Skandalsumpf: Die Schlüssel-Fragen zum U-Ausschuss

Skandalsumpf: Die Schlüssel-Fragen zum U-Ausschuss
Parlament: Demnächst wird wieder ein Untersuchungsausschuss beschlossen. Was kannund darf ein solcher?

Im schlimmsten Fall bringen Untersuchungsausschüsse ein Parlament an den Rand eines Einsturzes.

Zuletzt passierte das 2008. Noch ehe sich der "Innenministeriums-U-Ausschuss" zur ersten Sitzung traf, wurden die Techniker nervös: Im Depot des Hohen Hauses lagerte eine halbe Million Akten. Und die Last all der Ordner, Heftklammern und Papierstöße war derart gewaltig, dass die Statiker Angst bekamen: "Wir sind am Gewichtslimit!"

Mittlerweile hat das Parlament bei U-Ausschüssen auf digitale Akten umgestellt, von statischen Katastrophen ist man weit entfernt. Doch die elektronische Aufrüstung ist bei Weitem nicht das Einzige, was man über U-Ausschüsse wissen sollte.

Noch im Oktober wird der 19. U-Ausschuss formal beschlossen. Für den KURIER Anlass, die wichtigsten Fragen zu beantworten:

Was darf ein U-Ausschuss überhaupt untersuchen?

"Grundsätzlich darf er nur Sachverhalte prüfen, die mit der Bundesverwaltung zu tun haben", sagt Werner Zögernitz, Experte für Verfassungs- und Geschäftsordnungsfragen. Das bedeutet: Ein U-Ausschuss kann nur Missstände in Bundesbehörden oder -institutionen aufdecken. Malversationen in privaten Unternehmen sind für ihn tabu - es sei denn, der Bund hält mehr als 50 Prozent der Anteile.

Welche Möglichkeiten haben Ausschuss-Mitglieder, um die Wahrheit herauszufinden?

Die Abgeordneten dürfen vor allem eines: Fragen stellen. Das persönliche Engagement ist hier starken Schwankungen unterworfen.
BZÖ-Routinier Ewald Stadler zum Beispiel gehört seit jeher zu der ausnehmend engagierten Spezies. So lieferte er sich im Eurofighter-U-Ausschuss nicht nur mit Auskunftspersonen, sondern auch mit Fraktionsgegnern wie Maria Fekter heftige Duelle. "Frau Fekter hat das Wort in einer derart hysterischen Art und Weise an sich gerissen, dass ich nicht anders konnte, als zu fragen: ,Ist ein Arzt für die arme Frau im Raum?'", erzählt Stadler. "Sie nannte mich daraufhin einen faschistoiden Macho, die Sitzung wurde unterbrochen."
Ganz anders Abgeordnete wie Erwin Hornek: Wie Grüne und Orange berichten, war der ÖVP-Bürgermeister im Innenministeriums-U-Ausschuss besonders ruhig. Und das lag am technischen Interesse: "Er suchte am Laptop permanent nach neuen Traktoren", erzählt Grünen-Mann Peter Pilz.

Welche Unterlagen kann der Ausschuss beantragen?
Grob gesagt: Alle ihm relevant erscheinenden Akten aus Ministerien. Die Akten sind wesentliche Grundlage für die Einvernahmen bzw. die Befragungen von Zeugen, die im U-Ausschuss "Auskunftspersonen" heißen.

Muss man in einem U-Ausschuss die Wahrheit sagen?
"Ja", antwortet Experte Zögernitz. "Die in den Ausschuss geladenen Auskunftspersonen stehen unter Wahrheitspflicht - und sie können notfalls vorgeführt und mit Beuge-Strafen diszipliniert werden." Ex-Finanzminister Hannes Androsch wurde 1989 wegen einer Falsch-Aussage im AKH-U-Ausschuss zu einer Geldstrafe von einer Million Schilling (ca. 72.000 €) verurteilt. Ausnahme für Vorladungen sind Auslandsaufenthalte und Gerichtsverfahren: Wer nicht in Österreich bzw. in ein Strafverfahren verwickelt ist, das mit dem U-Ausschuss zu tun hat, kann sich entschlagen. Explizit verboten sind dem U-Ausschuss Zwangsmaßnahmen wie Beschlagnahmungen oder Hausdurchsuchungen.

Sind U-Ausschüsse nur eine politische Show? Oder gab es auch konkrete Ergebnisse?
Sowohl als auch. Es ist unbestritten, dass rhetorisch gewandte Abgeordnete die Befragung von "Auskunftspersonen" zur Selbstinszenierung nutzen. "Stadler und Pilz etwa waren oft an der Grenze zur Großinquisition", sagt Martin Bartenstein, der den Spitzel-U-Ausschuss geleitet hat. Dessen ungeachtet haben fast alle U-Ausschüsse wichtige Ergebnisse zutage gefördert: Der Eurofighter-U-Ausschuss etwa lieferte ein Sittenbild der Beschaffungsvorgänge von militärischem Gerät: "Ein Mitarbeiter von mir hat jene Rechnung entdeckt, die belegt, dass die Frau des Chefs der Luftstreitkräfte von einem Lobbyisten 87.600 Euro bekommen hat", erzählt SPÖ-Routinier Günther Kräuter. Der "Airchief" wurde suspendiert. Auch die extra-teure Eurofighter-Pressekonferenz (die Lobbyisten Gernot und Erika Rumpold verrechneten für nur eine Veranstaltung 96.000 Euro) wurde im Eurofighter-Ausschuss publik. Der Banken- oder der Spitzel-Ausschuss hatten ebenfalls politische Konsequenzen: Ersterer brachte eine Reform der Finanzmarktaufsicht; Zweiterer führte zur Auflösung der politischen Abteilung in der Staatsanwaltschaft.

Gab es aufgrund von U-Ausschüssen unmittelbare Rücktritte von Politikern?
Ja - auch wenn diese etwas zurückliegen. Der Lucona-U-Ausschuss etwa führte 1988 zur Demission von Karl Blecha und Nationalratspräsident Leopold Gratz. "Blecha wurde 13 Stunden am Stück einvernommen", erinnert sich Peter Pilz. "Er hat gekämpft wie ein Löwe."

Noricum bis Eurofighter: Die wichtigsten Ausschüsse

In der Zweiten Republik gab es bisher 18 Untersuchungsausschüsse. Die meisten beschäftigten sich mit sicherheitspolitischen Themen (z. B. 1968: Spionageaffäre ; 1971: Flugzeugeinkäufe Heer ; 1977: Waffenexporte etc.). Einer der brisantesten Ausschüsse war 1980 der AKH-U-Ausschuss , er rollte den bisher größten Bauskandal des Landes auf. Im Lucona-U-Ausschuss (1988) stellte sich heraus, dass Innenminister Blecha versucht hatte, die Ermittlungen in der Causa Lucona zu behindern. Blecha und Nationalratspräsident Gratz mussten zurücktreten. Der Noricum-U-Ausschuss führte zu einer gerichtlichen Verurteilung Blechas. Der Eurofighter-U-Ausschuss (2006) förderte die seltsamen Praktiken rund um den Kauf der Jets zu Tage: Eurofighter-Lobbyist Gernot Rumpold und seine Frau bekamen für die Organisation einer Pressekonferenz 96.000 Euro. Und im Innenministeriums-U-Ausschuss (2008) beschrieb der Spitzenbeamte Herwig Haidinger die Versuche des Minister-Kabinetts, ihn zu korrumpieren.

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