Weißrusslands Erb-Präsidiktatur

Weißrusslands Erb-Präsidiktatur
Das Land wählt am Sonntag ein neues Parlament – eine Nebensache. Einzig Präsident Lukaschenko hat in Minsk das Sagen.

Alexander Lukaschenko denkt nicht in Amtsperioden. Fünf Jahre dauern die in Weißrussland für den Präsidenten. Lästig dürften ihm die Legislaturperioden nur sein, weil dazwischen Wahlen stattfinden müssen. So eine Art scheindemokratischer Schluckauf – auch wenn er an seiner Wiederwahl nie zweifeln musste. Alexander Lukaschenko hat das Amt bald 20 Jahre inne.

Er denkt in Jahrzehnten. 57 Jahre ist er alt. Jene, denen der Präsident mit dem Schnauzer verhasst ist, können also nicht mit einem baldigen biologischen Ablaufdatum seiner Herrschaft rechnen. Demonstrativ treibt Lukaschenko Sport, lässt vom Staatsfernsehen seine Fitness unterstreichen.

Auf Alexander folgt Kolja

Weißrusslands Erb-Präsidiktatur

Und er macht mehr und mehr klar, dass mit dem Ende Alexanders die Ära der Lukaschenkos noch lange nicht beendet sein wird. Kolja Lukaschenko ist die Antwort. Und sie ist sieben Jahre alt. Sein Sohn. Der jüngste von drei Söhnen des Präsidenten. Er begleitet ihn bei Reisen, sitzt bei Unterredungen mit anderen Staatschefs auf dem Schoß seines Vaters und steht bei Militärparaden in Uniform an dessen Seite. Bei einem Treffen mit Venezuelas Staatschef Hugo Chavez stellte Alexander Lukaschenko seinen Sohn derart vor: "Das ist mein Sohn Kolja und das bedeutet, dass es jemanden gibt, dem ich in 20, 25 Jahren den Stab übergeben kann." Seine Mutter soll eine Leibärztin des Vaters sein. Öffentlich tritt sie nicht auf. Ein andermal sagte Lukaschenko in Anspielung auf seinen Sohn: "Präsident wird man nicht, dazu wird man geboren." Geboren wurde Kolja, als Lukaschenko längst Präsident war.

Lukaschenko musste es selbst werden. Seit 1994 ist er im Amt. Die letzte Station in einer Sowjet-Karriere. Er studierte Agrarwirtschaft und Geschichte, arbeitete als Politkommissar der Grenztruppen, wurde Sekretär der KPdSU und Direktor einer Sowchose. 1990 wurde er ins Parlament in Minsk gewählt. 1991 unterstützte er den August-Putsch gegen Michail Gorbatschow. Selbst er sagt, er sei der einzige Mandatar im Parlament gewesen, der gegen die Auflösung der Sowjetunion gestimmt hätte.

Später sollte er sich seine eigene Mini-UdSSR nachbauen. Eine seiner ersten Maßnahmen als Präsident war der Stopp aller marktwirtschaftlichen Reformen. Er führte Staatsembleme ein, die an die Wappen der Sowjetrepubliken erinnern. Die Geheimpolizei KGB sollte bis heute ihren Namen weitertragen. Und außenpolitisch versuchte er, über Abkommen mit Russland eine Art Neo-Sowjetunion aufzubauen – wobei nur ein kleiner Teil der Abkommen und Unionsverträge umgesetzt wurde.

Spurlos verschwunden

Umgesetzt wurden dagegen alle möglichen Arten von Verfolgung jener, die mit seinem Kurs nicht einverstanden waren. Eine Reihe an Journalisten und Politikern verschwand spurlos. Gegner werden verhaftet und abgeurteilt.

Aber Lukaschenko hat Anhänger – und nicht wenige. Vom Wildwestkapitalismus der 90er-Jahre in Russland und der Ukraine blieb Weißrussland verschont. Stabilität heißt das Zauberwort. Stabilität zu einem Preis: Unfreiheit. Und der zuletzt drohende Staatsbankrott hat gezeigt, dass es auf sehr dünnem Eis gebaute Stabilität ist.

Vater Alexander aber scheint das nicht zu rühren. "Ihr müsst mit diesem Präsidenten leben", sagt er einmal – und meinte sich selbst. Während er seinen Sohn Kolja nach seinem Vorbild formt. Seine beiden älteren Söhne machen derweil im Staatsapparat Karriere – nicht ohne öffentlich vom Vater etwa als "unnützes Weichei" geschmäht zu werden. Die Mutter der beiden lebt zurückgezogen, abseits der Öffentlichkeit. Seit 1994.

Anzüge, Uniformen, Sportoutfits für Kolja – je nach Anlass. Einmal soll "Kronprinz" Kolja eine Stewardess gebissen haben, weil sie ihm nicht erlaubt hatte, die Tür des Flugzeuges zu schließen. Koljas angebliche Antwort: "Wenn ich Minister bin, werde ich dich erschießen."

Weißrussland: Vor dem Finanzkollaps

Wirtschaft Von Bedeutung sind vor allem die chemische Industrie, Maschinenbau sowie die Landwirtschaft. Die rund 9,4 Millionen Einwohner kamen 2011 auf ein BIP-pro Kopf von umgerechnet rund 4500 Euro.

Krise Im Frühjahr 2011 drohte der Staatsbankrott. Die Inflation lag im Vorjahr bei 52 Prozent. Grund waren u. a. Lohnerhöhungen, die Lukaschenko vor der Präsidentenwahl 2010 durchgeführt hatte.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare