offen lassen kannst. Die Faszination des Campens ist, dass man alles dabei hat und dass spießige Grenzen verschwimmen. Das Auto ist der Koffer, das Bett ist das Auto
Camping erlebt seit Jahren einen enormen Zulauf. Es ist heute vielfältiger, luxuriöser, bunter – und professioneller. Sogar die Puristen opfern dafür ein wenig vom Freiheitsgefühl.

Fast jeder ist schon einmal zu alt für Camping geworden. Manche werden es jedes Jahr aufs Neue. Da liegt man dann nachts um drei Uhr wach, weil der Holländer drei Wohnwägen weiter schnarcht. Oder weil die eigene Blase kurz vor dem Bersten ist, es vor dem Zelt aber unglaublich schüttet. Während des qualvollen Versuchs trotz Drang wieder einzuschlafen, schwört man sich schon wieder: Das war wirklich das letzte Mal.

Und doch wird Campen ständig beliebter, es boomt in allen Facetten. Es werden mehr Zelte verkauft denn je, es gibt mehr Campingplätze, die Zahl der angemeldeten Wohnmobile und -wägen steigt. In Österreich waren es im Vorjahr 28.022 beziehungsweise 38.560. Es geht den Menschen wirtschaftlich besser denn je und doch reduzieren sie sich im Urlaub so gerne wie nie. Die Gründe dafür sind vielfältig. Denn um die pure Freiheit geht es dabei schon lange nicht mehr. Zumindest nicht nur.

Bilder: Neue Arten des Campings im Überblick

Luxus, Öko, Party: Beim Campen geht es nicht mehr nur um die Freiheit

Luxuriöser: Für Menschen, die zwar das Gefühl des Windes mögen, aber keine Rückenschmerzen, hat die Reiseindustrie das „Glamping“ erfunden: Zelte mit Betten, Boden und Strom, oft mit Sanitäranlagen. Meist teuer, aber eine Abwechslung.

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Öfter: Campingplätze schließen oft nicht mehr, Wintersportorte bieten Stellplätze nahe der Talstation: Beim Skifahren lässt sich mit einem Wohnmobil oder -wagen oft Geld sparen. Allerdings unter deutlichen Komfort-Einbußen.

Luxus, Öko, Party: Beim Campen geht es nicht mehr nur um die Freiheit

Wertiger
Es geht bei Wohnwagen und -mobil heute mehr um Design und Ökobilanz: Das bedeutet manchmal kleinere Gefährte, aber mit Solarsystem, bessere Kontrolle von Reifendruck und niedrigerem Widerstand (Dachbox-Verzicht).

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Hipper: Der Gegentrend zum Luxus ist die neue Einfachheit. Unter dem Schlagwort „Tentporn“ präsentieren derzeit Menschen auf Instagram, worauf es ihnen ankommt: Der pure Blick aus dem Zelt.

Aktuell wird der anhaltende Boom zum Beispiel durch die neue Ökolust genährt. Es ist in Mode, nachhaltig zu reisen, dem kommt Campen oft entgegen. Allerdings ist Campen keine homogene Reiseart, die Palette reicht von den dicksten Motorhomes bis zum Minizelt. Gegenüber einer Anreise per Flugzeug sind aber alle Camper im Ökoplus. Sogar der schwere und schwer beladene Diesel-Brummer erzeugt für eine vierköpfige Familie nur etwa den halben CO2-Ausstoß wie der Flieger. Kombiniert mit Solarpaneelen und geringerem Wasser und Energieverbrauch als im Hotel kann man sich so schnell wesentlich grüner fühlen. Für Zeltbesitzer, die womöglich mit dem Zug anreisen, gilt das natürlich noch viel stärker. Beiden gemeinsam ist, dass sie am Urlaubsort weniger Lebensmittel verschwenden als jedes Hotelbuffet und öfter als andere Reisende mit Rädern oder zu Fuß unterwegs sind. Denn über neunzig Prozent aller Wohnmobile bleiben den ganzen Aufenthalt über auf dem Stellplatz stehen. Und sowohl Campingplatzbetreiber als auch Gäste denken mittlerweile intensiv über Schattenplätze (statt Klimaanlage) nach, auch über ökologische Seife, Mehrweggeschirr und penible Mülltrennung. Das alles äußert sich in Zertifikaten wie dem Europäischen Ökolabel, Green Key oder Green Globe.

Von wegen kleiner Mann

Begonnen hat das zivile Kampieren als neuer Luxus eines kleinen Mannes, der vor rund hundert Jahren plötzlich so etwas wie Freizeit hatte. So richtig in Schwung kam das Schlafen in Zelt und Wohnwagen nach dem Zweiten Weltkrieg, als dieser kleine Mann sich nach dem Wiederaufbau langsam mit so etwas wie Luxus beschäftigen durfte.

Heute strebt man wieder nach Luxus, aber auf anderem Niveau. Wir wollen noch mehr Urlaub machen, der muss anders sein als die obligate Ski- und Meereswoche. Campen rundet das Urlaubsjahr ab und ist budgetär noch unterzubringen. Wobei die billigen Jahre vorbei sind, im Gegenteil: Mit dem „Glamping“, dem Glamour-Camping, etabliert sich seit Jahren eine neue Ausprägung mit Juniorsuite-Preisen. Auch das herkömmliche Campen ist nicht mehr billig. Das Fachportal camping.info untersuchte gerade die Preise auf 23.000 europäischen Campingplätzen: Eine Nacht in der Hauptsaison kostet für zwei Erwachsene inklusive Strom und Ortstaxe zwischen elf und sechsunddreißig Euro.

"Preislich im oberen Drittel, aber ausgezeichnet ausgestattet"

In Österreich kostet sie durchschnittlich 29,28 Euro. Camping.info-Chef Maximilian Möhrle ordnet das ein: „Damit liegt Österreich zwar preislich im oberen Drittel, aber viele der Campingplätze hier sind ausgezeichnet ausgestattet. Sie bieten Komfort und ein umfangreiches Freizeitprogramm.“ In Relation zur Leistung bedeuten die Preise europäisches Spitzenfeld, unter Europas Top 100 sind 19 Plätze aus Österreich, Camping Grubhof aus St. Martin bei Lofer ist die Nummer eins. Guten Komfort biete auch das teuerste Campingland Schweiz (36,34 Euro), nur bedingt gilt das für die Nummern zwei Italien (36,18 Euro) und drei Kroatien (34,42 Euro). Problematisch sei für Möhrle das Preis-Leistungs-Verhältnis oft in den billigsten Ländern Rumänien, Türkei, Albanien, Nordmazedonien, Moldawien (alle unter 15 Euro pro Nacht) und Schlusslicht Weißrussland (11,29 Euro): „Dort sollten Campingurlauber einen dementsprechenden Komfortverlust einberechnen.“

Camping wächst auch abseits des klassischen Sommertrips – eine weitere Zutat des Erfolgs. Wer Wohnmobil oder -wagen kauft, will sie nutzen. Und so ist neuerdings Ostercamping ein Thema und in Skigebieten sind Reisemobile neben der Talstation nicht mehr selten. Skisockengeruch hin oder her. Ebenso berichten die Betreiber urbaner stadtnaher Campingplätze von steigendem Umsatz, in Wien etwa die Verkehrsbüro Group mit den drei Wiener Campingplätzen. Richtig beeindruckend ist die Gesamtzahl der Nächtigungen auf heimischen Campingplätzen: Waren es 2016 noch 5,9 Millionen, lag die Zahl im Vorjahr bei über 6,9 Millionen. Dieses Durchschnittsplus von 8,5 Prozent schaffte die Branche zuletzt fast jedes Jahr.

Wirklich frei

Auf den ersten Blick sieht es auch so aus, als ob der Campingplatz als Ort der Freiheit und des tagelangen Verweilens im Liegestuhl ausgedient hat. Studiert man etwa das Programm auf dem Platz Klausenhorn Konstanz am Bodensee, wähnt man sich im Cluburlaub: Yogaabend, Yogamorgen, Shiatsu-Massage, Stand-Up-Paddling-Kurs, Nording-Walking-Tour, Erzählabend, Liederabend, Basteln, Pizza-Event und die „mobile Campingkirche“ mit Mitmachaktionen. Der Campingplatz ist nicht mehr nur den Campern vorbehalten, er wendet sich an alle Reisenden.

Auch an die große Gruppe der Individualisten. Die schmunzeln zwar noch immer, wenn sie die dicken weißen Karawanen zu Meer oder See ziehen sehen, aber sie verbringen selbst Stunden im Outdoorshop, um das Angebot der neuesten und leichtesten Zelte zu checken. Auch die Freiheitspuristen haben sich professionalisiert. Es zieht sie nicht mehr nur an den skandinavischen Fjord, sondern auch in die Pinienwälder Frankreichs, an die Seen im Osten und die urbanen Campingplätze im Westen.

Luxus, Öko, Party: Beim Campen geht es nicht mehr nur um die Freiheit

Die nordischen Länder sind trotzdem eine Ikone des Campings geblieben, auch wenn das berühmte Jedermannsrecht langsam verstaubt: Mit genug Abstand zu Wohnhäusern und Rücksichtnahme darf man in Schweden & Co. nach einem alten Gesetz sein Zelt oder die Campertüre aufschlagen, wo man will. Aber zunehmend werden Privatstraßen mit Schranken blockiert, hört man aus Norwegen.

Der Traum vom Wildcampen ist bei allem Boom in Europa sehr limitiert. Es gibt keine einheitlichen Regeln, stattdessen Hunderte Landesgesetze vom Verbot (Kroatien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Portugal, Griechenland) über zeitliche Befristungen (Deutschland und Belgien) bis zu Behördengenehmigungen (Italien, Schweiz, Polen). In Österreich ist freies Stehen mit dem Zelt oder Campingfahrzeug großteils verboten, wobei das bloße Schlafen in einem Pkw ja nicht verboten ist.

Bleibt nur eine penible Recherche, Ausweichen auf einen Campingplatz oder: freundlich fragen. Denn auf privaten Grundstücken kann man mit Erlaubnis des Eigentümers immer stehen. Man erntet überraschend oft ein Lächeln und ein „Ja“. Vielleicht sogar eine Einladung zum Essen und Kontakt zu den Menschen und den Zugang zu lokalen Speisen.

Womit wir wieder bei der Nachhaltigkeit sind.

Wildcampen
Überraschend oft lassen Privatpersonen jemanden auf ihrem Grund schlafen – wenn man freundlich fragt. Informationen zu offiziellen Camping- und anderen Stellplätzen (z. B. bei Super- märkten und Gasthäusern) hat der Österreichische Campingclub ÖCC (campingclub.at) und der ÖAMTC (oeamtc.at). Als ÖCC-Mitglied erhält man auch persönliche Beratung und viele Rabatte auf Plätzen

Campingplätze
Es gibt nicht nur sehr viele, sondern auch sehr unterschiedliche  Campingplätze. Foren und Fachseiten wie camping.info oder  campingclub.at geben Orientierung. Als beste österreichische Plätze gelten laut Camping.info-Award: Camping Grubhof in St. Martin bei Lofer/Sbg. (grubhof.com), Camp Mondseeland Unterach/OÖ (campmondsee.at) und Camping Murinsel Großlobming/Stmk. (camping-murinsel.at).

Wie vielfältig Campingplätze bei Quartieren (Schlaffässer, Mietwohnwagen, Bauwagen) und Programm heute sind, sieht man am Beispiel Klausenhorn Konstanz/ Bodensee (camping- klausenhorn.de), der übrigens heuer sein „Wellness & Aktivität“-Angebot bis 13. Oktober verlängert hat.

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