Tirol: Viele Fragen nach Helikopter-Drama
Es war der dritte Flug, der am Sonntag am Großvenediger auf rund 3400 Meter Höhe in eine Tragödie mündete: Im Landeanflug zu einem Bergeeinsatz klinkte der 31-jährige Pilot plötzlich das Seil aus, an dem Alpinpolizist Franz Franzeskon und die Prägrater Bergretter Mathias B., 40, und Konrad Z., 43, hingen.
Flugretter Gerald Ortner und Alpinpolizist Franz Riepler, die bereits am Gletscher warteten, mussten den Absturz ihrer Kameraden miterleben – und zuwarten, bis die Helfer zu Fuß vom Defreggerhaus (2962 Meter) bei ihnen eintrafen. Franz Franzeskon, der 52-jährige Leiter der Osttiroler Alpinpolizei, war da noch am Leben, er erlag bei der schwierigen Bergung seinen schweren Verletzungen. Der Grund des Einsatzes war die Bergung eines slowakischen Polizisten, der seit Samstag kopfüber in einer Gletscherspalte lag.
Jetzt versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft, die brennenden Fragen zum Unglück zu klären.
War der Rettungseinsatz zu gefährlich? War bereits klar, dass der Alpinist tot war?
„Dass jemand tot ist, weiß man nur, wenn dies vom Arzt festgestellt wurde, auch wenn es im Fall des Slowaken mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen war", sagt Norbert Zobl, Tirols stellvertretender Landespolizeikommandant. Ob der Einsatz zu gefährlich war, „lässt sich erst beurteilen, wenn der Unfall analysiert ist. Vorher Aussagen zu treffen, wäre unfair gegenüber den Beteiligten."Peter Ladstätter, der Leiter der Osttiroler Bergrettung, versichert, „dass alle Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen getroffen" wurden.
Laut Polizei herrschten Nebel und Föhn. „Schlimmer kann es nicht mehr kommen, wenn man einen Rettungseinsatz fliegen muss", sagt ein Experte, weil durch Böen das Fluggerät versetzt wird. Allein der Pilot entscheidet, ob er fliegt. So brach der Polizeihelikopter, der am Sonntag in Innsbruck Richtung Großvenediger gestartet war, den Flug aufgrund des Föhns über dem Hauptkamm wieder ab.
Doch der Wind sei in diesem Bereich gar nicht das Problem gewesen, erklärt Roy Knaus vom Salzburger Helikopterunternehmen, für welches der Pilot, ein Mitarbeiter der Austro Control, nebenberuflich seit sechs Monaten fliegt. „Er erzählte, dass plötzlich Nebel aufgezogen ist."
Von Franzeskon, der den Helm des Notarztes trug und damit Funkverbindung zum Piloten hatte, habe er erfahren, dass sich die Männer am Seil rund fünf Meter über dem Boden befänden. „Wir hoffen auf die Angaben der Zeugen, wie hoch sie tatsächlich waren."
Ausklinken
Warum hingen die drei Männer am Seil?
Knaus: „Bei vorherigen Flügen zeigte sich, dass es dort schwierig war, die Leute ohne Seil aussteigen zu lassen."
Funkte Franz Franzeskon tatsächlich zum Piloten, dass er das Seil ausklinken soll?
Dazu gibt es laut Norbert Zobl und Bezirkspolizeikommandant Silvester Wolsegger noch keine Aussagen. Mathias B. liegt in Klagenfurt im Tiefschlaf, der zweite Bergretter wurde noch nicht befragt, und der Pilot machte noch keine Angaben zum Ablauf.
Gibt es Vorschriften für Piloten, wann sie jemanden ausklinken sollen?
Es gibt Regeln, einem Experten zufolge muss ein Pilot in einer Notsituation eigenverantwortlich entscheiden. Solche Notsituationen werden auch in der Theorie durchgespielt. Im speziellen Fall habe der Pilot laut Knaus die Sicht verloren. „Er glaubte ja, dass er knapp über dem Boden fliegt. Deshalb bestand die Gefahr, dass er die Männer am Seil über den Gletscher schleift – und die Maschine abstürzt. Dann wären wohl alle vier getötet worden."
Wie funktioniert das Ausklinken?
Werden Personen am Seil transportiert, dann sind sie mit einem Doppellasthakensystem gesichert. Dabei wird ein Ypsilon-Gehänge an zwei Haken eingehängt. Zum Ausklinken müssen im MD 902 zwei Schalter – einer links und einer im Steuerknüppel – betätigt werden.
Gegen den Piloten, der mit 2500 Flugstunden als erfahren gilt, wird wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ermittelt. Der Hubschrauber wurde begutachtet und wieder freigegeben. Technische Defekte wurden ausgeschlossen.
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