Sozialpartner: Run auf Frühpensionen einbremsen

Sozialpartner: Run auf Frühpensionen einbremsen
Die Sozialpartner haben Rezepte zusammengestellt, wie vor allem die Frühpension wegen Krankheit kuriert werden soll.

Im oberösterreichischen Bad Ischl wollen die Sozialpartner am Montag Nägel mit Köpfen machen. Beauftragt von der Regierung, werden sie Vorschläge präsentieren, die dazu führen sollen, dass das faktische Pensionsantrittsalter steigt.

Sensationen, etwa ein Erhöhen der Abschläge pro Jahr Frühpension oder eine steuerliche Schlechterstellung der Golden Handshakes, sind nicht zu erwarten.

Sozialpartner: Run auf Frühpensionen einbremsen

Es wird um eine Reihe von Maßnahmen gehen, die auf Altersgruppen abgestimmt sind. Ziel: Die Menschen sollen länger gesund arbeiten. Schwerpunkt des Paketes ist es, die Frühpensionen wegen Krankheit, die Invaliditätspensionen, einzudämmen.

Die hohe Zahl dieser Pensionen - pro Jahr gibt es 70.000 Anträge - führt dazu, dass das durchschnittliche Pensionsantrittsalter hierzulande nur bei etwas mehr als 58 Jahren liegt. Außerdem zählt jede Frühpension doppelt: Es wird eine Pension fällig, während Beiträge zur Sozialversicherung wegfallen.

Kranke Psyche

Psychische Erkrankungen sind mittlerweile bei Arbeitern und Angestellten mit rund 45 Prozent Ursache Nummer 1 für den Weg in die Invaliditätspension. Bei den Arbeitern, Männern und Frauen, gab es in den letzten Jahren die höchsten Zuwächse. Der Großteil davon war in der Bau- bzw der Reinigungsbranche beschäftigt.

Dass sehr viele Simulanten dabei sein sollen, wie oft unterstellt wird, glaubt die erfahrene Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Gabriele Wörgötter nicht. "Berufsunfähigkeit durch psychische Erkrankungen ist weltweit im Steigen." Sie nennt die drei Gruppen, die in Österreich am häufigsten davon betroffen sind.

- 18- bis 30-Jährige Häufig krank nach Drogenkonsum, nur bei Einhalten intensiver Therapien rehabilitierbar.

- Hilfs(bau)arbeiter Meist Migrant; um die 50; verliert - bedingt durch Abnutzung des Bewegungsapparates - die Arbeit; schlechte Schulbildung oder Analphabet; kann vom Arbeitsmarktservice (AMS) nicht vermittelt werden; mangels Bildung sind (Um-)Schulungen im üblichen AMS-Kurssystem unmöglich; ein Antrag auf Invaliditätspension wird von der Pensionsversicherung (PVA) abgelehnt. Der Betroffene klagt die Invaliditätspension beim Arbeits- und Sozialgericht ein. Die Klage wird abgewiesen, weil das Gericht zu dem Schluss kommt, dass beim Kläger noch eine sogenannte Restarbeitsfähigkeit vorhanden ist. Er landet wieder beim AMS, das für ihn wieder keine Arbeit findet. Es folgt einer neuer Antrag auf Invaliditätspension.

- Angestellte, männlich wie weiblich Ende 40, Anfang 50 Sie sind dem Arbeitsdruck, der in den vergangenen Jahren gestiegen ist, nicht mehr gewachsen und erleben ein Burn-out. Bei Angestellten macht auch Mobbing oft krank.


Vor allem die zweite Gruppe, die der Hilfsarbeiter, wird laut Wörgötter erst psychisch krank, wenn sie über "Jahre zwischen AMS und PVA hin- und hergeschickt werden, ohne dass sich ihre Beschäftigungschancen verbessern, während sich in dieser Zeit die wirtschaftliche Situation verschlechtert. Wenn sie sich trotz allem bewerben, hören sie noch, dass sie zu alt sind. Menschen, die das über Jahre erleben, werden reaktiv depressiv."

Was Wörgötter aus der Praxis weiß, passt zu Studien des WIFO, wonach ein Viertel neuer Invaliditätspensionisten vor dem Abgang in die Pension vier Jahre und länger arbeitslos war.

Gesunken

Anträge und Zuerkennungen auf Invaliditätspension sind bis August im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Mögliche Gründe: Anfang 2011 wurde der Tätigkeitsschutz gelockert, der bestimmt, in welche Berufe der oder die Betreffende verwiesen werden kann. Und ehe ein Pensionsantrag gestellt wird, muss geprüft werden, ob die Person beruflich neu oder umqualifiziert werden kann.

Ein neues Beratungsangebot "fit2work" soll nun dazu führen, dass es gar nicht so weit kommt, viel zu früh einen Antrag auf Pension zu stellen. Wörgötter: "Man muss sich um die Leute weit vor dem 50. Lebensjahr umfassend kümmern. Viele Menschen um die 50 mit psychischen Problemen würden trotzdem gerne arbeiten. Aber die moderne Leistungsgesellschaft hat für diese Menschen keinen Platz. Die Politik sollte sie nicht im Stich lassen."

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