Trauer ist kein Tabuthema

Trauer ist kein Tabuthema
Sterben. Ein Thema, mit dem sich auch Erwachsene nicht gerne befassen. Und wie spricht man mit seinen Kindern über den Tod?

Immer wieder fragt die kleine Lena ihre Mutter: "Warum kommt uns die Uroma jetzt nicht mehr besuchen? Wo ist sie - im Himmel?"
Mit Kindern über den Tod zu sprechen, ist nicht einfach - ein Balanceakt. "Das Problem ist, dass wir dabei selbst in Bedrängnis geraten", erklärt KURIER-Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger. Der Tod als Thema ist in der heutigen Zeit nicht ins Leben integriert, sondern vielmehr ein blinder Fleck, den wir verdrängen möchten, erklärt die Expertin. "Die Gesellschaft blendet den Tod aus, daher sind wir erst einmal sprachlos, wenn das Kind uns darauf anspricht." Denn auch für Erwachsene ist es schwer, sich dem Thema zu stellen.

"Das hat damit zu tun, dass das Leben für uns in gewisser Weise kontrollierbar geworden ist, der Tod aber ist es nach wie vor nicht", meint Leibovici." Die Vergänglichkeit wird verdrängt - sie gehört für die meisten nicht zum Leben. "Zu Allerheiligen und Allerseelen stürmen dann viele Menschen die Friedhöfe, und alles damit Verbundene kommt wieder hoch", sagt Leibovici. Es ist natürlich, dass wir uns mit diesem Thema nicht gerne befassen - auch im Sinne eines Selbstschutzes. Niemand möchte über den Tod nachdenken, sondern viel lieber das Leben genießen.

Wie aber kann man dieses komplexe Thema sich selbst und seinem Kind näher bringen? "Wenn die Augen davor nicht verschlossen werden und der Erwachsene für sich klärt, wie er zu diesem Thema Bezug nehmen will und kann, dann wird es auch einfacher, dem Kind Antworten zu geben", rät Leibovici.

"Man darf Kindern durchaus zumuten, sich mit dem Thema Tod zu befassen", sagt Silke Höflechner-Fandler, pädagogische Leiterin von Rainbows Österreich. Rainbows bietet Begleitung für Kinder und Jugendliche nach Todesfällen an. In Unterstützungsgesprächen gehen die Berater behutsam auf dieses schwierige Thema ein.

Trauer zulassen

Das Kind zu einem Begräbnis mitzunehmen ist ein wichtiger Teil der Trauerarbeit und kann zum gemeinsamen Abschiedsritual der Familie werden, meint Höflechner. "Das Kind sollte aber darauf vorbereitet sein, was dabei passiert", betont sie. Hilfreich für die gesamte Familie kann es auch sein, wenn man als Kind in die Begräbnisvorbereitungen eingebunden wird. Gut ist, wenn dem Sohn oder der Tochter auf der Trauerfeier eine Bezugsperson zur Seite steht, die idealerweise nicht zu stark in die Geschehnisse involviert ist. Das kann zum Beispiel eine Freundin der Familie sein, die das Kind gut kennt und der es vertrauen kann. Das eröffnet auch die Möglichkeit, mit dieser Vertrauensperson die Kirche oder den Friedhof kurzfristig zu verlassen, wenn die Situation zu schlimm werden sollte.

Integrieren

Trauer ist kein Tabuthema

Auch das Rundherum um die Trauerfeier sollte vorher geklärt sein. Das Kind muss darauf vorbereitet werden, dass sich manche Familienmitglieder bei der Trauerfeier vielleicht anders verhalten werden als gewöhnlich, schlägt die Rainbows-Leiterin vor. Niemand soll seine Trauer verstecken, und jeder Mensch trauert eben auf seine individuelle Art.

So kann es eben sein, dass die sonst so lebenslustige Oma weint. Auf diese Weise lernen Kinder mit ihren Gefühlen, aber auch mit denen von anderen Beteiligten umzugehen. Der Tod sollte auch beim Namen genannt werden. Floskeln wie "jemand ist sanft entschlafen" oder "die Uroma ist fortgegangen" könnten von einem kleinen Kind zu wörtlich genommen werden, erklärt Höflechner. Vielleicht entsteht dann beim Kind die Angst, selber nicht mehr aufzuwachen, wenn es schlafen geht. Oder es beginnt den Verstorbenen überall zu suchen, da er ja zurückkommen könnte, wenn er nur fortgegangen ist.

KURIER-Familycoach-Telefonsprechstunde: Montag, 13 bis 15 Uhr, 01/526 57 60.

Buchtipps
Mit gefühlvollen Illustrationen und pädagogischen Anleitungen zeigt Andrea Moritz Eltern und Erziehenden in ihrem Buch "Tod und Sterben - Kindern erklärt", wie man mit Kindern über das Thema Vergänglichkeit sprechen kann und ihnen damit hilft, Erfahrenes zu verarbeiten und zu erfassen. In der Einleitung werden zahlreiche Ansichten beleuchtet - unter anderem darauf hingewiesen, dass die Entwicklungspsychologie davon ausgeht, dass Kinder erst ab dem 6. Lebensjahr begreifen, was Sterben bedeutet.
Andrea Moritz, "Tod und Sterben - Kindern erklärt", Gütersloher Verlagshaus, €13,40.

Der kleine Tod ist traurig, denn anscheinend mag ihn niemand. Dabei gibt er sich die ganze Zeit solche Mühe, gemocht zu werden. Er nähert sich den Sterbenden immer ganz leise, klopft vorsichtig an ihre Türe, nimmt sie an der Hand und führt sie ins Totenreich. Eines Tages trifft der kleine Tod auf Elisewin. Sie reagiert anders als alle Menschen, die er zuvor getroffen hat. Elisewin geht gern mit ihm mit und erzählt ihm, dass ihr nun endlich nichts mehr weh tut und sie sich darüber sehr freut. Die Zeit mit ihr verändert so einiges im Dasein des kleinen Tod.
Kitty Crowther, "Der Besuch vom kleinen Tod", Carlsen Verlag, €13,30.

In dieser Bilderbuchgeschichte geht es um Otto und Lisa, die echte Freunde sind. Otto ist Gärtner und daher treffen sich die beiden oft in seinem großen Garten, wo Ottos Frau Olga Kekse für die beiden bäckt. Otto kann Lisa alles erklären, und beantwortet ihr jede Frage. Doch Otto ist sehr alt und eines Tages kann er das Bett nicht mehr verlassen, weil er zu schwach ist. Lisa weiß, dass er sterben wird. Nachdem Otto gestorben ist, fühlt sich Lisa furchtbar unverstanden und verlassen. Doch Olga zeigt ihr, wie sehr Otto immer noch da ist.
Anette Bley, "Und was kommt nach tausend?", Ravensburger Verlag, €12,99.

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