Norwegen: Expedition nördlich des Polarkreises
Der Seeadler schwebt mit seinen mächtigen Flügeln hoch oben in der Luft. Erspäht Beute. Wartet ab, lässt den schnatternden Seemöwen den Vortritt, die sich in der Gischt unseres Schiffes ansammeln.
Dann senkt sich der kräftige, gelbe Schnabel. Blitzschnell setzt der Jäger der Lüfte zum Sturzflug an. Er rast auf die Wasseroberfläche zu, krallt sich einen Fisch. Mit dem zuckenden Opfer in seinen starken Fängen flattert der Greifvogel davon und lässt sich mit der Beute auf einem Felsen nieder. Willkommen im rauen Norwegen.
Die „MS Nordnorge“, ein Schiff der Hurtigruten-Linie, ist den neunten Tag auf See. Hier, im Trollfjord, hört man das Herz Norwegens schlagen. Er liegt im Raftsund (der die Inselregionen Vesterålen und Lofoten voneinander trennt) und gilt als einer der schönsten Fjorde des Landes. Das Wasser ist tiefblau, die Flanken der steil aufragenden Felsen sind saftig grün bedeckt. Da, hinter den tosenden Wasserfällen, könnten sie sich verbergen, die Trolle! Die buckligen Kobolde aus der nordischen Mythologie sind omnipräsent: Im Restaurant des Schiffs kann süße, rosafarbene „Trollkrem“ gelöffelt werden. God appetitt.
Mit dem Hurtigruten-Schiff im spektakulären Trollfjord
Ein Löffel Lebertran
Deftiger geht es am zehnten Tag an Bord zu, bei der „Polarkreistaufe“ mit Lebertran. Wind peitscht Regen über das Aussichtsdeck, Köpfe verschwinden halb unter Wollmützen. „Wir haben überlebt“, sagt Bjørn, Expeditionsleiter auf der „MS Nordnorge“; ausgestattet mit Multifunktionsjacke und trockenem, norwegischen Humor. Auf Steuerbord kommt eine Insel ins Blickfeld, auf der eine metallische Weltkugel den imaginären Polarkreis symbolisiert.
„Wir waren auf einer arktischen Reise. Das gehört gefeiert!“ Stian, Kapitänsmütze und roter Vollbart, grinst. Zur „Polarkreistaufe“ verteilt er an jeden mutigen Passagier einen Löffel voll Lebertran. Feiern auf Norwegisch. Den Löffel darf man behalten.
Zähmung des Nordmeers
Über Jahrhunderte war die Seefahrt in nordischen Gewässern eine Frage des Überlebens. Stürmisches Wetter, Dunkelheit in langen Wintermonaten, ewiges Eis. Zudem existierten bis ans Ende des 19. Jahrhunderts nur wenige Leuchttürme nördlich von Trondheim und kaum nautische Karten, um Schiffe sicher durch Sunde (enge Meeresstraßen) und vorbei an aberhunderten Inseln zu navigieren.
1893 bricht ein neues maritimes Zeitalter an. Richard With, Reeder aus Tromsø, segelt in 67 Stunden von Trondheim nach Hammerfest (heute benötigen Hurtigruten-Schiffe dafür 41 Stunden). Ein Quantensprung – und Geburtsstunde der Express-Route: Hurtigruten. „Jeder an Bord war in guter Stimmung. Wir tanzten auf dem Kabinendach zum Akkordeon“, hält Withs Tochter Nanna schriftlich fest. „Jung und Alt war an Bord, manche besuchten ihre Familien, andere waren noch niemals zuvor im Norden Norwegens.“ Dies ändert sich rasch. 1908 wird die Route ausgeweitet, die Schiffe fahren von Bergen im Süden über das Nordkap bis nach Kirkenes. Ab 1936 täglich. Derzeit verkehren 11 Schiffe täglich im Linienverkehr. Der ursprüngliche Gedanke des Postschiffverkehrs spielt keine Rolle mehr.
Die „MS Fram“ wagt sich noch weiter vor, steuert Grönland, Arktis und Antarktis an. Der Name ist Programm: Mit der ersten „Fram“ drifteten norwegische Polarforscher Ende des 19. Jahrhunderts durch das Packeis am Nordpol.
Impressionen von der Küste Norwegens
Hybride Zukunft
Die nächste Schiffsgeneration ist bereits vom Stapel gelaufen. „MS Fridtjof Nansen“ und „MS Roald Amundsen“ – nach Polarforschern benannt – sind mit Rolls-Royce-Motoren ausgestattet und laut Reederei die weltweit ersten Hybrid-Kreuzfahrtschiffe. CO2-Ausstoß und Treibstoffverbrauch sollen um 20 Prozent sinken, Seefahrt nachhaltiger werden. Die erste Reise ist 2019 geplant. Mit Lebertran.
Tipps
Polarlichter im Winter oder Mittsommernachtssonne? Süd- oder nordgehend? Die Frage, welcher Abschnitt wann am sehenswertesten ist, ist individuell zu beantwortet. Jede Etappe besticht mit eigenem Flair. Die Schiffe fahren auf der südgehenden Route zeitversetzt zur nordgehenden. Man sieht diejenigen Küstenabschnitte bei Tag, die man in die andere Richtung verschlafen hat – und umgekehrt. Die angebotenen Landausflüge (etwa Huskey-Schlittenfahrten und Kajaktrips) variieren dementsprechend. Den sagenumwobenen Trollfjord fahren übrigens nur südgehende Schiffe an.
Weitere Infos
- Anreise ab Wien fliegt wizzair.com Mo. und Fr. direkt nach Bergen. Wien–Oslo mit austrian.com.
- Währung 1 Euro = ca.10 norwegische Kronen
- Ausrüstung Wind- und wasserdichte Kleidung zu jeder Jahreszeit empfohlen, da viele Klimazonen durchquert werden.
- Angebote Variiert je nach Saison, Schiff und Kabinengröße. Preisbeispiel: Bergen–Kirkenes– Bergen, Zeitraum 15. bis 31.8.19, 12 Tage 2-Bett Außenkabine „Select“ ab 3327 € Anreisepaket von Ruefa inkl. Flug Transfers nach Bergen ab 760 €. Weitere buchbare Aktivitäten z.b: Ausflug zum Nordkap, Geirangerfjord mit Fahrt über den Trollstigen-Pass, Seeadler-Safari im Raftsund, Halbtägige Tour zum Svartisen Gletscher, Führung durch Trondheim inklusive Nidarosdom, Quad Safari zur russischen Grenze.
- Infos und Buchungen bei Ruefa unter 0810/ 955 595 93 oder unter www.ruefa.at/hurtigruten
- Auskunft www.visitnorway.de
Kommentare