Tiercoach: Herzstillstand

Tiercoach: Herzstillstand
Der natürliche Tod ist den wenigsten Haustieren vergönnt. Auch wer seinen Schützling vom Leid erlösen lässt, muss Trauerarbeit leisten.

Tod, Trauer und Trostsuche, das gehört zum Leben", sagt KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter. Die Direktorin des Tiergartens Schönbrunn hat schon viele Tiere leben, leiden und sterben sehen. Drei Neufundländer, die sie jahrelang als Familienmitglieder auf vier Pfoten begleitet haben, musste sie einschläfern lassen. "Man hat immer das Gefühl, dass der Zeitpunkt zu früh ist. Das ist persönlich eine ganz, ganz schwere Entscheidung, da muss man sich helfen lassen."

Die Lebenserwartung von Heimtieren steigt. Hunde werden mitunter sechzehn Jahre alt, Katzen mehr als zwanzig. Gesunde Nahrung im Überfluss und die moderne Veterinärmedizin machen es möglich. Trotzdem: Der Tod ist unausweichlich.

"Natürlich wäre es schön, wenn ein Heimtier in der Nacht einschläft und nicht mehr aufwacht. Doch das ist den wenigsten vergönnt", sagt Schratter. Ob Katze, Kaninchen oder Kanari - die meisten Heimtiere kommen in die Jahre, werden bequemer, gebrechlich, krank. Schließlich kommt für viele die Phase, in der unerträgliche Schmerzen andauern und medikamentös nicht zu lindern sind. Der Patient verweigert das Fressen und nimmt die Umwelt nicht mehr wahr. Doch der natürliche Tod lässt auf sich warten. "Das Einschläfern ist eine Gnade, ein Privileg, das wir nützen können, um Leid zu beenden", sagt der KURIER-Tiercoach.

Die Verantwortung, sich aktiv für die Beendigung des Lebens seines Schützlings zu entscheiden, bleibt beim Besitzer. Der Tierarzt berät. Der Experte wird nur in ausweglosen Situationen Sterbehilfe anbieten.

Mit einer Spritze versetzt er den Patienten in tiefe Narkose. Wenn der Vierbeiner keinen Schmerz mehr fühlt und keine Wahrnehmung mehr hat, verabreicht der Tierarzt ein Medikament, das das Herz zum Stillstand bringt. "Heimtiere haben keine Angst vor dem Sterben, sie leben in der Gegenwart", beruhigt Schratter das Gewissen. Der Leidensweg von alten Tieren im Freiland werde ebenfalls abgekürzt, sie würden eher Beute von Feinden.

Im Idealfall erlöst der Tierarzt den Patienten in gewohnter Umgebung. Ist der Hausbesuch nicht möglich, begleitet eine vertraute Person das Tier auf seinen letzten Weg. "Studien zeigen, dass Kinder ab dem Volksschulalter besser mit dem Tod eines Haustieres zurechtkommen, wenn sie beim Einschläfern dabei sind, als wenn das geliebte Tier plötzlich aus dem Alltag verschwindet", erklärt Schratter. Sie weist diesbezüglich aber auf noch etwas hin: "Ein Tier spürt Unruhe, das überträgt sich."

Trauerarbeit muss in jedem Fall geleistet werden. Eine Zeremonie hilft, Beistand von Freunden tut gut. Manche brauchen viel Zeit, um über den Verlust hinwegzukommen. Andere lenken sich sofort mit einer lebhaften Neuanschaffung ab. "Ein neues Heimtier ersetzt das verstorbene nicht. Jedes Tier ist ein Individuum für sich", sagt die Expertin. Trost spendet ein Vierbeiner jedenfalls.

Ob Hunde, Katzen & Co. den Tod begreifen, ist derzeit eine Glaubensfrage. Für höhere Tiere wie Affen und Elefanten liegen wissenschaftliche Ergebnisse vor. Sind soziale Strukturen mit enger Bindung vorhanden, erlaubt die Hirnstruktur das komplexe Verarbeiten von Gefühlen, steigen die Stresshormone. Dann greifen auch Tiere beim Ableben von Artgenossen auf Formen des Abschiednehmens zurück und suchen Rückhalt in der Gruppe.

"Den Verlust eines tierischen Partners bemerken auch Heimtiere. Das ist aber keine Trauer aus Mitleid. Hunde beziehen den Verlust mehr auf sich", erklärt der KURIER-Tiercoach: "Stirbt sein Besitzer, frisst er tagelang nicht, weil seine Bezugsperson weg ist."

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