„Stehlen, wo es nur geht“ in Russland
Es ist eines der Themen, die Russlands Regierung arg zusetzen: Korruption. Ein Thema, das für viele Russen eine alltägliche Bürde bedeutet – im Umgang mit der Polizei, mit Behörden. Eines, das Menschen auf die Straße treibt, um gegen den Premier und demnächst wohl Präsidenten Putin zu demonstrieren. Ein Thema, von dem russische wie ausländische Unternehmer und Investoren ein Lied singen können. So wie William Browder.
Er war der größte ausländische Investor in Russland, hielt Beteiligungen am russischen Flaggschiff Gazprom. 2006 geriet er nach zehn Jahren in Russland in Konflikte mit der Regierung. Die Büros seines Investmentfonds wurden durchsucht, er selbst des Landes verwiesen, weil er eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“ darstelle. Sein Anwalt Sergei Magnitsky wurde inhaftiert und starb später in Haft. Ein Fall, der für Aufsehen sorgte.
Browder spricht heute von Russland als einem kriminellen Staat. Einem Staat, der vor allem eines tue: Ein System aufrecht erhalten, das es einem kleinen mächtigen Kreis erlaube, „zu stehlen, wo es nur geht“, um eben diesen Kreis loyal zur Führung zu halten. Er habe dieses Spiel nicht mitspielen wollen – womit die Probleme begonnen hätten.
„Drehscheibe Österreich“
„Die 90er-Jahre“, sagt Browder im Gespräch mit dem KURIER in einem Wiener Hotel, „die waren unorganisierte Kriminalität – heute herrscht organisierte Kriminalität.“ Er spricht von einem System wie bei der italienischen Mafia. Nur dass die Aufteilung der Geschäftsfelder die Regierung selbst vornehme. Politiker, Bürokraten, Beamte, die sich in ihrem jeweiligen Bereich bedienten. „Und Österreich und seine Banken sind Drehscheibe, um schwarz erwirtschaftete Gelder weiß zu waschen“, klagt Browder an. Russland sei kein Staat. Ein Staat kassiere Steuern, um sie zu investieren. Russland gleiche eher einem feudalen System, das sich nur auf Grund der hohen Öl- und Gas-Preise erlauben könne, so zu agieren, wie es agiert.
Fakt ist: Russland hat seine Probleme – was die Infrastruktur, was die Bezahlung von Staatsbediensteten angeht. Lehrer erhalten zum Teil keine Löhne, ebenso Ärzte, der Zustand der Straßen blockiert zunehmend die wirtschaftliche Entwicklung. Der Korruptions-Watchdog Transparency International reiht Russland auf Platz 143 von 182.
Korruption schürt Unmut. Und zumindest eines hat sich laut William Browder fundamental verändert in Russland: „Die gesamte chemische Zusammensetzung dieses Landes“, wie er es nennt. „Denn die Menschen haben die Angst verloren vor einer Führung, die sich nur auf Angst stützt.“
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