Relax Guide: Wellness war noch nie so teuer
Bis zu 990 Bewerber gibt es jedes Jahr – doch der Job des Wellnesshotel-Testers ist nicht so entspannt wie er klingt, betont Christian Werner: „Man muss sich mit vielen Details beschäftigen, sie einordnen und gut dokumentieren können. Das erfordert Intellekt und Bauchgefühl. Und man muss längere Zeit aus dem Koffer leben können – das schaffen viele Bewerber gar nicht.“
Als Werner vor 20 Jahren den ersten Relax-Guide herausbrachte, gab es in Österreich gerade einmal 300 Wellnesshotels. „Anfangs war es ein Wildwuchs. Jeder Hotelier wollte auf diesen Wellnesszug aufspringen – aber keiner wusste, wie es richtig geht.“ Jahrelang wurden teure Spa-Bereiche gebaut, die aber große Mängel hatten. Muffige Kellersaunen wurden mit „Spa-Resort“ beschildert oder „ein stinknormales Wannenbad“ teuer als Erotik-Treatment angeboten.
Inzwischen hat sich die Zahl der Häuser fast vervierfacht – Werner schickt noch immer alljährlich bis zu 20 anonyme Tester aus, die mittlerweile 1095 Hotels überprüfen und bewerten. Von Anwaltsbriefen, Hausverboten und Steuerprüfungen ließ er sich in all den Jahren nicht aufhalten, Pools zu vermessen, die Wasserqualität zu prüfen und Liegen zu zählen.
Das Wort „idyllisch“ wurde in Hotelprospekten vielfältig ausgelegt: Die Tester fanden von Bundesstraße und Gewerbepark umzingelte Häuser, zwei hatten direkten Friedhofsblick, bei dreien ging sogar eine Straße mitten durchs Haus. Werner setzt die Liste der verstörenden Angebote fort: „Gleich fünf Hotels fielen durch Überwachungskameras im Nacktbereich auf. Ein sogenanntes Wasserhotel hatte keinen Pool, nicht einmal Badewannen, sondern nur ein paar Bücher zum Thema Wasser!“
Prickelnde Angebote
Kritik gab es immer wieder für unsinnige Behandlungen – wie das „vitaminreiche Zitronenbad“, den Spaziergang im Kuhstall oder das „Wellness-Aktivprogramm“, das eine Traktorsafari beinhaltet. Nach dem Motto „Sex sells“ versuchten sich einige Häuser an prickelnden Angeboten. Werner erzählt vom „Erotischen Betthupferl“ in einem Mühlviertler Hotel: „Ein Dessert, das vom Herrn Ober auf dem Bauch des Partners angerichtet wurde.“ Eine „Kharma-Lounge“ in Ischgl stellte sich sogar als Geheimbordell mit rumänischen „Geishas“ heraus, das später von der Polizei geschlossen wurde.
Preisentwicklung
Neben all den Skurrilitäten verteilt der Wellness-Experte auch Lob: „Es gibt heute mehr Außensaunen, größere Pools und bessere Küche. Die Branche stagniert auf hohem Niveau. Im internationalen Vergleich ist Österreich in einer Top-Position.“ Er sieht den Relax Guide als kritische Instanz, die durchaus zum gestiegenen Qualitätsanspruch beigetragen hat.
Das lassen sich die Häuser einiges kosten: „Die Preisentwicklung in der Wellnessbranche ist der allgemeinen Teuerung davongaloppiert.“ Vor 20 Jahren lag der Durchschnittspreis für ein mit zumindest einer Lilie gekürtes Hotel mit Halbpension bei 63,17 Euro pro Person – heute sind es 134,42 Euro. Unter Berücksichtigung der Inflation dürfte es heute nur 90,88 Euro kosten, betont Werner. Ein durchschnittlicher Wellness-Aufenthalt in Österreich dauert übrigens 2,3 Tage.
Die Prognose des Kenners: „Die Jahre des Booms sind vorbei, der Markt ist mehr als gesättigt. Die Guten werden überleben.“ Dazu zählt er freilich die 235 Lilien-Hotels, die in der aktuellen Ausgabe des Relax Guide beschrieben sind. Seit zehn Jahren wird jedes Jahr ein Schwerpunkt vorgestellt, etwa Hotels mit Ajurveda-Behandlungen oder Burn-out-Beratung. Heuer haben sich die Tester nach Südtirol gewagt und aus 230 Hotels 25 Highlights herausgesucht.
Was sich der Wellness-Profi in Österreich wünscht? „Ein Barfuß-Hotel wie auf den Malediven wäre schön – überall Sand in der Küche, im Restaurant, im Wellnessbereich. Viel Platz und Ruhe. Aber das ist nicht massentauglich.“
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