Tirol Ärzte nach Amels Tod angeklagt

Tirol Ärzte nach Amels Tod angeklagt
Ein falscher Einlauf, viel zu hoch dosiert, soll zum Tod des Dreieinhalbjährigen an der Kinderklinik geführt haben.

Ein Wechselbad der Gefühle durchleidet Zehira Dedic, die Mutter des kleinen Amel, der am 27. April 2010 in der Innsbrucker Kinderklinik an den Folgen eines phosphathältigen Einlaufs starb. "Einerseits bin ich wütend. Denn was ist das für ein Leben, wenn man sein Kind wegen einer Verstopfung verloren hat. Und andererseits bin ich natürlich froh, dass der Fall nun vor Gericht geklärt wird", sagte sie am Freitag.

Fahrlässige Tötung

Da wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck einen Strafantrag gegen jene Assistenzärztin und den Oberarzt eingebracht hat, die den Dreieinhalbjährigen behandelt hatten: Sie müssen sich wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen vor Gericht verantworten.

Wie berichtet, war Amel nach einer ersten ambulanten Behandlung am 24. April 2010 erneut in die Kinderklinik gebracht worden, weil sich seine Verstopfung trotz Abführmittels nicht gebessert hatte. Dort ordnete die Medizinerin nach Rücksprache mit dem Oberarzt drei phosphathältige Einläufe an - innerhalb von nicht einmal zweieinhalb Stunden.

Eine fatale Entscheidung, die laut Strafantrag zu Amels Tod geführt haben soll: "Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens gehen wir davon aus, dass er verstorben ist, weil ihm eine zu hohe Dosis verabreicht wurde - trotz bekannter Niereninsuffizienz, niedrigen Körpergewichts und der massiven Verstopfung", erklärt Hansjörg Mayr, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck. "Dies führte zu einer massiven Phosphatkonzentration im Blut, die ein nicht mehr beherrschbares Multiorganversagen und den Tod des Kindes zur Folge hatte."

Auch eine mögliche Verbandsverantwortlichkeit der Tilak (Tiroler Krankenanstalten GmbH) sei im Zuge der Ermittlungen geprüft worden. "Aber ein kausales Organisationsverschulden oder eine sonstige kausale Pflichtverletzung konnte dabei nicht festgestellt werden", führte Mayr weiter aus.

Ausgeschieden

Wie die Tilak am Freitag mitteilte, sind beide Ärzte inzwischen nicht mehr in der Klinik tätig: Einer schied aus, der zweite ließ sich längerfristig karenzieren. Bei einer Verurteilung drohen beiden Medizinern bis zu drei Jahre Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Amels Mutter liegt nach dem Tod ihres Sohnes jetzt vor allem am Herzen, "dass die Ärzte besser und vorsichtiger werden. Denn es geht ja um Menschenleben." Sie habe Verständnis dafür, dass Ärzte oft überarbeitet seien, versichert Zehira Dedic. "Aber sie sollten sich trotzdem so viel Zeit nehmen, um die Anweisungen für die Anwendung von Medikamenten zu lesen." Dann wären solche furchtbaren Fälle wohl vermeidbar, meint sie.

Zweifel: War Eingriff bei Azra notwendig?

Auch zum tragischen Fall der kleinen Azra aus Vomp, die in eine Superklebertube gebissen hatte, gibt es eine neue Entwicklung: Nach Recherchen bei der Vergiftungsinformationszentrale in Wien geht Anwalt Thomas Juen davon aus, dass eine endoskopische Untersuchung ihrer Atemwege gar nicht notwendig gewesen wäre. Und "Bei rechtzeitiger Kontaktaufnahme mit der Vergiftungsinformationszentrale hätte die Tragödie vermieden werden können."

Die Dreijährige wurde am 15. Oktober in die Kinderklinik gebracht und für die Untersuchung nach Mitternacht narkotisiert. Doch nach 48 Stunden, in denen sie für eine zweite Untersuchung mit Propofol in künstlichem Tiefschlaf gehalten worden war, wachte sie nicht mehr auf. Azra starb am 27. Oktober - vermutlich an den Folgen einer seltenen Propofol-Nebenwirkung.

Die Vergiftungsinformationszentrale teilte Juen mit, dass das Risiko beim Verschlucken solcher Klebstoffe gering sei. Nur wenn diese eingeatmet werden, könnten sehr selten ärztliche Maßnahmen notwendig werden. Laut Juen soll die Klinik erst am 20. Oktober, also Tage nach dem Eingriff, bei der Vergiftungsinformationszentrale angefragt haben: "Nach den Beschreibungen waren Azras Atemwegsbeschwerden aber nach Ansicht der Vergiftungsinformationszentrale am ehesten auf eine Infektion zurückzuführen."

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