Fundbüro: Wem gehört die Beinprothese?

Lost & Found Servicestelle der ÖBB, Franz Josef Bahnhof Wien.
Über die stillen Helfer auf dem Bahnhof, die vielen Verlierern eine Freude bereiten.
Von Uwe Mauch

Manches geschieht und wird für uns immer ein Rätsel bleiben: Was zum Beispiel hat sich jener Fahrgast gedacht, als er seine Beinprothese im Zug liegen gelassen hat? Wie ist er aufgestanden? Wie ausgestiegen?

Fundbüro: Wem gehört die Beinprothese?
Lost & Found Servicestelle der ÖBB, Franz Josef Bahnhof Wien.
Auch Walter Matuschka, ein erfahrener Eisenbahner, den heute nicht mehr viel aus der Ruhe bringen kann, weiß keine Antwort auf diese Fragen. Er arbeitet auf dem Wiener Franz-Josefs-Bahnhof, in einem von sechs österreichweiten Fundbüros der 100-prozentigen ÖBB-Tochtergesellschaft Mungos; diese Büros werden neudeutsch Lost & Found genannt. Jetzt, in den reiseintensiven Sommermonaten, haben Matuschka und Co. viel zu tun.

Die Statistik zeigt: Im Vorjahr wurden im Wiener und in den fünf anderen Fundbüros 21.044 Gegenstände abgegeben. Rund ein Drittel konnte danach an die Eigentümer bzw. die Behörden ausgehändigt werden (an die Behörden Geld, auch Diebesgut). Ein weiteres Drittel wurde nach Ablauf einer gesetzlich festgelegten Frist von 60 Tagen an karitative Organisationen gespendet. Weitere 3629 Gegenstände wurden vernichtet – Verderbliches und nicht Verwertbares.

Arme Meerschweine

Fundbüro: Wem gehört die Beinprothese?
Lost & Found Servicestelle der ÖBB, Franz Josef Bahnhof Wien.
Die Arbeit mit dem Verlorenen ist abhängig von der Jahreszeit, weiß der Mann, der gemeinsam mit seinen Kollegen oft Verlierern eine Freude bereiten. Im Sommer werden in Zügen und auf Bahnhöfen vor allem Badetaschen vergessen. Bei Regen lassen viele ihren Schirm stehen. Im Winter bestimmen wiederum Hauben und Handschuhe den Alltag der Helfer im Hintergrund. Das ganze Jahr über haben verlorene Koffer und Rucksäcke Saison.

Gut, die Beinprothese war ein Ausreißer. Zahnersatz wird hingegen oft gefunden. Jedes Jahr bleiben in der Bahn mindestens zehn (ganze) Gebisse liegen. Ein Fall fürs Tierschutzhaus und die Tränendrüsen: Die beiden Meerschweinchen, von denen sich ihr Besitzer für immer getrennt hat.

Sind die Gepäckstücke nicht verschlossen, hat Herr Matuschka den dezidierten Auftrag, deren Innenleben zu sondieren und aufzulisten. Alles in allem sei auffallend: „Wir leben eindeutig in einer Wegwerfgesellschaft.“

Manchmal werden die stillen Helfer gelobt. Er erinnert sich an eine ältere Dame, die ihr Geldbörsel wiederbekommen hat. „Sie hatte Tränen in den Augen.“ Das Geld im Geldbörsel war schön. Schöner war noch, dass sie das Foto ihrer Mutter wieder bekommen hat. „Es war das einzige Foto, das sie von ihr besaß.“

Die andere Seite gibt es auch: Der Supersympathler, der seine 1500-Euro-Kamera zurückbekam und sich über sieben Euro Bearbeitungsgebühr beschwerte.

P. S.: Gerne hätten wir auch über die Mitarbeiter berichtet, die im Auftrag der Austrian Airlines auf dem Wiener Flughafen mit fehlgeleiteten Gepäckstücken zu tun haben. Aber die Fluggesellschaft wollte das nicht.

Ungemach: We fly for your smile! Der Slogan einer sehr bekannten rot-weiß-roten Fluglinie fällt einem ein, wenn man als Allerletzter am Förderband des Zielflughafens auf seinen Koffer wartet.

Man lächelt noch viel mehr, wenn der Koffer auch am nächsten und übernächsten Tag nicht eintrudelt und auf der kleinen Insel einiges an Textilien, aber nicht vieles nachgekauft werden kann.

Geteiltes Leid: Alle im Bekanntenkreis können eine Anekdote zum lustigen Koffer-in-der-Welt-Herumfliegen beitragen. Kein Wunder also, dass Menschen, die bei einer Fluglinie beschäftigt sind, über Lost & Found so reden, als wäre es nicht die Ausnahme, sondern die Regel in ihrem Metier.

Womit wir wieder bei We fly for your smile gelandet wären. Freund Rudi wartete zuletzt tagelang auf sein Gepäck aus Paris. Geht es vielen Flugpassagieren so? Auf dem Wiener Flughafen sucht man nach Antwort. Findet sie aber nicht.

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