Latein in Wien: Inschriften bis Europahymne
Cogito ergo Bim - Ich denke, also bin ich... so frei und fahre mit der Straßenbahn (und nicht mit dem Auto) ins Büro. Peter Roland lächelt über das spätpubertäre Wortspiel. Milde. Auch er nimmt die Bim.
Über Generationen von Schülern, die in Wien mit ihrem Latein oder Griechisch am Ende waren, hing sein Name wie ein zeitgenössisches Damoklesschwert: Dr. Roland - der ist deine allerletzte Chance! Dabei ist der alte Lateiner - das bestätigen viele, die bei ihm maturiert haben - kein magister horribilis, keinböser Lehrmeister.
Der 73-jährige Wiener ist eine Institution, ein Humanist, wie er im Buche steht, auch eines der letzten Bollwerke für eine lange totgesagte Sprache. Den Skeptikern hält er entgegen: "Auf Latein basiert de facto unser Recht, unsere Logik, unsere abendländische Kultur."
In medias res
Daher gleich rein ins Thema. Mit dem 49er geht es zur Ringstraße, per pedes weiter zum Heldentor. Laurum militibus lauro dignis. Steht dort über der Einfahrt. Lorbeer den Soldaten, die des Lorbeers würdig sind. Darunter eine Jahreszahl: MDCCCCXVI - 1916. Ein kühner Spruch! Wenige Schritte weiter, im Burghof, unter der Kaiserstatue, ein Satz aus dem Testamentum von Kaiser Franz: Amorem meum populis meis. Frei übersetzt: Ich widme meine Liebe meinen Völkern.
Von wegen tot! Dr. Roland verteidigt Latein auch mit einem praktischen Argument: "In vielen lebenden Sprachen, auch in Deutsch, lebt die alte Sprache fort. Wenn die Kritiker wüssten, wie oft sie Wörter verwenden, die sich eindeutig aus dem Lateinischen herleiten lassen." Was auch wenige wissen, in der Integrationsdebatte jedoch von Belang ist: "Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, die aber ein bisschen Latein beherrschen, tun sich leichter mit dem Deutschen."
Das Ingenio et Industria neben der Statue von Joseph II. auf dem Josefsplatz könnte auch das Motto der Maturaschule sein. Nur mit Begabung und Fleiß lassen sich Ziele erreichen. Interessant auch die Inschrift unter der Reiterstatue: Iosepho II Augusto, qui saluti publicae vixit non diu sed totus. Auf gut Wienerisch: Dem Kaiser Joseph II. zu Ehren, der für das öffentliche Wohl gelebt hat, nicht lange, dafür volle Post.
Für ältere Semester ist das Jonglieren mit lateinischen Versen auch Gehirnjogging. Bestes Beispiel: Dr. Roland, der ist zu Fuß flott unterwegs und auch geistig voll auf der Höhe. En passant erzählt er, dass er mit einem Kollegen einen lateinischen Text für die Europahymne kreiert hat. (zu hören unter Audio: Europa-Hymne in Latein) Die ist zwar im Moment auch nicht in aller Munde, dafür wurde sie vom Wiener Singverein vertont und bis hin zur BBC in London gespielt. Heute ertönt sie bei jeder akademischen Feier an der Wiener Universität.
Nuntii Latini: Good News auf Lateinisch
Wien-Seminar Lateinische Inschriften in Wien lautet der Titel des Seminars von Dr. Peter Roland, das am 7. November beginnt. Nähere Infos: www.roland.at.
Bilder-Buch von Viktor Böhm: Bildlexikon lateinischer Inschriften in Wien, Verlag Freunde der Serviten Rossau. Zwei Bände, ein Band kostet 35,20 Euro.
KURIER-Kolumne: Seit exakt 18 Jahren erscheinen im KURIER die Nuntii Latini (siehe unten). Die Rubrik wird vom Wiener Latein-Lehrer Wolfram Kautzky gestaltet.
Schul-Buch: Kolumnist Kautzky macht nebenbei auch dem gefürchteten "Liber Latinus" seriöse Konkurrenz - mit zeitgemäßeren Schulbüchern. Ein Buch entzückt übrigens auch Erwachsene: Medias In Res! - Mythos, Liebe und Humor, Verlag Veritas, 14,26 Euro.
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