Staatsanwalt zielte mit Pistolenhand

Staatsanwalt zielte mit Pistolenhand
Die Wild-West-Szene wurde nach dem Tierschutzprozess-Freispruch vom ORF gefilmt. Die Aufsichtsbehörde prüft den Zwischenfall.

Montag, 2. Mai 2011. Die ORF-Journalistin Nora Zoglauer und ihr Kameramann fangen vor dem Landesgericht Wiener Neustadt die Atmosphäre ein. Soeben sind die 13 Tierschützer vom Vorwurf, einer kriminellen Organisation anzugehören, freigesprochen worden. Das größte Beweisverfahren in der Zweiten Republik endet mit einer kleinen Party der Tierschützer und ihrer Sympathisanten vor dem Gerichtsgebäude. Luftballons wehen im Wind, es gibt Ansprachen und innige Umarmungen.

Kürzlich sichtete die Journalistin für die Sendung "Am Schauplatz" das Videomaterial, und stieß dabei auf eine verstörende Szene wie aus einem Wild-West-Film. Ein Mann ist darauf in einem offenen Fenster zu sehen, der seine rechte Hand zu einer Pistole formt und danach eine Schussabgabe mimt. Im Zuge ihrer Recherchen lüftete sich die Identität des "Cowboys": Es handelte sich um einen Staatsanwalt, der zwar nichts mit dem Prozess zu tun hatte, aber als stellvertretender Behördensprecher tätig ist.

Die Szene ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die dem Prozess eine politische Schlagseite nachsagen. Hat sich die Behörde sinnbildlich auf die Aktivisten "eingeschossen"? Sie ließ jedenfalls nicht locker, berief im Juni gegen fünf Freisprüche wegen einzelner Delikte wie etwa Sachbeschädigung.

Staatsanwalt zielte mit Pistolenhand

"Die Staatsanwälte waren enttäuscht über den Freispruch", meint Zoglauer, die eineinhalb Jahre lang das Verfahren beobachtete. Dennoch sei dies ein Verhalten, das "einem Menschen, der Staatsanwalt ist, nicht gebührt". Fünf Mal sah sich dessen Vorgesetzter das Video an. Aber die Pose war eindeutig, ließ keinen anderen Schluss zu. Daraufhin erreichte Zoglauer ein Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft Wien, die darin mitteilte, "dass das ... erkenn­bare Verhalten eines mit dem Verfahren nicht befassten Staatsanwalts völlig in­akzeptabel erscheint und betroffen macht." Dem KURIER erklärt die Erste Oberstaatsanwältin Ilse-Maria Vrabl-Sanda: "Wir haben ein aufsichtsbehördliches Verfahren eingeleitet. Es wird sowohl disziplinarrechtlich als auch strafrechtlich geprüft." Der Betroffene wollte auf Anfrage nichts sagen.

Strafrechtliche Konsequenzen? Strafrechtsprofessor Richard Soyer: "Eine Beurteilung steht mir nicht zu. Ein Staatsanwalt sollte sich nicht zu Gesten hinreißen lassen, die seine Unbefangenheit infrage stellen können." Die Suppe scheint strafrechtlich sehr dünn zu sein. Am ehesten stellt das eine gefährliche Drohung dar. Dagegen spricht, dass auch ein Staatsanwalt Emotionen hat und haben darf.

Für den Tierschützer und einstigen Angeklagten Martin Balluch ist das "unfassbar". Natürlich habe er die Be­hörde kritisiert, aber "das muss man ertragen können" .

Nora Zoglauers Beitrag "Am Schauplatz. Märtyrer oder Mafiosi?" über die Nachwehen des Tierschützer­prozesses wird am Freitag um 21.15 Uhr auf ORF2 ausgestrahlt.

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