Kuhattacken: Selber schuld

Kuhattacken: Selber schuld
Immer wieder kommt es zwischen Wanderern und Kühen zu schmerzhaften Konflikten. Schuld sind meist Mensch oder Hund.

Hunde und Briefträger, Ehemann und Liebhaber, Fußballer und Schiedsrichter: Es gibt Begegnungen im Leben, die tragen ein gewisses Konfliktpotenzial in sich. Kühe und Wanderer fallen offenbar in die gleiche Kategorie: Binnen weniger Tage mussten gleich mehrere Menschen nach Kuhattacken ins Krankenhaus gebracht werden.

Der Widerstreit ist so alt wie die Segnungen des alpinen Sommertourismus, doch das Verletzungsbild der Opfer lässt keinen Zweifel daran, wer bei einer Konfrontation den Kürzeren zieht: Serienrippenbrüche, Becken- und Wirbelverletzungen, im besten Fall noch Abschürfungen und Prellungen. Eine Milchkuh wiegt schnell einmal 700 bis 800 Kilo, ein Stier bringt locker eine Tonne Lebendgewicht auf die Waage. Dem hat ein Mensch nichts entgegenzusetzen.

"Das ist wie ein Frontalzusammenstoß mit dem Pkw", erzählt Rudi Nussbaumer von der Dientalm am Fuße des Hochkönigs in Salzburg. "Wenn sich Kühe verteidigen, tun sie das mit einem Kopfstoß und dem Einsatz ihres Körpergewichts."

Revierverteidiger

An die 60 Kühe grasen auf den Bergwiesen um seine Alm, an guten Tagen kommen an die 100 Wanderer. "Auf der Weide, da sind die Kühe daheim. Der Mensch betritt ihr Revier, nicht umgekehrt. Wenn etwas passiert, liegt das meist am Wanderer", sagt der Landwirt. "Viele versuchen, Kälber zu füttern oder zu streicheln und leinen ihre Hunde nicht an." Doch Hunde sind ein Hauptgrund für Kuhangriffe. Sie stellen eine potenzielle Gefahr für die Herde dar. "Die Hunde werden von der Leine gelassen und laufen automatisch zu den Kühen. Klar, dass die reagieren, egal, ob der Hund klein oder groß ist", erzählt Christine Nussbaumer, Rudis Frau. "Wenn der Hund dann Angst bekommt, und das tut er schnell, wenn er Kühe nicht gewohnt ist, versteckt er sich hinter dem Herrl. Der ist dann der Angeschmierte, wenn die Kuh auf ihn losläuft."

Damit Wanderer das Weidevieh besser einschätzen lernen, hat das Land Salzburg im Frühsommer 5000 Infobroschüren drucken lassen. "Ich bin stärker", heißt der Flyer treffend, nach den jüngsten Angriffen explodierte die Nachfrage. Mittlerweile wurden 15.000 Stück nachgedruckt, das Land Tirol will die Idee übernehmen.

Warnzeichen und Respekt

"Der Flyer war längst überfällig", meint Rudi Nussbaumer. "Auf mögliche Gefahren werden wir meist nur angesprochen, wenn etwas passiert ist." Dabei gibt es klare Warnzeichen: "Keine Kuh fletscht die Zähne, wenn sie aggressiv ist", sagt seine Frau. "Aber wenn sie den Kopf senkt, mit den Füßen am Boden scharrt und intensiv schnaubt, ist Gefahr im Verzug".
Ein Pauschalrezept, das jede Attacke ausschließt, gibt es nicht. Dafür einige Tipps, die ein Nebeneinander von Kuh und Wanderer ermöglichen. "Nie mitten durch die Herde gehen, sondern am besten oberhalb, also bergseits umrunden. Auch weil man da schneller ist, wenn man ausweichen muss", erklärt Nussbaumer. Und wenn doch einmal eine Kuh auf einen zukommt: "Ruhe bewahren und nicht davonlaufen. Hektik bei den Tieren auszulösen ist nie gut."

Auch Drohgebärden mit dem Wanderstock helfen, viele Tiere lassen sich durch laute Zurufe zum Umdrehen bewegen. "Auch ich habe Respekt vor den Kühen", betont Nussbaumer. "Es passiert ja auch bei den Landwirten viel."

Sehr viel sogar, wenn man in die Statistik blickt. In den vergangenen fünf Jahren gab es in Österreich keine zwei Dutzend Kuhattacken auf Wanderer, die im Spital endeten. Dafür habe sich im landwirtschaftlichen Alltag im Umgang mit Tieren alleine im Vorjahr 1066 Personen verletzt, acht davon sogar tödlich.

www.respektieredeinegrenzen.at

Hinweistafeln: Missverständnissen vorbeugen

Kuhattacken: Selber schuld

Im Juni hat Toni Kerschbaumer seine Tafeln aufgestellt: "Achtung Weidevieh" prangt in großen weißen Lettern auf dem Schild. Da hat der Obersteirer gerade sein Vieh auf die Weide gebracht, drei Monate bleiben die Rinder auf der Alm bei Wörschach. Weil die Zwischenfälle mit Mensch und Tier zunehmen, dachte sich der Bauer und Bergführer eine Hinweistafel aus. "Ich hab' sie mir selbst überlegt und drucken lassen. Zu kaufen hat's leider keine gegeben." Damit auch andere Landwirte darauf zugreifen können, ließ Kerschbaumer eine größere Auflage produzieren. Die gibt es um 22 Euro bei ihm zu erwerben.

Der Steirer hofft, mit seinen Tafeln Missverständnisse aus dem Weg räumen zu können. "Die Kühe sind drei Monate auf der Alm. Das ist ihr Revier, ihre Heimat. Die verteidigen sie." Vor allem, wenn sie Kälber bei sich haben. "Die Kuh passt natürlich auf ihr Kalberl auf. Also sollte man unbedingt einen Respektabstand halten, auch wenn die Kleinen so süß aussehen", betont Kerschbaumer.

Wanderer sollten Kühe in 20 bis 50 Metern Entfernung umgehen. "Der größte Fehler ist, mitten durch die Herde zu gehen", weiß der Landwirt. Vor allem, wenn auch noch Hunde mit dabei sind. "Rinder fühlen sich von Hunden bedroht, das ist für sie wie ein Luchs oder Bär. Das können sie nicht unterscheiden. Und dann kreisen sie ihn ein, das ist ein Naturinstinkt. Ob da Menschen dabei sind, registrieren die Kühe nicht", sagt Kerschbaumer.

INFO: toni.kerschbaumer@gmail.com

Kommentare