Fabelwelt Flandern
Antwerpen, Brügge, Gent, Brüssel: Die besten Seiten aus Belgiens Bilderbuch.
Von Dieter Chmelar
© Milo-Profi
Belgiens Norden war oft vom Schicksal gebeutelt und blieb doch stets vom Glück beschienen. Die historischen Handelsstädte – Antwerpen, Brügge & Gent – sind Wunderwelten des Wohlstands ihrer Bewohner und des Wohlgefühls ihrer Besucher. Genuss im Überfluss: So klein das Land, so riesig die Vielfalt.
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Man lernt ja eine Menge in Flandern. Radfahren zum Beispiel heißt „Fietsen“, Frühstück „ontbijt“ („Anbiss“), bitte „alstublieft“, ein Bier „een pintje“ und Auf Wiedersehen „tot ziens“.
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Man lernt, wie viele berühmte Menschen dieses Land hervorgebracht hat: Rubens, Breughel, Van Eyck und den ersten Globus-Geografen vor 500 Jahren, Mercator; den Bariton Van Dam und den Actionhelden Van Damme; ...
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... die Tennis-Queen Clijsters und den Radgott Merckx, die Motor-Mythen Ickx (auf vier Rädern) und Everts (auf zwei), Klassekicker Scifo und Billard-Kaiser Ceulemans; Zauberfee Audrey Hepburn und Zaubergeiger Helmut Lotti; die Comics-Koryphäen Hergé (Tim und Struppi), Morris (Lucky Luke) und Peyo (Schlümpfe).
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Man lernt, dass hier die Pommes Frites und die Pralinen erfunden wurden und dass es weit mehr als tausend verschiedene Biersorten gibt, getrübt durch gewöhnungsbedürftige Geschmacksrichtungen wie Curry, Zimt, Himbeer und Banane, aber gekrönt von Braukunstwerken wie dem fast zehnprozentigen Westmalle Triple aus klösterlich verschwiegener Trappisten-Quelle.
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Man lernt genussvoll Geschichte und zugleich die Geschichte des Genießens.
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Ob Mode oder Meeresfrüchte, ob Diamanten oder Delikatessen: Der liebe Gott muss bei gönnerhafter Laune gewesen sein, als er sich Flandern einfallen ließ. So lernt man vor allem eines: Staunen.
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Die Flamen (sagen Sie bitte ja nicht „Flanderer“!) standen in ihrer turbulenten Geschichte gelegentlich in Flammen, aber ihre Heimat lag selten in Trümmern – egal, welchen fremden Herren es gerade wieder einfiel, einzufallen.
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Römer, Franken oder Burgunder, Bourbonen, Habsburger oder deutsche Invasoren beider Weltkriege: Flanderns Größe, weder kulturell noch wirtschaftlich, hat keiner klein gekriegt.
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Nicht einmal, als die Hauptschlagader des Prunks und der Prosperität, die „Zwin“, dereinst austrocknete, steckte man den Kopf in die Versandung. Und als die Wasserstraße zur Nordsee und damit zur ganzen Welt wieder in Fluss gekommen war, dafür aber eines eisigen Winters zufror, „fischte“ man eben Erdäpfel statt Austern, Muscheln und Garnelen – und schnitzte und briet sie zu den knackigsten, fettärmsten Pommes „Frieten“, die man rund um den Erdball bis heute kriegen kann; hier übrigens auch fast rund um die Uhr, bei all den „Kraampjes“, also bei den stil- und prallvollen Standeln.
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Die Menschen in Flandern waren seit jeher robust und raffiniert genug, sich mit jeglichem Schicksal zu arrangieren. Beispielhaft: Die Stadtväter von Brügge, die sich vor 70 Jahren, zwischen die Fronten geraten, bei Nacht und Granatennebel reich beladen in beide Richtungen aufmachten, um die Engländer mit Kisten von Zigarren und die Deutschen mit Kanistern voll Champagner zu bestechen.
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Brügge blieb von Bomben verschont. Das „innere“ und „äußere Ei“, en miniature mit Ring und Gürtel in Wien vergleichbar, erstrahlen in schier einzigartigem Glanz und scheinbar ewiger Größe.
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Die feudale Fachwerk-Zeile entlang der Leie, der pulsierenden Prachtpromenade von Gent (genannt: „Graslei“), wirkt so unwirklich schön, dass man fast so geneigt ist wie mancher Glockenturm („Belfried“) – nämlich dem Verdacht zugeneigt, diese Kulisse würde quasi allabendlich nur für die „Historyland“-Besucher aufgestellt und frühmorgens wieder zurückgeklappt.
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Gents Zauber liegt auch im Reiz eines Widerspruchs: Die in Stein und Holz gehauenen Jahrhunderte blicken auf Tausendschaften junger Menschen. Studenten aus aller Welt hocken hier nächtelang am Ufer und feiern, frei nach Goethe, auch in sauren Wochen frohe Feste.
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Flandern: Ein Modell für den Weltfrieden.
Und ein Modellfall für Inspiration, Internationalität und Intensität. Die Palette schillert in allen Farben. Vom Genter Altar Van Eycks und Rubens’ erster Kunst-Druckerei (1555!) bis zu den zeitgenössischen Zaren der „Antwerpen Six“ (mit Van Beirendonck, Van Noten und Demeulemeester),...
Und ein Modellfall für Inspiration, Internationalität und Intensität. Die Palette schillert in allen Farben. Vom Genter Altar Van Eycks und Rubens’ erster Kunst-Druckerei (1555!) bis zu den zeitgenössischen Zaren der „Antwerpen Six“ (mit Van Beirendonck, Van Noten und Demeulemeester),...
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... der Bogen spannt sich von „Diamantwerpen“ mit vier Börsen und wahrlich brillanten 40 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr bis zu den klassischen Konsum-Tempeln wie den königlichen Galerien in Brüssel, der ersten überdachten Einkaufs-Mall Europas.
© Pieter Heremans
Um es deftig zu formulieren: Das Motto jeder Flandernreise könnte glatt „Shoppen und sich Schoppen“ lauten. Was da alles aufgetischt wird, verdient nur ein Prädikat: paradiesisch.
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Die Sterne-strotzenden Restaurants, etwa das „Den Dyver“, direkt an den Gestaden der Grachten Brügges, bringen die Gaumensegel der genussverwöhntesten Gourmets zum Flattern.
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Der barocke Begriff „sich ergehen“ trifft auf Flandern im doppelten Sinn zu: Sich im Überfluss ergehen und sich zugleich den Überfluss ergehen. Denn: Meilenweit durch die Metropolen zu marschieren, wird auf Schritt und Tritt reich belohnt. So fanden wir in Brüssel nach dem bloß 61 Zentimeter kleinen Manneken Pis (1619), Symbol belgischer Keckheit und Aufmüpfigkeit, auch seine „kleine Schwester“, Janneken Pis (seit 1985). Dezent in der Nische einer Nebenstraße. Auch das verströmt einen Hauch von Überfluss!
(kurier.at)
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