Türkei legt Beziehungen zu EU 2012 auf Eis
Die Türkei verschärft nun auch die Gangart gegenüber der
Europäischen Union. Während der zypriotischen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union wird Ankara die Beziehungen mit der EU auf Eis legen, sagte Vizepremier Besir Atalay am Ende eines Besuchts in Nordzypern der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Wenn die EU seine rotierende Präsidentschaft an Südzypern gibt, wird es zu einer richtige Krise zwischen der Türkei und der EU kommen", sagte Atalay. "Wir werden dann unsere Beziehungen mit der EU einfrieren."
"Wir haben dies angekündigt, wir haben als Regierung diese Entscheidung getroffen", bekräftigte der türkische Vizepremier eine Ankündigung von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan. Dieser hatte Ende Juli erklärt, er strebe eine Lösung des Zypern-Konflikts bis Jahresende an. Sollte es keine Lösung geben, werde die Türkei für die Zeit der zypriotischen EU-Ratspräsidentschaft ihre Beziehungen mit der Europäischen Union einfrieren, warnte Erdogan.
EU-Skepsis
Die
Türkei hält den türkisch bewohnten Nordteil der Mittelmeerinsel militärisch besetzt und weigert sich beharrlich, die griechisch-zypriotische Regierung in Nikosia anzuerkennen. Diese übernimmt im Juli 2012 für ein halbes Jahr den EU-Ratsvorsitz. Wegen des Zypern-Konflikts hat die Europäische Union acht Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf Eis gelegt. In den seit dem Jahr 2005 laufenden Beitrittsgesprächen konnte die Türkei erst eines von 35 Kapiteln abschließen - und zwar unter österreichischer Ratspräsidentschaft im Jahr 2006. Stand Österreich mit seiner Ablehnung eines türkischen EU-Vollbeitritts zunächst noch alleine da, machen sich nun auch die konservativen Regierungen von Frankreich und Deutschland für eine besondere Partnerschaft mit Ankara stark.
Auch innerhalb der Türkei nehmen die EU-skeptischen Stimmen zu. So machen sich namhafte Vertreter der gemäßigt-islamischen Regierungspartei AKP für einen Abbruch der Verhandlungen stark. Ministerpräsident Erdogan wollte von solchen Forderungen bisher nichts wissen. So richtete er kürzlich demonstrativ ein eigenes Europaministerium ein, um die EU-Bewerbung seines Landes zu stärken.
Privilegierte Partnerschaft
Außenminister Michael Spindelegger (V) nahm die nunmehrige Ankündigung des türkischen Vizepremiers zum Anlass, für seinen Vorschlag einer privilegierten Partnerschaft zwischen der Türkei und der EU zu werben. "Vielleicht ist das jetzt eine Möglichkeit, die wir näher erörtern sollen", sagte Spindelegger in der ORF-Pressestunde am Sonntag. Schon jetzt gebe es nämlich "einen Verhandlungsprozess, in dem de facto nichts weitergeht". Kernpunkt dieser Auseinandersetzung sei das Zypern-Problem, erläuterte der österreichische Chefdiplomat. Spindelegger zeigte sich zugleich besorgt über die Entwicklungen in der Türkei, die in den vergangenen Wochen wegen des Konflikts um die Gaza-Hilfsflotte auf Konfrontationskurs mit ihrem früheren engen Verbündeten Israel gegangen war.
Die Republik
Zypern umfasst völkerrechtlich gesehen die gesamte Insel, faktisch befindet sich der Nordteil jedoch seit einem griechischen Putsch und einer anschließenden türkischen Militärintervention im Sommer 1974 unter türkischer Kontrolle. Die Türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei anerkannt, die dort 35.000 Soldaten stationiert hat. Ein UNO-Plan zur Wiedervereinigung der beiden Landeshälften wurde 2004 vom türkischen Norden angenommen, scheiterte jedoch bei einem Referendum im griechischen Süden.
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