Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten

Geschütztes Weltnaturerbe erleben und bestaunen.
Die Nordseeküste vor Schleswig-Holstein ist ein Tipp für Urlauber, die der sommerlichen Hitze gern entfliehen. Entschleunigung bei angenehmen Temperaturen.

"Moin! Willkommen am Wattenmeer!" Ein langer Damm, hier heißt er Deich, mit einer saftigen grünen Wiese baut sich vor uns auf, als wir Halt machen. Im kleinen Ort Büsum, der ersten Station unserer Entdeckungsreise in den hohen Norden Deutschlands. Plötzlich klingt Musik aus jener Richtung aus der man eigentlich das Rauschen der Nordsee erwarten würde: Dort, wo unzählige Strandkörbe wie bunte Streichholzschachteln verstreut stehen, beginnt das Kurorchester von Büsum gerade mit einem Wattlauf. Nicht wirklich laufen, vielmehr ein Spazieren oder Waten durch das jetzt bei Ebbe gerade wenige Zentimeter tiefe Wasser.

Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten
An der Spitze die Wattpräsidentin, dahinter viele Urlaubsgäste, allesamt barfuß, versteht sich. Immer wieder wird kurz angehalten, die Wattpräsidentin gibt eine kleine Episode zum Besten, dann geht es weiter durch das Nass bis zur Wattkante, wo sich jeder eine Watt-Taufe im Namen von Neptun, dem Gott des Meeres, verdient hat. Getauft und schon ein wenig hungrig beginnt der Rückmarsch nach Büsum, wo schon leckere Krabben-Brötchen auf die Wattläufer warten.
Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten
Das war der Auftakt zu vielen eindrucksvollen Erlebnissen in dieser wunderbaren Naturlandschaft, zu Recht von der UNESCO als Weltnaturerbe geschützt. Mit einem kleinen Kutter geht es danach hinaus aus dem Hafen von Büsum. Nach einer knappen Stunde zeichnen sich schmale Streifen am Horizont ab, Sandbänke mit dunklen Flecken. Die dunklen Flecken entpuppen sich bald als Seehunde, Duzende an der Zahl, sie lassen sich durch das Boot nicht irritieren. Die Jungen tollen im Wasser, während ein mächtiger Bulle äußerst geschickt über die Sandbank robbt. Längst hat der Kapitän die Maschinen gestoppt, der Kutter gleitet in sicherer Distanz zur Sandbank gemächlich an den Seehunden vorbei. Ein spektakuläres Schauspiel für "Landratten".

Halligflieder

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Zurück an Land geht es mit dem Auto ein Stück weiter nach Norden. Vorbei an weiten Wiesenflächen mit grasenden Hochlandrindern und Schafen. Nächstes Ziel ist das Seebad St. Peter-Ording. Auch hier sind die Häuser hinter einem schützenden Deich errichtet. Davor liegen grüne Salzwiesen mit blühendem Halligflieder durchzogen, manchmal durch kleine Wasserläufe getrennt, hier Priele genannt. Das Grün geht in einen Kilometer breiten Sandstrand über, erst weit draußen am Horizont erkennt man die Brandung der Nordsee. Am besten kann man alles genießen, wenn man früh am Morgen vom Deich weg über eine der Seebrücken spaziert.

Frische Brise

Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten
Meist bläst einem dabei der frische Wind ordentlich um die Ohren, der nur vom munteren Geschrei der Seeschwalben übertönt wird. Man kann diese eleganten, weiß gefiederten Tiere auch gut beobachten, wie sie am Ufer der Priele entlang spazieren, auf der meist erfolgreichen Suche nach einem fetten Wurm. Die obligaten Strandkörbe sind meist etwas erhöht auf kleinen Dünen oder Holzterrassen aufgestellt, damit man bei "Land unter" diese schwerfälligen Minisommerhäuschen nicht abtransportieren muss.
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Am Strand von St. Peter Ording fällt immer wieder der Blick auf einen mächtigen Leuchtturm von Westerhever. Der rot-weiß-rote, 100 Jahre alte Turm inmitten der grünen Salzwiesen mit seinen beiden kleinen Häuschen zur Seite gilt als Wahrzeichen dieser Gegend. Von grasenden Schafen am Wegrand beäugt, immer gegen den jetzt stürmischen Wind gelehnt, ist man nach 45 Minuten Marsch durch das Naturschutzgebiet am Fuße des Turms angelangt. Der einsame Platz ist auch heute noch bewohnt. Nicht mehr vom Leuchtturmwärter, der ist 1979 ausgezogen, als der Leuchtturm automatisiert wurde. Jetzt verbringen junge Menschen hier ihren Zivildienst auf der Schutzstation Wattenmeer. Gerne führen sie interessierte Besucher hinaus ins Watt. Barfuß, dafür mit Spaten ausgestattet, um den Gästen hie und da einige Exemplare der typischen Gattungen zu präsentieren, die sich hier heimisch fühlen. Mit Kennerblick wird plötzlich der Spaten in den weichen Sand gestochen: Ein Wattwurm rekelt sich auf der Schaufel. Er gilt als Leckerbissen für Zigtausende Zugvögel, die hier rasten. Man kann stundenlang herumspazieren und dabei spannenden Geschichten der Führerinnen lauschen. Wie es wohl sei, wenn man zu spät umkehrt und von der Flut überrascht wird. Dann hilft nur der eilige Rückzug auf einen Rettungs-Pfahlbau, der am Rande des weißen Sandstrandes in einiger Entfernung zu erkennen ist. Quasi eine Biwak-Schachtel für das Wattenmeer. Der große Unterschied zur Bergnot: Hier ist man sicher, dass nach längstens 6 Stunden Flut wieder Ebbe ist und man sicher zurück kann!

Salzwiesen und Priele

Das Wattenmeer der Nordsee ist neben den Alpengipfeln die einzige Naturlandschaft in Europa, die großräumig in ihrer natürlichen Dynamik und Schönheit erhalten werden konnte. Wind und Wasser, Gezeiten und Sturmfluten sorgen dafür, dass diese Landschaft immer wieder neu geformt wird. Neue Salzwiesen und Priele entstehen während Sanddünen abgebaut werden. Oder umgekehrt. Was bewegt eigentlich die Menschen, hier in dieser naturbelassenen Landschaft zu wohnen? Nicht nur auf dem Festland hinter schützenden Deichen, sondern auf einer Hallig, in einem Haus auf einem kleinen Hügel inmitten einer kleinen Insel.

Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten
Zwei Bewohner lehnen sich am Sonntag (04.10.2009) bei einem Spaziergang durch das ablaufende Wasser gegen den Wind auf der Hallig Hooge in der Nordsee. Sturmtief «Sören» hat Hamburg und Schleswig-Holstein in der Nacht zum Sonntag den ersten Vorgeschmack der rauen Jahreszeit gebracht. Die nordfriesischen Halligen liefen voll Wasser und meldeten landunter. Foto: Swantje Paprotta dpa/lno +++(c) dpa - Bildfunk+++
Den besten Einstieg ins Hallig-Leben erfährt man, wenn man zur Hamburger Hallig fährt. Die einzige Hallig, die man mit dem Auto auf einem schmalen Damm durch Salzwiesen erreichen kann. Hierher hat sich im Frühjahr 2015 Erich Prack, einst Chefkoch auf dem Traumschiff MS Deutschland, zurückgezogen, um mit seiner Frau im Hallig-Krog ein Restaurant zu eröffnen. Für den ehemaligen Seemann liegt die Hallig-Krog in bester Lage, umgeben von Meer trotzt sie Wind und Wetter. Am Horizont kann man schemenhaft die Umrisse weiterer kleiner Hügel und Gehöfte erkennen. Bewohnte Hallige, die aber nur mit dem Boot erreichbar sind.

Wer hier einmal Gast sein durfte, der wird nach seinem Besuch am Wattenmeer schwer von dieser Landschaft und der innigen Naturverbundenheit der Bewohner beeindruckt sein und gerne wieder kommen.

Info

Wattenmeer Das von der UNESCO geschützte Weltnaturerbe Wattenmeer erstreckt sich als größte Wildnis Mitteleuropas von den Niederlanden über die deutsche Nordseeküste bis nach Dänemark. Weite Flächen eines Wattenmeeres fallen regelmäßig zwei Mal täglich während der Ebbe trocken. Der Boden weist geringes Gefälle auf, mit einem Höhenunterschied von weniger als einem Meter auf einer Länge von einem Kilometer. Der Pegelstand zwischen Flut und Ebbe differiert um mind. zwei Meter.

Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten
St. Peter-OrdingDer Strand ist 12 km lang und bis zu 2 km breit. Es gibt fünf überwachte Strandabschnitte mit Restaurants und Toilettanlagen.
Platz genug für Strandläufer und Spaziergänger. Strandsegler erreichen bis 130 km/h. Kitesurfer tragen hier jährlich einen Weltcup aus. Alles ist gut gegliedert und ausgeschildert, es findet auch in der Hochsaison jeder „seinen“ Lieblingsplatz!www.st-peter-ording.de

Büsum Im Kurort direkt an der Nordsee ist alles zentral, gut erreichbar und barrierefrei angelegt. Eigene Wattrollstühle erlauben einen Ausflug ins Watt. Vom Hafen aus werden täglich verschiedene Ausflugsfahrten ins Wattenmeer angeboten. Im Zuge des Ausbaues der Deichanlagen wurde eine künstliche Lagune zum Baden und für Wassersport geschaffen, unabhängig von den Gezeiten. www.buesum.de

Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten
Anreise Mehrmals täglich Flüge von Wien nach Hamburg, weiter mit dem Leihwagen Norddeutschland entdecken.

Wohnen Kleine Hotels, Privatvermieter, Ferienwohnungen oder Campingplätze;
z. B. das neue Lifestyle-Hotel StrandGut Resort direkt an Strandpromenade und Seebrücke in St. Peter-Ording, www.strandgut-resort.de

Wattwandern Am interessantesten und sichersten mit fachkundiger Führung, Infos bei lokalen Büros der Schutzstation Wattenmeer wie in Büsum oder St. Peter-Ording. Auskünfte auf www.schutzstation-wattenmeer.de

Radfahren Ausgedehntes, gut beschildertes Radwegenetz entlang der Nordseeküste bzw. auf den Deichen, oft auf befestigten Wegen. Achtung! Radeln anstrengend bei Gegenwind. Es gibt viele Radverleihstellen in der Region.

Baden Abgegrenzte Badezonen an den Stränden werden beaufsichtigt. Selbst im Hochsommer erreicht die Nordsee kaum mehr als frische 18 °C. Wärmere Alternative zu Baden: eine der Thermen in St. Peter-Ording oder Büsum.

Das Wattenmeer: Im Bann der Gezeiten
Restaurant-Tipps"Seekiste" in St. Peter-Ording: Eines von fünf Pfahlbaurestaurants direkt am Strand auf der Böhler Sandbank, man sitzt hier inmitten der Natur, bei Flut umspült von der Nordsee und nur über einen Steg zu erreichen. In sicherem Abstand zum Wasser freut man sich über feinen Labskaus als Vorspeise, der früheren Restlmahlzeit der Fischer, jetzt eine Delikatesse mit der unverkennbaren Farbe der Roten Beete. Bleibt dann die Wahl zwischen fangfrischem Fisch oder einem Stück vom Salzwiesen-Lamm. Mit etwas Glück erlebt man zum Dessert, wie der Sonnenball tiefrot am Horizont ins Wasser sinkt, ziemlich spät im Sommer am nördlichen Wattenmeer.www.dieseekiste.de
Hamburger Hallig: Im reetgedeckten Wirtshaus bietet Erich Prack regionale Küche auf hohem Niveau. Das Haus liegt auf einer Warft, einem künstlich aufgeschütteten Hügel, um auch bei Sturmflut trocken zu bleiben.
www.hallig-krog.de

Pauschale Die Busrundreise „Nordsee und Wattenmeer“ vom 24. bis 30. Mai ist um 1699 € zu haben.
Details: Klug Touristik – Club 50, 01/ 245 50-0, office@club50.at
Praterstraße 38, 1020 Wien

Auskünfte www.nordseetourismus.de,
Deutsche Zentr. f. Tourismus in Wien, 01/513 27 92, www.germany.travel

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