"Vom Kanzlerbonus kann man nicht mehr sprechen“

"Vom Kanzlerbonus kann man nicht mehr sprechen“
OGM-Experte Wolfgang Bachmayer im KURIER-Interview zur großen Sonntagsumfrage.

Rot, Schwarz, Grün und Orange verlieren – eine Partei, die es noch nicht einmal gibt, macht sechs Prozent. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer analysiert für den KURIER die große Sonntagsumfrage.

KURIER: Herr Bachmayer, Stronach schafft auf Anhieb sechs Prozent. Offenbar holt er Wähler aus allen Lagern?
Wolfgang Bachmayer: Die erste Schlussfolgerung ist natürlich, dass Stronach genau die Prozentpunkte aufsaugt, die die anderen verlieren. Aber so einfach ist es nicht. Die anderen nehmen sich auch gegenseitig etwas weg.

Stronachs Antreten, also ein Schicksalsschlag, der alle bisherigen Parlamentsparteien unvorbereitet trifft?
Das wäre zu schlicht pro Stronach argumentiert. Zur Stärke des einen gehört auch die Schwäche des anderen. Die SPÖ spürt natürlich die Debatten um die Ladung des Kanzlers in den Untersuchungsausschuss. Bei der ÖVP wirkt die Obmann-Debatte der vergangenen Woche nach; die Freiheitlichen leiden unter den anhaltenden Affären von Kärnten bis Martin Graf.

Aber die größte Überraschung sind wohl die Grünen – auch die haben zwei Prozent verloren?
Ja, auch die Grünen leiden wohl unter der Debatte um den U-Ausschuss. Und man muss das auch im Zeitablauf sehen: Sie hatten ein Hoch, haben ihr Bild als Anti-Korruptionspartei stärken können. Aber das nützt sich wieder ab, vieles gerät in Vergessenheit. Auch die rot-grüne Hand-in-Hand-Präsenz der vergangenen Wochen könnte ein Faktor sein – gemeinsam mit den Angriffen der ÖVP gegen so ein mögliches rot-grünes Linksbündnis.

Spindelegger verliert in der sogenannten Kanzlerfrage (Text oben) am meisten – wie interpretieren Sie das?
Das kann eigentlich nur eine Folge der internen Debatten sein – das ist eindeutig. So was schadet viel mehr als die sowieso ständig laufenden Angriffe vom politischen Gegner. Das wirkt um ein vielfaches stärker. Von einem Kanzlerbonus kann man bei Faymann aber auch nicht mehr sprechen: Franz Vranitzky hatte in den besten Zeiten noch 60 Prozent. Für Strache liegen die einstigen Spitzenwerte auch außer Reichweite. Sein Problem ist: Im Sog der ganzen Skandale konnte er keine Themen setzen, sondern war immer nur in der Defensive.

Wer hat bei der ersten bundesweiten Volksbefragung über die Wehrpflicht die besseren Karten?
Aus heutiger Sicht werden 35 bis 40 Prozent teilnehmen – das ist ein sehr guter Wert, wenn man bedenkt, dass wir erst am Anfang stehen. Letzten Endes spricht derzeit für die ÖVP mehr. Die SPÖ hat eher ausmobilisiert, sie hat fast all ihre Karten ausgespielt. Die ÖVP hat hingegen bisher ihre Haltung noch nicht wirklich kampagnisiert. Sie hat sich damit begnügt, zu sagen: "Ja zur Wehrpflicht". Andererseits: Die ÖVP hat bei allen Wahlen der letzten Zeit schlecht kampagnisiert.

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