Im Angesicht des heiligen Berges

Wehrkirche und Palast in der Residenzstadt Gremi in Kachetien.
Mit dem Bus durch das Land der Steine, auf der Suche nach der Wiege des Weins.

Ich schaue jeden Morgen aus dem Fenster zum Ararat", erzählt die armenische Reiseleiterin. "Wenn ich den Gipfel sehe, weiß ich, dass es ein guter Tag wird." Der sagenumwobene Berg ist Teil der Identität der Armenier, auch wenn er jenseits der Grenze in der Türkei liegt.

Ob uns ein guter Tag bevorsteht, wird sich erst zeigen: Statt des 5137 Meter hohen Gipfels bestaunen wir von der Klosteranlage Khor Virap aus eine Nebelwand. Dafür kann man für ein paar Dram seine Wünsche mit einer weißen Taube zum Himmel schicken. Oder – für Mutige – in jene Grube klettern, in der Gregor der Erleuchtete der Legende nach zehn Jahre in Gefangenschaft verbrachte, weil er sich weigerte, dem christlichen Glauben abzuschwören. Der Abstieg über die klamme Eisenleiter in die Steinkammer unter dem Altar bereitet ein mulmiges Gefühl.

Im Angesicht des heiligen Berges
Armenien Kloster Noravank
Wenige Kilometer weiter kommt beim Kloster Norwank befreites Wildwest-Feeling auf: Als würden jeden Moment Cowboys durch tiefe Schluchten, entlang roter Tuffsteinformationen reiten. Nicht weniger spektakulär präsentiert sich die Klosteranlage mit der im 13. Jahrhundert erbauten Mausoleumskirche. Asiatisch anmutende Gesichter auf den Reliefs sollten die Zerstörung durch die immer wieder einfallenden Mongolen verhindern.
Im Angesicht des heiligen Berges
Armenien Sewankloster Sewansee
Sobald der Besucher die Hauptstadt Erewan mit seinen prunkvollen Boulevards und internationalen Flagshipstores hinter sich lässt, bestimmen ärmliche Siedlungen die Landschaft. Freilaufende Kühe, rostige Ladas und klapprige Pferdekarren kreuzen den Weg. Am Straßenrand bieten alte Frauen ihre Waren feil: Medizinball-große Krautköpfe, eingelegtes Gemüse und Tschurtschchela-Stangen, eine beliebte Süßigkeit aus gehärtetem Traubensaft und Nüssen. Die Männer stehen in Gruppen herum und rauchen – wenn es nicht gerade eine Hochzeit zu feiern gibt. So wie in der Apostelkirche am Sewansee: In der winzigen Kirche auf 1900 Meter Seehöhe strahlt ein junges Brautpaar um die Wette. Die Kulisse für den Freudentag könnte nicht schöner sein: Im Hintergrund glitzert der Sewansee, die "blaue Perle Armeniens", mit 940 immerhin doppelt so groß wie der Bodensee.
Im Angesicht des heiligen Berges
Kurz vor der armenisch-georgischen Grenze schneiden sich verfallene Kupferfabriken in die malerische Waldlandschaft. Der Bus schraubt sich enge Serpentinen hinauf zum Kloster Haghpat, UNESCO-Weltkulturerbe, das seit dem 10. Jahrhundert über der Stadt Alawerdi thront und mit kunstvollen Kreuzsteinen aufwartet.

Wiege des Weins

Über holprige Straßen geht es am nächsten Tag entlang der oberirdisch (!) verlegten Gasleitungen über die Grenze nach Georgien, in die alte Residenzstadt Gremi, einst Heimat der Heiligen Ketevan und bekanntes Weinbaubiet. Die Region Kachetien wird als die "Wiege des Weins" bezeichnet – der Rebensaft wird hier seit 7000 Jahren getrunken. Von der Qualität überzeugen wir uns im Weingut Khareba in Kvareli: Nach der Verkostung von Tsolikuri-Weißwein und Saperavi-Rotwein werden im Restaurant bei herrlichem Ausblick georgische Köstlichkeiten serviert (s. unten).

Im Angesicht des heiligen Berges
Old Tbilisi, Georgia
Bei Festen verantwortet ein eigener Tischmeister, der Tamada, die Trinksprüche. Ein Hoch auf die Freiheit und das Leben ist ein Muss. Um sich von den Feierlichkeiten zu erholen, empfiehlt sich der Besuch eines der berühmten Badehäuser in der Hauptstadt. Über die bereits der französische Schriftsteller Alexandre Dumas ins Schwärmen geriet: "Nach einem Bad in Tiflis fühlt man sich wie neugeboren."

Die georgische und die armenische Küche haben viele Gemeinsamkeiten: In beiden Ländern sind die (kalten) Vorspeisen die eigentlichen Stars der Mahlzeit:

Mit Walnusspaste gefüllte Auberginen (Badridschani), luftgetrocknetes Rindfleisch (Basturma), (Geflügel-)Salat, Käse, gefüllte Weinblätter oder Ähnliches gehören zu jeder Mahlzeit. Dazu wird Fladenbrot (Lawasch) oder Chatschapuri gereicht, eine überbackene Käse-Flade, die einer Pizza ähnelt (auch zum Frühstück!).

Anschließend folgt Suppe, erst danach wird Fleisch in Form von Spießen oder Köfte serviert. Als Dessert gibt es Früchte statt Mehlspeisen – ansonsten wird in Georgien auf Süßes verzichtet. In Armenien hingegen ist man stolz auf seine saftigen Kuchen.

Unterschiede gibt es bei den Trinkgewohnheiten: Der in Georgien so beliebte Wein wird zwar auch in Armenien angebaut und verkauft, z. B. beim Weinfestival in Areni (www.areni.info). Lieber greift man aber zu Hochprozentigem wie Schnaps oder Brandy.

Bei einer Führung durch die "Yerewan Brandy Company" in Erewan kann das Nationalgetränk verkostet werden (www.araratbrandy.com).

Zu einem gelungenen Abendessen gehört in beiden Ländern musikalische Unterhaltung. Neben Musikern, die traditionelle Lieder zum Besten geben, werden auch Tanzgruppen engagiert. Diese Darbietungen werden nicht speziell für Touristen aufgeführt, sondern sind auch bei den Einheimischen sehr beliebt.

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