Krimischauplätze: Am Tatort
Im Weinviertel sind seit 1998 überdurchschnittlich viele Menschen gestorben. Kaum jemand eines natürlichen Todes, bei den meisten wurde mehr oder weniger grausam nachgeholfen. Sogar der Landeshauptmann soll sich erkundigt haben, ob in den, zwischen sanften Hügeln eingebetteten Dörfern, überhaupt noch jemand lebe. Immobilienspekulant Albert Hahn raffte eine Gärgas-Vergiftung dahin, Willi, der Dorfdepp, stürzte zu Tode und die Pfarrersköchin von Wiesbachtal wurde mit Tollkirschen vergiftet. Gäbe es Simon Polt nicht, würde in der Gegend wohl Anarchie ausbrechen.
Gott sei Dank hat sich Alfred Komarek die Morde nur ausgedacht. In seinen Romanen und den zugehörigen Verfilmungen kann man verfolgen, wie der introvertierte und grüblerische Inspektor Polt dank seines Feingefühls im Gespräch mit anderen Menschen, jeden Mörder findet – egal, wie gut der sich zwischen Weinreben und Kellergassen versteckt. Dorthin zieht es auch die Fans des Kommissars, die auf einen Zug aufgesprungen sind, der sich Krimi-Tourismus nennt. Immer wieder verzeichnet Weinviertel-Tourismus Anfragen von Interessierten, die sich auf Polts Fährte heften möchten. So wie zuletzt ein deutscher Urlauber, dem die Kellergasse auf dem Cover des Romans "Polterabend" so gut gefiel. Als Komarek Polt zum Leben erweckte, reagierte die Region und ermöglichte Besuchern, sich "Auf den Spuren von Simon Polt" zu bewegen. Auch 14 Jahre nach der Entstehung des ersten Polt-Romans, sind die Führungen noch gefragt. "Massentourismus hat nicht eingesetzt, das Interesse an der Region ist aber größer als vorher", heißt es von Weinviertel-Tourismus.
Umso erstaunlicher, als es das Wiesbachtal aus dem Buch gar nicht gibt. In Wirklichkeit handelt es sich um das Pulkautal. Und Burgheim, wo sich Polts Gendarmerieposten befindet, ist eigentlich Haugsdorf, Brunndorf, sein Wohnort, ist gar ein Mix aus mehreren Orten. "Ortschaften und Menschen stammen aus der Welt der Fantasie, sagt Autor Alfred Komarek. "Alles ist nur insofern wirklich, als es wirklich sein könnte."
Die Welt der Krimis
Bestseller-Autorin Caroline Graham lässt ihren Inspektor Barnaby im fiktiven Midsomer ermitteln. Buch und Serie sind aber tatsächlich in verschiedenen englischen Grafschaften, darunter Buckinghamshire und Oxfordshire angesiedelt. Die Dörfer, die in Midsomer Idylle versprühen, gibt es längst nicht mehr. Sie stammen aus der Zeit Agatha Christies, als das Dorf noch Zentrum der Gesellschaft war. Geblieben sind Häuser und bestimmt auch Psychopathen, verschwunden hingegen Kirchen, Postämter und Läden. Was Touristen aber nicht davon abhält, sich bei einer der haufenweise angebotenen Literatur-Reisen vor Ort umzusehen.
Donna Leon und Commissario Brunetti sind der Dauerbrenner unter den Themenreisen. Sie werden noch immer angeboten, obwohl der Commissario seit 1992 ermittelt. Doch Brunetti, einer der ersten Roman-Ermittler, ist mittlerweile Kult und Venedig immer eine Reise wert. Leon beschreibt die Stadt in ihren Romanen auch so detailliert, dass sämtliche Schauplätze mit Hilfe eines Stadtplanes genau recherchiert werden können – was Lust macht, auf Entdeckungstour zu gehen. Da kann es schon passieren, dass Krimifans sich zwischen Fiktion und Wirklichkeit verlieren.
In Altusried im Oberallgäu, versieht seit 2003 der kauzige Kommissar Kluftinger seinen Dienst. Die Führungen zu den Orten, an denen die Kluftinger-Krimis spielen, dürften so echt gewesen sein, dass sogar der ortsansässige Bestattungsunternehmer dem Kluftinger-Wahn verfiel. Weil bei Führungen über den Friedhof immer wieder nach den Gräbern der Krimi-Toten gefragt wurde, errichtete Klaus Hackler vor einer Woche kurzerhand ein provisorisches Grab für Philip Wachter. Er war im Roman "Milchgeld" ermordet worden. Der Altusrieder Pfarrer bezeichnete die Aktion als geschmacklos, Hackler baute das Grab wieder ab. Im echten Altusried herrscht also doch Recht und Ordnung – ganz ohne Kluftinger.
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