Kulinarischer Entenritt in Südfrankreich

Kulinarischer Entenritt in Südfrankreich
Frischer Käse, köstlicher Honig und tolle Weine: Eine Entdeckungstour durch das Var – stilgerecht mit einem alten 2 CV.

Die Ente hat ihren eigenen Kopf. Gabrielle Choisy startet einmal. Nichts passiert. Sie dreht erneut den Schlüssel um. Keine Reaktion. Auch der dritte Versuch bleibt erfolglos. Der Mechaniker muss also anrücken und der hat mehr Glück. Nach ein paar Handgriffen läuft der Motor des alten Citroën 2 CV, als wäre nichts gewesen und als hätte er nicht schon Jahre, nein sogar Jahrzehnte auf dem Buckel.

Um genau zu sein, ist die Ente genauso alt wie ihre derzeitige Besitzerin, die mit dem Oldtimer heute auf einen nostalgisch angehauchten Ausflug durch das Var geht: Im sogenannten „Deux Cheveaux“ (zwei Pferde-stärken) durch die Wahlheimat der Önologin, entlang der Weinberge und Felder und durch die hübschen Dörfer Südfrankreichs brausen und dabei die kulinarischen Besonderheiten dieser Region entdecken. Schließlich hat das Var ja noch einiges mehr zu bieten als Rot, Weiß und Rosé in Flaschen.

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Ente auf Reisen

Ziegen mit GPS-Sender

Neben dem Wein soll es heute auch um Käse gehen, um Honig und um Bio-Qualität. Zum ersten Stopp biegt Gabrielle irgendwann von der Landstraße in den Wald ab. Sie parkt und sucht Vincent Hermier, den Ziegenhirten, der die Käserei „Bergerie du défens“ in Garéoult betreibt. Zu sehen ist er auf dem schmalen Pfad zwischen den hohen Bäumen zunächst nicht, dafür hört man in der Ferne unzählige Glöckchen durcheinander bimmeln. Das Klingeln kommt immer näher und schließlich taucht Vincent auf, umgeben von seiner Ziegenherde, und dampft an seiner E-Zigarette. Vor ihm, hinter ihm, im Dickicht, überall sind die neugierigen Tiere. Ein Hund passt auf, dass das meckernde und kräutermampfende Durcheinander der Roveziegen mit den markanten Hörnern auf Kurs bleibt, dem sich die Enten-Gruppe für einen kurzen Spaziergang anschließt.

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Vincent und seine Ziegen

Rund 150 Tiere umfasst seine Herde derzeit und jeden Morgen steht er früh auf, um sie zu melken und danach ein paar Stunden mit ihnen durch die Natur zu spazieren. Später ziehen sie alleine weiter – ausgestattet mit einem GPS, über das Vincent sie am Nachmittag über das Internet wiederfindet.

Seine Frau Céline arbeitet derweil in einem kleinen Container in der Nähe und sorgt dafür, dass aus der Milch Käse wird, den sie unter anderem auch auf den Wochenmärkten der Region verkaufen. „Dafür verwenden wir nur die frische Milch und Milchsäurebakterien, keinerlei Zusatzstoffe“, sagt sie. Zwei Tage braucht ihr cremiger Frischkäse, bis er fertig ist. Andere Käse reifen bis zu drei Monate, sind dann aber deutlich intensiver und würziger.

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Céline, die Käsemacherin

Ein flotter Entenritt

Gabrielle lässt sich unterschiedliche Sorten einpacken, wirft die Ente wieder an und gibt Gas. Das Fenster klappert, der Wind rüttelt am Dach und selbst 50 Kilometer pro Stunde kommen einem schon schneller vor als sonst. Ganz unweigerlich muss man hier in Südfrankreich an Louis de Funès als Gendarm denken, wie er in einer Ente mit der rasanten Nonne landete, die bei jedem verlorenen Reifen und jeder Abkürzung durch die Botanik in noch lauteres Lachen und Juchzen ausbrach.

Ganz so wild geht es bei Gabrielle natürlich nicht zu, aber ihr Lachen zumindest ist ähnlich ansteckend wie das der Nonne. Und sie lacht gern und viel und erzählt dabei viel über das Var, dessen Farben und Gerüche sie genauso liebt wie den Geschmack des Essens und des Weins. „Hier gibt es ungewöhnlich viele Bio-Produzenten“, erzählt die 54-Jährige, die mit einem reizenden Akzent Deutsch spricht. Und das liegt wohl vor allem an dem Dorf, durch dessen Gassen die Ente gerade fährt: Correns. Der dortige Bürgermeister Michael Latz schlug vor 20 Jahren bereits vor, auf Bio-Anbau umzusteigen – und hatte damit Erfolg. Heute ist Correns dem eigenen Slogan zufolge „Frankreichs erstes Bio-Dorf“ und animierte in der Umgebung viele Produzenten, denselben Weg einzuschlagen. „Die Region ist nicht sehr reich“, erklärt Gabrielle. „Die wichtigsten Einnahmequellen sind Wein und Blumen.“ Bio-Produkte seien daher eine Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzusetzen. Und auch wenn sich wegen des bürokratischen Aufwands nicht alle Produzenten bio-zertifizieren lassen, ist die Qualität trotzdem oft bio.

Honig-Verkostung

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Leitet die Honig-Manufaktur: Fabienne Guieu

So wie beim Honig von der Imkerei „Les Ruchers du Bessillon“. Vor über 120 Jahren gründete der Ur-Großvater von Fabienne Guieu die Honigmanufaktur, heute leitet sie sie zusammen mit ihrer Schwester. Hunderte Bienenstöcke haben sie an unterschiedlichen Stellen in der Landschaft in der Nähe von Rosmarin, Pinien, Lavendel oder anderen Blumen aufgestellt, wo keine Pestizide versprüht werden – je nachdem, welche Honigsorte herauskommen soll. Einige Bienenstöcke kann man auch gleich um die Ecke ihres kleinen Ladens anschauen, am Rande eines Weinbergs.

„Vor einigen Jahren hatten wir große Probleme, weil importierter Honig deutlich weniger kostete. Inzwischen wissen viele Menschen aber den lokal produzierten Honig zu schätzen, der ohne Zusätze auskommt“, berichtet die 60-Jährige, die vor über einem halben Jahrhundert begann, ihrem Vater bei der Imkerarbeit zu helfen. Dann startet sie eine Verkostung. Jeweils ein kleiner Plastiklöffel für die Geschmacksprobe eines Honigs. Der Kastanienhonig ist etwas bitterer, schmeckt aber laut Fabienne sehr gut im Joghurt. Den hellen Lavendelhonig löffelt sie morgens zu ihrer Tasse Kaffee.

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Honig-Variationen

Schaukeln und ruckeln

Mit unterschiedlichsten Honigaromen auf den Geschmacksknospen lässt Gabrielle auf dem Weg zum nächsten Zwischenstopp auch mal die Gäste fürs Enten-Erlebnis ans Steuer. Alles ist analog. Das Cabrio-Dach wird einfach nur aufgerollt und festgeschnallt. Wer Air-Condition will, muss die Lüftungsschlitze aufklappen. „Den Wagen habe ich vor ungefähr zehn Jahren von meinem Mann geschenkt bekommen, er hat selbst auch so einen.“ Zwar hatte sie immer wieder auch andere Autos. „Aber so eine alte Ente fährt sich ganz anders, das hat etwas sehr Freundliches und Lustiges.“ Und ist natürlich ziemlich ungewohnt: Beim Schalten hantiert man mit einem Hebel neben dem Lenkrad. Aufbrausend wird der Oldtimer in Bewegung gebracht, wobei es schaukelt und ruckelt und weich gefedert eiert.

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Château Gasqui“ in Gonfaron

„Das ist ein Abenteuer, was?“, ruft Gabrielle dabei strahlend und dirigiert dann die letzten Kilometer bis zum Weingut „Château Gasqui“ in Gonfaron. Ohne Wein geht es im Var schließlich nicht. Schon gar nicht für Gabrielle, die als ausgebildete Önologin ihre Leidenschaft für den Wein mit ihren Gästen auch teilen will. Verstärkung bekommt sie von François Miglio, der am Ende der langen Zufahrt neben einer der alten Zypresse vor dem alten Gutshaus schon wartet. Drumherum wachsen die Trauben auf 35 Hektar, aus denen er die roten und weißen Weine herstellt. Dafür schwört er auf den bio-dynamischen Weinbau, der auf den österreichischen Antroposophen Rudolf Steiner zurückgeht und unter Winzern zunehmend beliebter wird. Es geht um den Schutz und Einklang mit der Natur ohne den Einsatz von Chemie. „Gute Erde ist wichtig für das Leben auf der Welt, wir dürfen die Welt nicht verseuchen“, sagt der 60-Jährige, der bei seinen Reben so gut wie gar nicht eingreift. Nur das Gras schneidet er etwas zurück. Die Insekten übernehmen das Umgraben. Und gedüngt wird minimalst mit Kuhmist. Der Geschmack des Weins soll so möglichst unverfälscht die Erde, das Terroir von Gasqui wiedergeben.

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Winzer François Miglio

Ein perfektes Picknick

Auch wenn einem bei der biodynamischen Philosophie – etwa der Berücksichtigung von Planetenkonstellationen – manches zu esoterisch vorkommen mag: Die Weine schmecken tatsächlich hervorragend und gleich noch einmal besser zu dem Picknick, das Gabrielle zum Schluss der Tour im Gutshaus aufbaut. Zucchini-Tarte und Olivenpaste, alles selbst gemacht, landet auf dem Tisch. Dazu etwas Brot und frische Erbsen, der Frischkäse von Vincent. Und François stellt einen frischen Kirschkuchen und selbst hergestelltes Olivenöl dazu. Was für ein schöner, köstlicher Ausklang, bevor sich alle wieder für die Fahrt zu Gabrielles kleiner Pension in die Ente setzen. Nachdem sie den ganzen Tag so zuverlässig war, muss sie zumindest heute nur noch einmal anspringen.

INFO

Kulinarischer Entenritt in Südfrankreich

 

Anreise Volotea fliegt WienMarseille direkt.   Ab etwa 30 €/Strecke.  www.volotea.com

Touren Gabrielle Choisy bietet die unterschiedlichen Touren mit ihrer Ente zu lokalen Bio-Produzenten an. Eine Halbtagestour mit ihr als Guide kostet 110 Euro, der ganze Tag 170 Euro inklusive Picknick. Für Selbstfahrer gibt es auch die Möglichkeit, die Ente zu mieten (Preis auf Anfrage).

Unterkunft Gabrielles familiäre Pension „Les Pierres Sauvages“ nahe des Ortes Besse sur Issole liegt in einem Garten an den Weinbergen und verfügt über einem Außen-Pool. Auf Bestellung kocht Gabrielle auch Abendessen mit lokalen Produkten – alles bio. 95 Euro pro Nacht/Zimmer. 23 Euro für Abendessen mit Wein
 www.lespierressauvages.com  

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Pension "Les Pierres Sauvages"

 

Anbieter Honig von „Les Ruchers du Bessillon“, www.lesruchersdubessillon.com
– Wein bei „Château Gasqui“, www.chateau-gasqui.fr
Käse von „Bergerie du défens“, bergeriedudefens.blogspot.de, kein Direktverkauf, nur auf Wochenmärkten

Auskunft at.france.fr, www.cotedazur-tourisme.com, www.visitvar.fr

 

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