Vorwürfe: "Geschäft mit Leid von Kindern"
Jahrelang war Egon B. der allgegenwärtige Gerichtsgutachter in Salzburg und Oberösterreich, wenn es um Obsorgefälle oder Sachwalterschaften ging. Jetzt besteht der Verdacht, dass der Sachverständige im Copy-&-Paste-Verfahren Fließband-Gutachten erstellt hat.
Die Staatsanwaltschaft Linz ermittelt. Weit mehr als 20 Betroffene haben Strafanzeige wegen Betrugs, falscher Zeugenaussage und Eidbruchs als Sachverständiger eingereicht. Denn: Kinder wurden auf Grund dieser Gutachten abgenommen, Besuchsrechte eingeschränkt, Schicksale ganzer Familien entschieden.
"Unbrauchbar"
Max Steller, ein Spezialist aus Deutschland, hat die Gutachten geprüft und in der Luft zerrissen: "Als Entscheidungshilfe unbrauchbar, voller Qualitätsmängel, nicht nachvollziehbar, falsche Verwendung von Fremdwörtern", lautet sein Urteil.
Egon B. hat mittlerweile eine Gegendarstellung eingereicht. Darin heißt es u. a.: Die Gutachten wurden durch die Gerichte und Jugendämter den Parteienvertretern geprüft. Weder von den Erstgerichten noch in der Instanz wurden die Gutachten fachlich bemängelt.
Richard Maier aus Salzburg ist Vater und selbst ein Betroffener. Egon B. hat ein Gutachten erstellt, als es um die Obsorge von Maiers Töchtern ging. Der Salzburger verlor in der Folge die gemeinsame Obsorge.
"In meinem Verein ,Kindergefühle" gibt es weit über 100 Beschwerden wegen des Sachverständigen. Mir liegen stapelweise Gutachten vor. Mittlerweile kenne ich einen Juristen vom Attersee, der ein Klon-Gutachten zu meinem hat", erzählt Maier. Tatsächlich sind die Gutachten der beiden Männer seitenweise gleich. "Sogar Rechtschreibfehler wurden übernommen", sagt Maier.
Warum er das Gutachten einfach nicht akzeptiert und angefochten hat? "Man hat mir gedroht, das Besuchsrecht auszusetzen, bis die Sache geklärt ist. Ich habe in Salzburg gegen Windmühlen gekämpft."
Der Fall Egon B. wurde tatsächlich wegen Befangenheit zum Gericht Oberösterreich verlegt. Zu groß waren die internen Verstrickungen mit dem Gerichtsgutachter.
Maier und andere Eltern hoffen, dass es jetzt zu einem Strafverfahren kommt. "Ich kämpfe für die Wiederherstellung meiner Familie, ich will die Rückübertragung der Sachwalterschaft für meinen Sohn Wolfgang, ich will nicht 14 Tage vorher ansuchen müssen, wenn ich mit ihm auf Urlaub fahre", sagt Renate Költringer, Mutter eines autistischen Kindes.
Die Geschäftsfrau, die in Straßwalchen ein Fotogeschäft betreibt, hofft auf eine Zeugenladung im Strafverfahren: "Den Richtern hätte eigentlich schon lange auffallen müssen, dass der Wortlaut in den Gutachten gleich ist. Aber anscheinend kratzt man sich bei Gericht nicht gegenseitig die Augen aus", meint Költringer.
Die Salzburgerin hat das Gutachten von B. abgelehnt. "Das wurde nicht bewilligt. Der Sachverständige Steller hat sofort gesehen, dass da etwas nicht stimmt. Die ganze Sache schreit zum Himmel. Da wurde ein gutes Geschäft mit dem Leid von Kindern und Familien gemacht."
Kommentare