Schweden: Premier fordert Arbeiten bis 75
Die Schweden sind empört. Sie sollen bis 75 arbeiten, hat Premier Reinfeldt vorgeschlagen. Bei steigender Lebenserwartung, so der 46-Jährige, sei das nötig, um das Sozialsystem zu erhalten. Menschen, denen ihre Arbeit schwerfalle, sollten sich eine andere suchen, statt in Pension zu gehen.
90 Prozent der Schweden, die im Schnitt bereits 40 Jahre und damit im EU-Vergleich am längsten arbeiten, lehnen Reinfeldts Idee ab. Für sie ist nicht klar, wieso er gerade jetzt längeres Arbeiten fordert – steht Schweden doch im internationalen Vergleich wirtschaftlich auf festen Füßen.
Erfolgsmodell
Die Krise hat das Land zwar auch getroffen, es erholte sich aber rasch: Während 2009 noch eine klare Rezession herrschte, wuchs die Wirtschaft 2010 und 2011 bereits wieder um 5,5 bzw. vier Prozent. Der Haushalt ist ausgeglichen, die Staatsschulden betragen nur 37 Prozent des BIP. Für heuer wird zwar höchstens 1,3 Prozent Wachstum erwartet, was an der sinkenden Nachfrage an schwedischen Exportartikeln liegt. Das Land gilt aber weiter als krisensicher, die Zinsen für Staatsanleihen sind auf einem Rekordtief, die Krone auf einem Rekordhoch gegenüber dem Euro.
Das hat mehrere Gründe. Schweden hatte aus seiner großen Wirtschaftskrise der 1990er gelernt und seine Finanzen konsequent saniert – was in der jetzigen Krise Spielraum schaffte. So konnte Stockholm etwa Provinzregierungen, die unter sinkenden Steuereinnahmen litten, unter die Arme greifen. Eine Ausweitung der Krise vom Privatsektor – die Fahrzeughersteller Volvo und Scania waren etwa stark betroffen – auf den öffentlichen Bereich wurde verhindert. Die Gewerkschaften stimmten zudem Kurzarbeit und Lohnkürzungen zu. Schwedische Banken, die massiv im kriselnden Baltikum investiert hatte, schafften es, selbst genug Kapital zu beschaffen, um nicht unterzugehen. Staatsgeld war nicht nötig.
Und auch Reinfeldt trug zu dem Erfolg bei, indem er den Haushalt weiter sanierte und den unabhängigen Finanzpolitischen Rat schuf, der jährlich die Arbeit der Regierung bewertet und alle Gesetzesvorhaben auf ihre Auswirkungen auf den Haushalt abklopft. So schaffte Reinfeldt 2010 als erster bürgerlicher Premier die Wiederwahl. Die jahrzehntelang dominanten Sozialdemokraten haben sich bis heute nicht davon erholt.
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