Leipzig, die freche Ost-Metropole dreht auf
Das evangelische Sachsen würdigt 2017 seinen streitbaren Religionsstifter. Speziell und groß in Eisleben, Torgau oder Wittenberg. Leipzig und Martin Luther hingegen gilt auch 500 Jahre nach der Reformation noch immer als zwiespältiges Kapitel. Jubiläumsmäßig macht Leipzig aber selbstredend auch mit.
Unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands wegen Korruption, fataler Spekulationen (bei der Aufteilung ehemaligen Volksvermögens aus der kommunistischen Zeit) und Überschuldung zwar voreilig totgesagt, lebt die Kultur- und Musikmetropole heute ganz stark auf. Dank fleißiger Sachsen-Hände, westdeutscher DM-Milliarden, EU-Euromillionen, neuer Industriegründungen und infrastruktureller Quantensprünge (Flughafen, Bahnhof, Straßennetz, öffentlicher Verkehr) durch die Fußball-WM 2006 und einer (missglückten) Olympiabewerbung, hat sich Leipzig in Schale geworfen.
Die Stadt wächst
Leipzig zieht zuletzt jährlich 10.000 bis 15.000 Zuwanderer an und an anderen deutschen Großstädten vorbei. Studenten, (Lebens-)Künstler, Investoren, Red-Bull-Fußballprofis oder auch nur "gewöhnliche" Leute. Sie alle schätzen den Lebensstil und den Charme im sanierten Mittel-Osten Deutschlands, wählen Leipzig als sprühende Alternative. Etwa zu Berlin (dort ist man angeblich nur Welt, aber heimatlos) oder zum lieblichen Dresden (nur Heimat, sonst weltfern). Leipzig indes will beides und ist beides.
Hoch hinaus wollen, die Weltnähe leichtlebig erreichen – das erzeugt Bewunderung und auch Zorn. So hat Luther die Stadt wegen "Hurerei und Wucher" angeprangert. Aber dort seine Schriften drucken und verteilen lassen.
Nach oben drängen – diesen Anspruch verwirklicht Leipzig auf allerlei kreativen Bühnen: Beispielhaft mit lebendiger Musiktradition auf der "Leipziger Notenspur" mit Pfeilen zum berühmten Gewandhaus oder zum Thomanerchor. Mit dem Kunstzentrum Spinnerei in einer ehemaligen Fabriksruine im Westviertel Plagwitz. Mit der neuen künstlichen Wasserwelt im Süden, wo die renaturierte Kraterlandschaft (ehemals Kohleabbau) mit blitzsauberem Wasser in den Cospudener See verwandelt worden ist. Oder auch mit dem ausgeklügelten Kanal- und Brückensystem.
Zuvor aber zieht’s den Besucher in das vorbildlich restaurierte Zentrum innerhalb des Rings. Egal, wo man startet – die Mitte ist der Platz am Alten Rathaus, ein faszinierender und magischer Ort, gesäumt von einem rechteckigen Architektur-Ensemble aus allen historischen Perioden.
Zauber der Mitte
Dort drängt sich Leipzig dicht zusammen. Panorama-Tower, neue Uni-Kirche, Oper, Grimmaische Straße, Handelshöfe (Barthels Hof, Specks Hof), Mädlerpassage mit exklusiven Geschäften, und dem berühmten Auerbachs Keller. Die kulinarisch wahre Genussmeile heißt aber Barfußgässchen. Voll bis nirgendwann, weil Leipzig keine Sperrstund’ kennt.
Zwei stumme Zeitzeugen indes nehmen es genau. Nikolaikirche, Zentrum der friedlichen Revolution 1989 und Thomaskirche ("Wohnzimmer" von Johann Sebastian Bach), die zwei sakralen Klassiker in der City, schließen pünktlich. Da kennt der Alte Sachse kein Erbarmen.
Dann (ver)führen abseits der Trampelpfade die Wege ins "verborgene Leipzig" oder mitten hinein in das bunte Nachtleben der neuen Ost-Metropole.
Info
Anreise Auto: Wien–Prag–Dresden–Leipzig 600 km, bzw. ab Passau über Regensburg, 580 km
Bahn: Wien–Prag, Umsteigen nach Leipzig, bzw. durch Deutschland mit Umsteigen in Würzburg. Die ÖBB bieten eine Sparschiene, mit der ab 44 € in der 1. Klasse zahlreiche deutsche Städte angefahren werden. www.germany.travel/sparschiene
Flug: direkt mit AUA und Lufthansa ab Wien www.austrian.com
Hoteltipp Motel One Leipzig-Augustusplatz, www.motel-one.com
Lindner Hotel Leipzig bietet ein Spezialarrangement für zwei Nächte (inkl. 1 x Abendessen, Leipzig Card, Tagesticket Hop-On-Hop-Off etc.) um 132 € p.P./DZ, www.lindner.de
Restaurant-Tipps Auerbachs Keller,www.auerbachs-keller-leipzig.de
Weinstock, feine Küche, tolles Flair, www.restaurant-weinstock-leipzig.de
Plate of Art am Panorama-Tower, www.panorama-leipzig.de
Auskunft www.leipzig.travel, www.germany.travel
Auf den Spuren von Martin Luther
Torgau:Ehemalige Kurfürsten-Residenz mit toll restaurierten historischen Gebäuden. Schlosskirche mit zentraler Position der Kanzel, von Luther 1544 eingeweiht. Renaissance-Schloss Hartenfels mit Lapidarium. Stadt- und Braumuseum. Handwerkerhaus. Sächsische Pferdezuchtstätte Graditz mit barocker Gestütsanlage. Denkmal zum ersten Alliierten-Treffen der UdSSR mit den USA noch vor Ende des 2. Weltkrieges 1945. www.torgauinfo.de
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