Türkei: Wachablöse an Armeespitze
Wohl noch nie wurde eine Sitzung des Obersten Militärrats der Türkei mit solcher Spannung verfolgt wie die am Montag eröffnete: Denn nach dem völlig überraschenden Rücktritt der Armeespitze stehen tief greifende Personalentscheidungen an. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan muss sich bis Donnerstag mit den Militärs auf einen neuen Generalstabschef sowie über neue Befehlshaber für die Bodentruppen, die Luftwaffe und die Marine einigen.
Die bisherigen Amtsinhaber hatten Freitagabend um ihre vorzeitige Pensionierung angesucht. Sie seien nicht mehr in der Lage, die Rechte ihrer Untergebenen zu schützen, erklärten sie.
Hintergrund ist das sogenannte "Ergenekon-Komplott": Seit zwei Jahren versucht die Justiz eine angebliche Verschwörung gegen die islamisch-konservative Regierungspartei AKP aufzudecken. Etwa 300 Militärs, Journalisten, Geschäftsleute und Anwälte wurden festgenommen. Unter ihnen befinden sich auch 42 Generäle und Admiräle. Mehrere Anklagen wurden erhoben.
Da die Schuld der Militärs noch nicht bewiesen ist, wollte der bisherige Generalstabschef Isik Kosaner deren Dienstzeit verlängern - Erdogan schmetterte dieses Ansinnen ab. Die Spitzenmilitärs zogen die Konsequenz und traten zurück.
Viele Türken sehen in diesem Paukenschlag den Sieg der Regierung über die Armee, die sich seit jeher als Hüterin der weltlichen Prinzipien von Staatsgründer Kemal Atatürk versteht. Manche fürchten aber, die Militärs könnten einer noch nicht erkannten Strategie folgen.
Dreimal seit 1960 putschten sie Regierungen aus dem Amt. Die islamische Ausrichtung der AKP war der säkular ausgerichteten Armee stets zuwider. Doch sie konnte nicht verhindern, dass die Partei seit 2002 den Einfluss der Militärs zurückdrängte. In der geplanten neuen Verfassung soll sie dem Verteidigungsminister unterstellt werden. Schon jetzt will Erdogan bei der Vergabe der Spitzenposten mitmischen.
Allgemein wird erwartet, dass der bereits interimistisch bestellte General Necdet Özel - bisher Kommandant der Militärpolizei - endgültig zum Generalstabschef ernannt wird.
Erdogan demonstrierte am Montag jedenfalls stolz seinen Sieg im Machtkampf: Er saß beim Auftakt des Treffens allein am Kopf des Tisches, an dem üblicherweise auch der Generalstabschef sitzt.
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